Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Die Allianz-Arena kennt so ziemlich jeder, der sich auch nur ein bisschen für Fußball interessiert. Und vielleicht führt ja auch bald die Allianz-Autobahn dort vorbei, falls demnächst die Schnellstraße am Stadion von Deutschlands größtem Versicherungskonzern gesponsert wird. Oder die Fans von Hannover 96 fliegen künftig nicht mehr über den Flughafen Hannover-Langenhagen ein, weil der dann Talanx-Airport heißt. Und neben dem Aachener Dom steht bald das AachenMünchener-Klinikum. Möglich wäre es, denn die Regierung hat vergangene Woche beschlossen, den Lebensversicherern das Geldanlegen zu erleichtern. Sie sollen künftig besser in Infrastruktur anlegen können.
Straßen und Schulen, Häfen und Brücken, Krankenhäuser und Telekommunikationsnetze, Stromtrassen und Entsorgungsanlagen könnten also demnächst ihren Namen tragen, oder zumindest mit dem Kapital von vielen Millionen Versicherungskunden wirtschaften. Wozu das gut sein soll? Der Bund ergreift damit die Chance, sich von Großinvestoren unterstützen zu lassen. Denn die Staatsverschuldung ist trotz des jüngsten Wirtschaftsaufschwungs noch immer hoch und die Ausgaben für die Erhaltung von Straßen und Anlagen schrumpeln seit Jahren dahin. Noch 2010 gab der Bund gut 28 Mrd. Euro allein für Straßen, Schienen, Stromtrassen und Internet aus. Inzwischen sind es nur noch 22 Mrd. Euro, das reicht gerade mal aus, um die größten Löcher notdürftig zu stopfen. Kritiker warnen deshalb seit Langem, Deutschland spare sich kaputt.
Denn rund 28 Mrd. Euro allein vom Bund wären tatsächlich nötig, um die Infrastruktur langfristig zu erhalten und so die Wirtschaft zu stärken, mahnte zuletzt auch der Internationale Währungsfonds IWF. Es gibt kaum ein Industrieland, das – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – so wenig in sein Verkehrs- und Leitungsnetz investiert wie wir. Da sich die Regierung derzeit quasi zum Nullzins Geld leihen kann, könnte sie das auch finanzieren. Nur hat sie sich gerade erst die Schuldenbremse auferlegt. Woher sollen die restlichen Milliarden also kommen?
Wohin mit dem Geld?
Zum Beispiel von der Allianz. Die will dafür ein paar Milliarden lockermachen und es gibt derzeit knapp 100 Versicherungsunternehmen hierzulande, die sich ebenso gerne beteiligen würden. Viele von ihnen haben eines im Überfluss: Kapital. Nur wissen sie nicht, wo sie das derzeit anlegen sollen, da geht es ihnen nicht anders als Normalanlegern auch. Nur dreht es sich bei ihnen gleich um 1,4 Billionen Euro. Möglichst langfristig sollen die angelegt sein und möglichst wenig riskant. Schließlich müssen die Versicherer damit extrem lang laufende Verträge erfüllen, die im Idealfall über 30 Jahre bestehen, auch wenn sie in der Praxis oft viel früher gekündigt werden. Und sie müssen ihren Kunden verhältnismäßig hohe Sparzinsen für diese Verträge zahlen. Im Schnitt sind das drei Prozent Garantiezinsen über sämtliche Verträge, die sie in ihren Beständen horten.
Es fällt ihnen in der derzeitigen Nullzinsphase immer schwerer, diese Zinsen zu erwirtschaften. Denn gut 80 Prozent des Kapitals stecken in festverzinslichen Papieren, die kaum noch Rendite abwerfen. Nur zehn Prozent in Unternehmensbeteiligungen und magere 3,5 Prozent in höher rentierlichen Aktien. Die Aktienquote ist deshalb so niedrig, weil sie durch Aufsichtsregeln gedeckelt wird und mit viel Eigenkapital hinterlegt werden muss. Das war eine der Lehren, die Aufsichtsbehörden hierzulande aus dem Aktienabsturz zur Jahrtausendwende zogen, dem New-Economy-Crash. Diese Deckelung war es auch, die den deutschen Versicherungsunternehmen in der Finanzkrise 2008 zwar zugute kam und sie weniger wanken ließ als so manchen Verwalter von Pensionsgeldern in europäischen Nachbarstaaten. Die ihnen aber seitdem zu Schaffen macht, seit die Erträge aus festverzinslichen Papieren fast bis auf Nullniveau gesunken sind.
Wenn die Regierung nun die Anlagevorschriften für Infrastrukturprojekte lockert, hilft sie also nicht nur sich selbst, sondern spült vielleicht auch den Versicherern mal wieder ein paar Prozent mehr Zinsen in die Kassen. Die haben nämlich derzeit erhebliche Probleme, ihren Kunden Langfristverträge schmackhaft zu machen. Vor allem seit der Garantiezins für Neuverträge am 1. Januar auf magere 1,25 Prozent gefallen ist. Wie vermittelt man jemandem, dass es sich lohnt, 20 oder 30 Jahre in eine Police einzuzahlen, wenn am Ende ein Betrag dabei herauskommt, der sich nur im Nachkommabereich von dem unterscheidet, was man die ganzen Jahre über eingezahlt hat?
Viele Jüngere sorgen nicht mehr vor
Denn mit dem Garantiezins wird ja nur das Guthaben verzinst, das nach Abzug aller Kosten für Provisionen, Verwaltung und Risikoabsicherung auf dem Kundenkonto landet. Das sind in der Regel nur 60 bis 90 Prozent der eingezahlten Beiträge. Errechnet man die garantierte Rendite auf das, was man eingezahlt hat, wirft eine Kapitallebensversicherung derzeit im Schnitt 0,92 Prozent ab. Weniger als ein Prozent – bei einem guten Versicherer. Bei jedem sechsten Versicherer, also den weniger guten, sind es sogar nur 0,47 Prozent, ermittelte die Ratingagentur Assekurata. Dafür spart man aber ein Leben lang. Man zahlt 36.000 Euro ein, um in 30 Jahren garantiert 37.000 Euro herauszubekommen. Kann man das einem 30jährigen noch vermitteln?
Offenbar nicht. In den 90er-Jahren gehörte eine Lebensversicherung als Altersvorsorge noch ganz selbstverständlich in jedes Depot und warf sieben Prozent Rendite ab, inklusive aller Überschüsse und Schlussüberschüsse. Heute auslaufende Verträge kommen gerade mal auf drei bis vier Prozent Rendite und bei künftigen wird es noch weniger sein. Jeder dritte Jüngere verzichtet laut Umfragen deshalb inzwischen aufs private Altersvorsorgesparen. Wenn die Unternehmen es also schafften, wieder ein paar Prozent mehr mit dem Kundenkapital zu erwirtschaften und die Zusatzrendite auch tatsächlich an ihre Kunden weiterzugeben, wäre allen Beteiligten geholfen. Man darf aber daran zweifeln, dass es so passiert.
Zwar locken Infrastrukturfonds mit großen Renditen, theoretisch liegen diese im Mittel bei 11 bis 23 Prozent je nach Projekt, so ermittelten weltweite Auswertungen. Doch die Erträge aus den Projekten schwanken von Jahr zu Jahr stark. Und so risikolos, wie oft behauptet wird, sind die Investments auch nicht. Beim Bau von Offshore-Windkraftanlagen konnten die Investoren das schon erfahren. Der Bau von Containerhäfen gilt überdies als extrem konjunkturanfällig. Beim Thema Flughafenbau spricht das Beispiel Berlin für sich. Zudem ist es derzeit nur ein winziges Prozent der Kapitalanlagen, das in solchen Investmentvehikeln steckt.
Dividende statt Garantiezins
Die Versicherungen werden zwar zusehen, dass sie dennoch ihre Erträge einfahren. Ob die aber über höhere Verzinsungen wirklich bei den Versicherten ankommen, oder ob sie nur die Löcher in ihren eigenen Bilanzen damit stopfen, ist die Frage. Selbst in den vergangenen Jahren stiegen die Gewinne der Branche noch immer kräftig, während die Rendite der Verträge sank und sank.
Gerade erst meldete die Allianz ein Gewinnplus von vier Prozent – und wer profitiert davon? Die Aktionäre bekommen dieses Jahr eine Rekorddividende. Von Rekordzinsen für Versicherte kann dagegen keine Rede sein. Was Anleger daraus lernen können: Die Erträge können sie auch direkt einstreichen – über Infrastrukturfonds. Die gibt es als jederzeit handelbare offene Fonds oder in riskanter geschlossener Form.
Ganz Mutige können auch auf einzelne Infrastrukturaktien setzen. Einige Mautbetreiber zum Beispiel sind börsennotiert. Oder aber man kauft stattdessen die Aktien von Versicherungsunternehmen und streicht die üppigen Dividenden ein. Höher als die Garantiezinsen sind die allemal.