Capital erklärt Was Sie über die Altersvorsorge wissen sollten

Symbolbild Rente
Symbolbild Rente
© Susanne Pälmer / Pixabay
Die Angst vor der Altersarmut geht um in Deutschland. Capital erklärt die wichtigsten Fakten - und wie eine sinnvolle Altersvorsorge aussehen kann

In unserer Reihe Capital erklärt geben wir einen komprimierten Überblick zu aktuellen Wirtschaftsthemen. Diesmal: Altersarmut – mit Redakteurin Nadine Oberhuber, die bei Capital unter anderem für Versicherungen und Finanzvorsorge zuständig ist.

Bröckelndes Vorsorgesystem und eine unsichere Rente – für die Generationen der 1970er und 1980er Jahre sieht es schlecht aus. Das Risiko für Altersarmut dieser Generationen soll bis 2036 auf 20 Prozent steigen, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung . Was die Politik dagegen unternimmt und wie man privat vorsorgen kann , haben wir für Sie zusammengefasst:

Wer ist von Altersarmut betroffen?

An erster Stelle sind es vor allem Frauen, die mit Minirenten auskommen müssen. Denn viele von ihnen arbeiten aufgrund von Kindererziehung kürzer als Männer und zahlen weniger in die Rentenkasse ein. Weniger gut ausgebildete und Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, bekommen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nur Niedrigrenten. Generell sind Mini-Jobber und Teilzeit-Beschäftigte stark betroffen. Besonders groß ist die Gefahr jedoch für Alleinlebende in Großstädten – also in Städten mit hohen Lebenshaltungskosten, in denen schon die Mieten einen Großteil der Rente auffressen. Mit einer bundesdeutschen Durchschnittsrente von derzeit knapp 1.000 Euro kommt man auf dem Land noch recht weit, aber in der Großstadt wird es damit knapp. Besonders für Einpersonenhaushalte, die alle Kosten alleine aufbringen müssen.

Woran erkenne ich, dass ich betroffen bin?

Ein Anhaltspunkt sind die Rentenbescheinigungen der Deutschen Rentenversicherung. Die regelmäßig zugeschickten Berichte geben Auskunft über die voraussichtliche Rente. Es sind zwar nur Prognosen, aber: Steht dort als zu erwartende Monatsrente eine dreistellige Zahl, sollte man unbedingt etwas unternehmen. Das jetzige Einkommen ist ein weiterer Indikator: Ein Durchschnittsverdiener mit einem Monatsbruttogehalt von knapp 3.100 Euro, fällt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in die Altersarmut. Zumindest nicht, wenn er den Großteil seines ganzen Arbeitslebens den Durchschnittslohn bekommt und mindestens 35 Jahre lang in die Rentenkasse einzahlt.

Insgesamt sollte man sich fragen: Wie viele Jahre werde ich wohl insgesamt im Job verbringen und Rentenbeiträge zahlen? Und wie viele Jahre habe ich vielleicht aufgrund von Kindererziehung, Auszeiten oder Arbeitslosigkeit nicht gearbeitet? Bekomme ich mal eine zusätzliche Betriebsrente? Erbe ich eventuell eine Immobilie?

Wie kann ich Altersarmut vorbeugen?

Das Wichtigste ist: Man sollte dafür sorgen, dass man eine gute Ausbildung bekommt und diese auch abschließt. Außerdem sollte man möglichst durchgängig in Vollzeit arbeiten – auch wenn es attraktiv klingt, für einige Jahre mal eine 60- oder 80-Prozent-Stelle anzunehmen, weil das die "Work-Life-Balance" verbessert. Wer als Mann mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, rutscht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in die Altersarmut. Frauen dagegen sind selbst mit mehr als 40 Berufsjahren noch von Altersarmut bedroht, was an ihrem durchschnittlich niedrigerem Einkommen liegt. Die beste Altersvorsorge ist, sich nicht nur auf die gesetzliche Rente zu verlassen, sondern auch selbst aktiv zu werden, also: Sparen, sparen, sparen.

Wie soll man ganz konkret sparen?

Am besten eignet sich ein automatischer Sparplan, der einen bestimmten Betrag auf ein Unterkonto oder Fondsdepot überweist. Wenn man als 20-Jähriger damit beginnt, reichen erst einmal 25 bis 50 Euro im Monat. Damit lässt sich bis zur Rente bereits eine große Summe aufbauen, was am Zinseszinseffekt liegt. Wer dagegen erst Mitte 40 auf die Idee kommt zu sparen, muss überproportional mehr zurücklegen – nämlich mehrere hundert Euro im Monat. Eine Faustregel ist: Mindestens zehn Prozent des Nettoeinkommens sollte man stets für die Altersvorsorge zurücklegen. Und unbedingt durchhalten – es nützt nichts nach fünf Jahren die Strategie zu ändern oder zwischenzeitlich mit dem Sparen auszusetzen. Jedes Kleinvieh macht Mist, aber es wird nur ein großer Batzen daraus, wenn man es lange genug auf einen Haufen wirft.

Welche politischen Verfehlungen gab es in den letzten Jahren?

Die Politik hat immer wieder kleinteilig am Finanz- und Rentenbereich geschraubt. Zum Beispiel wurden die Renteneintrittszeiten nach hinten verschoben und das Rentenniveau immer weiter abgesenkt. Das löst aber nicht das Grundproblem – den demografischen Wandel. Warum werden immer weniger Kinder geboren? Das liegt größtenteils an der Familienförderung beziehungsweise daran, wie Frauen mit Kindern im Beruf unterstützt werden. Außerdem hat sich der Staat mehrere Webfehler erlaubt: Der Staat finanziert private Produkte zur Altersvorsorge, die aber nicht effektiv genug sind. Sie bringen wenig Ertrag und haben hohe Kosten. Außerdem wurden bei Geringverdienern lange Zeit die Einkünfte aus privaten Alterssparverträgen auf die Grundrente angerechnet. Sie wurden also dafür bestraft, dass sie – wie gefordert – zusätzlich privat vorgesorgt hatten. Dadurch haben viele Menschen ein Motivationsproblem. Denn warum soll ich privat vorsorgen, wenn am Ende sowieso nichts übrig bleibt? In diesen Punkten hat die Politik absolut kontraproduktiv gehandelt.

Was muss die Politik unternehmen?

Es ist schwer zu sagen, wie das Rentensystem in 30 Jahren aussehen sollte oder aussehen wird. Das ist die große Blackbox, in die man nie hineinsehen kann. Das ganze Rentensystem auf neue Füße zu stellen wäre eine Generationenaufgabe, die in einer Legislaturperiode nicht zu bewältigen ist. Das Konzept der Rente mit 67 Jahren geht in die richtige Richtung, auch wenn das nicht jeden erfreut. Trotzdem ist die Politik inkonsistent: Auf der einen Seite soll immer länger gearbeitet werden. Auf der anderen Seite soll für Langzeitversicherte die abschlagsfreie Rente mit 63 ermöglicht werden. Das bedeutet: Ein früherer Rückzug aus dem Arbeitsleben ohne Einbußen. Bei körperlich belastbaren Berufen ist das nachvollziehbar, aber für akademische Berufe, darf das keine sinnvolle Alternative sein.

Welches Rentensystem sollte sich Deutschland als Vorbild nehmen?

Es gibt generell sehr unterschiedliche Ansätze rund um die Welt. Grob kann man zwischen drei Richtungen unterscheiden: Konservative Modelle, die auf einer staatlichen Rente basieren und beitragsfinanziert sind. Hier hängt die Rentenhöhe vom Erwerbsstatus ab. Auch Deutschland verfolgt dieses Modell. Bei den sozialdemokratischen Modellen mit steuerfinanzierter Grundrente, bemisst sich die Rente nach dem Staatsbürgerstatus. Je länger man in dem Land gewohnt hat, desto höher ist die Grundrente – dieses Modell wird zum Beispiel in Holland genutzt. Liberale Modelle basieren auf der Privatvorsorge – dieses Modell sieht man in Amerika und England.

Man kann und sollte das deutsche Rentensystem nicht über einen Kamm scheren. Einige Aspekte verschiedener Altersvorsorge-Modelle würden Deutschland trotzdem zugutekommen: Das Prinzip des staatlichen Vorsorgefonds etwa. In Schweden zahlen alle Bürger in einen staatlichen Fond ein, der das Geld am Kapitalmarkt anlegt. Weil die Arbeitgeber das Geld direkt an den Fonds abführen, spart das viele Kosten – garantiert aber hohe Erträge des Kapitalmarkts. Großbritannien verpflichtet seine Bürger zu Betriebsrenten – auch das findet großen Anklang.

Ein spannendes Modell ist das holländische, auch Cappuccino-Modell genannt. Dort gibt es eine steuerfinanzierte Grundrente, die jeder bekommt. Sie ist allein davon abhängig, wie viele Jahre man als Erwachsener in dem Land gelebt hat. Wer dauerhaft dort wohnt, erhält zurzeit 1200 Euro – das ist der Kaffee. Obendrauf kommt als Milch- oder Sahneschicht die Betriebsrente. Sie wird jedem garantiert, der eine gute Anstellung hat und dessen Arbeitgeber mit vorsorgt. Niederländer kommen schon mit "Kaffee und Milch" auf mehr Rente als Gehalt, so Statistiken. Wer dann noch privat vorsorgt und spart, genießt das Kakaopulver auf der Sahneschicht.

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