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Fonds "Schwellenländer haben ein Wachstumsproblem"

Fondsmanager Ellis über die fragile Lage der Schwellenländer und warum die Probleme nicht neu sind.
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Steve Ellis ist Manager des Fidelity Emerging Market Debt Fund

Capital: Mister Ellis, noch vor fünf Jahren galten Investitionen in Schwellenländeranleihen als Zauberformel der Geldanlage - die finanzielle Situation, das Wachstum und die Demografie sprachen eher für die aufstrebenden Volkswirtschaften als die entwickelten Länder. Jetzt gelten Schwellenländer als Krisenherd, viele Währungen sind im freien Fall. Was ist da schief gelaufen?

Ellis: Viele Schwellenländer haben derzeit mit einem ganzen Bündel an Problemen zu kämpfen, die sich teils sogar wechselseitig verstärken: Der Verfall der Rohstoffpreise ist schlecht für Schwellenländer wie Russland oder Brasilien, deren Wirtschaft stark von Rohstoffexporten abhängt. Ein wichtiger Grund ist die sinkende Rohstoffnachfrage Chinas – und China selbst ist wiederum wichtiger Handelspartner vieler Schwellenländer. Über die letzten zwölf Monate hinweg tendierte zudem der US-Dollar zur Stärke, was die Lage verschlimmert hat. Es gibt aber ein grundlegendes Missverständnis über die Lage.

Nämlich?

Dass es sich für die meisten Länder um ein grundlegend neues Problem handelt. Wir haben festgestellt, dass der Einkaufsmanagerindex im verarbeitenden Gewerbe ein sehr guter Indikator für die Entwicklung von Wirtschaft und Risikoaufschlägen in Schwellenländern ist. Dieser Index entwickelt sich seit 2012 schlechter als der in Industrieländern. Kurz: Viele Schwellenländer haben ein handfestes Wachstumsproblem, das sich in negativen Überraschungen und auch in einer schwächeren Inlandsnachfrage niederschlägt. Das heißt aber auch in der Ableitung, dass inzwischen längst eine ganze Reihe schlechter Nachrichten und Erwartungen eingepreist sind in der Bewertung der Schwellenländeranleihen - allen voran der Beginn eines Zinserhöhungszyklus in den USA.

Zinserhöhung wäre keine Überraschung mehr

Der gilt gemeinhin als Gift für Schwellenländer, weil er dafür sorgen könnte, dass noch mehr Gelder aus Schwellenländern abgezogen und in den USA angelegt werden wird.

Richtig, allerdings neigen die Akteure am Kapitalmarkt dazu, solche Bewegungen vorwegzunehmen. In allen Zinserhöhungszyklen der US-Notenbanken in den 90er- und Nuller-Jahren sind die Renditeaufschläge von Schwellenländeranleihen in den Monaten nach der ersten Leitzinserhöhung zunächst gefallen und nicht etwa gestiegen. Nun mag das keine Garantie sein, dass es auch in diesem sich näherndem Zyklus so läuft. Aber überraschen kann der Schritt niemanden mehr. Es ist gewissermaßen das genaue Gegenteil der Situation im Frühjahr 2013, als die Schwellenländerwährungen und -kapitalmärkte kurzfristig stark unter Druck gerieten, weil die US-Notenbank das baldige Ende der quantitativen Lockerungen ankündigte. Derzeit ist die Lage weit ruhiger.

Dass es jüngst kaum Bewegung bei Schwellenländeranleihen gab, könnte auch der sehr geringen Liquidität geschuldet sein – es verkauft kaum jemand, weil die Anleihen ohnehin unverkäuflich wären in großen Stückzahlen.

Nein, die Liquidität mag nicht mit der von Staatsanleihen der Industrieländer zu vergleichen sein, ist aber akzeptabel. Wir stellen laufend sicher, auch mit größeren Kapitalabflüssen aus unseren Fonds umgehen zu können. Generell ist die Investorenbasis geduldiger als früher, selbst in turbulenten Marktphasen gab es keine größeren Liquidationen. Das ist auch ein starkes Argument für die Anlageklasse Schwellenländeranleihen, denn die Großanleger haben erkannt, dass uns die Niedrigzinsen in Industrieländern noch sehr lange erhalten bleiben dürften – und daher Schwellenländeranleihen eine der wenigen verbliebenen Klassen mit überhaupt noch nennenswerten Renditen bei zugleich aktuell sehr niedrigen Ausfallraten sind.

Weitere Schwächeanfälle bei Lokalwährungen

Wie sehen Sie die Lage in China?

Es bringt nichts, drum herum zu reden, dass die jüngste Entwicklung in China unter dem Strich nicht hilfreich für Schwellenländeranlagen ist. Das Momentum im Wachstum schwindet, die Kapitalkosten steigen für chinesische Firmen. Wir rechnen allerdings mit weiteren Zinssenkungen und einer Fortsetzung des Reformkurses für die Wirtschaft weg von der starken Exportorientierung, für die die sehr gute Finanzlage der Zentralregierung einen ausreichend großen Puffer bildet.

Favorisieren Sie derzeit eher Lokalwährungen von Staaten und Firmen aus Schwellenländern oder US-Dollar-Anleihen?

Die Perspektive einer weiteren US-Dollar-Aufwertung macht dollarbasierte Anleihen generell meist attraktiver, während wir bei einigen Lokalwährungen weitere Schwächeanfälle befürchten. Allerdings muss man hier auch differenzieren: Es gibt Länder, die die strukturellen Herausforderungen angenommen haben wie etwa Mexiko, Indien – aber auch solche, in denen wenig Bewegung erkennbar ist und folglich auch fraglich, ob man das Risiko der Lokalwährungen ausreichend mit weit höheren Renditen belohnt bekommt, etwa in Südafrika oder der Türkei.

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