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Zinsen Rentenexperte: „Bei der EZB denken wir in Richtung zwei Prozent“

Die EZB in der Abendsonne Frankfurts
Die EZB in der Abendsonne Frankfurts
© greatif | Florian Gaul / Picture Alliance
Nach der EZB hat auch die US-Notenbank Fed ihre Leitzinsen gesenkt. Was das für den Anleihemarkt bedeutet und welche Anlagen jetzt interessant sind, erklärt Robert Dishner von der Fondsgesellschaft Neuberger Berman

Capital: Herr Dishner, nach der EZB hat nun auch die Fed wieder begonnen die Zinsen zu senken. Wie geht es jetzt weiter am Anleihemarkt? 
ROBERT DISHNER: Die beginnenden Zinssenkungen sind eine positive Nachricht für Anleiheinvestoren. Wir sehen darin eine Normalisierung der Zinsen, anders als bei den schnellen Zinserhöhungen der Vorjahre, als die Notenbanken das Inflationsproblem angepackt haben. Wir sehen, dass sich die Volkswirtschaften verlangsamen, sei es in den USA oder in Europa. Die Notenbanken unterstützen deshalb das Wachstum weiter, ohne dass sich dabei ein sehr großer Nachteil für den Anleihemarkt am Horizont abzeichnet. Null- oder Negativzinsen sind in naher Zukunft aber unwahrscheinlich. 

Ein wichtiger Aspekt für alle, die Geld auf der Bank sparen. 
Genau. Wir betrachten insbesondere die Realzinsen, also die Zinssätze minus Inflation. Sie werde auch in Zukunft positiv sein.

Robert Dishner ist Fondsmanager bei  Neuberger Berman und investiert in Anleihen
Robert Dishner ist Fondsmanager bei  Neuberger Berman und investiert in Anleihen
© Bild: Neuberger Berman

Was kann man aus europäischer Perspektive erwarten bei den Zinsen? 
Die EZB geht vielleicht etwas vorsichtiger vor als die Fed, aber sie hat die Zinsen auch weniger stark angehoben. Die Aussichten für das europäische Wachstum sind auch etwas bescheidener, weshalb sie weiter senken wird. Dazu kommen in Europa Bedenken wegen der Fiskalpolitik. Mit Blick auf die Verschuldung gibt es zwar gute Nachrichten aus Deutschland, aber wir haben Bedenken wegen der großen Defizite in Frankreich und einigen anderen Ländern. Wir ziehen es deshalb vor, bei Anleihen in Laufzeiten von zwei bis sieben Jahren zu investieren und längere Anleihelaufzeiten eher zu meiden. Generell erwarten wir aber die Rückkehr der Laufzeitenprämie, also höhere Renditen für längere Laufzeiten. Ein Grund dafür sind die fiskalischen Sorgen für die Zeit nach der US-Wahl.

Wie tief werden die Leitzinsen noch fallen? 
Wir diskutieren noch darüber, ob 3,5 Prozent für die Fed angemessen sind, bei der EZB denken wir in Richtung zwei Prozent. Wir müssen sehen, wie sich die nächsten Monate entwickeln. Es wird eine Spanne geben, die unterhalb des Niveaus vor der globalen Finanzkrise und oberhalb des Niveaus zwischen globaler Finanzkrise und Beginn der Covid-Pandiemie liegt.

Was erwarten sie für Inflation? 
Bei den Gütern wird sich die Inflation auf dem aktuellen Niveau beginnen zu normalisieren und könnte in Zukunft sinken. Ganz anders ist es bei den Dienstleistungen, hier wird sich die Inflation fortsetzen. Einer der Gründe dafür sind steigende Versicherungsprämien, sie kennen das aus Deutschland mit dem Kostenanstieg bei Autoversicherungen. In den USA ist es nicht nur die Autoversicherung. Da steigen die Kosten in der Krankenversicherung ebenfalls deutlich, weil sie privat ist. 

Ein Großereignis der kommenden Wochen ist die US-Präsidentschaftswahl. Welchen Unterschied machen Kamala Harris und Donald Trump für die Märkte? 
Puh, gute Frage. Beide ändern ihre politische Ausrichtung immer wieder ein wenig, und bei beiden haben wir fiskalische Sorgen. Aus europäischer Sicht wären die Zölle, die Trump verhängen will, das größte Thema. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Europa und die USA in einer Trump-Regierung aufeinander abgestimmt sein könnten, aber die Zölle könnten ein Knackpunkt werden. Angesichts der Tatsache, dass das Exportwachstum eine der wichtigsten Stützen der europäischen Wirtschaft ist, müsste man sicherstellen, dass US-Zölle aus europäischer Wachstumsperspektive heraus handhabbar sind.

In den USA liegen die Renditen noch immer deutlich höher als in Europa. Lohnt es also, in US-Bonds zu investieren? 
Die Antwort hängt davon ab, wie viel an Währungsrisiko man bereit ist einzugehen. Will man dieses Risiko absichern, wäre es nicht so attraktiv. Wenn Sie das nicht tun, dann ist es möglicherweise attraktiv.

Man braucht also eine klare Meinung zur Entwicklung des Euro-Dollar-Wechselkurses? 
Ja, zu 100 Prozent. Der Anstieg des Euro auf rund 1,12 Dollar erklärt sich damit, dass die realen Zinsen in den USA schneller als in Europa gefallen sind. Wertet der Euro weiter auf, geht der Renditevorsprung in US-Anleihen teils verloren, weil man dann für jeden Dollar weniger in Euro zurückbekommt.

Wie sieht es jenseits der Staatsanleihen aus? 
Wir bevorzugen weiterhin Unternehmensanleihen guter Bonität und haben wegen des schwachen Wirtschaftswachstums in bessere Qualität umgeschichtet. Das gilt auch für Hochzinsanleihen und Schwellenländer-Bonds. Außerdem investieren wir in US-Hypothekenanleihen.

Wird eine Rezession nicht die Ausfallraten bei Unternehmensanleihen steigen lassen? 
Typischerweise kommen Unternehmen nicht wegen eines geschäftlichen Problems in Zahlungsverzug mit ihren Anleihen. Sie werden meist zahlungsunfähig wegen fehlender Liquidität und können deshalb ihre Schulden nicht refinanzieren. Viele Unternehmen haben aber gute Arbeit geleistet, um die Tilgung zu sichern. Ein Umfeld langsamen Wachstums muss also nicht unbedingt ein schlechtes Umfeld für Unternehmensanleihen sein, vor allem wenn die Firmen einen ordentlichen Cashflow erzielen und damit ihre Schulden zurückzahlen können. Schwaches Wachstum ist also vielleicht nicht das beste Umfeld für Aktien, aber es ist kein schlechtes Umfeld für Unternehmensanleihen. Das gilt übrigens auch für Hochzinsanleihen, wo sie sechs bis neun Prozent an Rendite ausgeschüttet bekommen.

Von fallenden US-Zinsen profitieren typischerweise die Aktienmärkte der Schwellenländer. Wie ist es mit Anleihen aus den Emerging Markets? 
Wahrscheinlich wird es eine ziemliche Differenzierung nach Ländern geben, auch weil China als Wachstumsmotor ausfällt. Wir bevorzugen hier tatsächlich Titel mit hohen Renditen, weil der Markt negative Schlagzeilen wahrscheinlich überbewertet hat.

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