Es hätte eigentlich keines weiteren Beweises mehr dafür bedurft, dass die goldene Anlegerregel stimmt. Der Markt liefert den Beweis dieser Tage dennoch. Schon wieder muss man sagen: Den Beweis für die Regel nämlich, dass hohe Zinsen immer auch ein hohes Risiko bedeuten.
Denn Geldanlagen mit Superzinsen, die stetig fließen und bei denen das Geld absolut sicher ist, die gibt es eben nicht mehr. Auch wenn die Verkäufer uns das immer wieder weiszumachen versuchen. Selbst dann nicht, wenn sowohl das Anlagevehikel als auch der Unternehmensname dahinter so unendlich solide klingen. So wie bei den Mittelstandsanleihen.
Am Markt der Mittelstandsanleihen kracht es derzeit gewaltig: Erneut ist ein Unternehmen in die Pleite geschliddert, weswegen die Anleger nun um ihr Geld bangen. German Pellets ist hoch verschuldet und nun ein Fall für den Staatsanwalt. Damit stehen beim Holzhändler Papiere im Wert von rund 280 Mio. Euro im Feuer.
Und das ist nur einer von mehreren Fällen, bei denen Anleger zurzeit die Luft anhalten: Das 130 Jahre alte Familienunternehmen Friedola Holzapfel, Hersteller von PVC Belägen, meldetet Ende Dezember seine Insolvenz und schockte die Sparer mit der Aussicht auf Totalverlust ihrer Einlage. Der Schrotthändler Scholz gilt als Sanierungsfall und muss sich dringend restrukturieren. Allein diese drei haben Anleihen im Wert von knapp 450 Mio. Euro ausgegeben. Auch die Kurse anderer Anleihen rutschten kräftig ab, allen voran gingen die Kurse von Rickmers und Air Berlin auf Talfahrt. Der Mittelstandsindex Mibox sackte seit Jahresbeginn sogar noch stärker ab als der Aktienindex Dax. Nun liegen die Nerven blank.
Dabei ist der Mittelstand doch, so beten uns Wirtschaftsvertreter und Statistiken zumindest immer wieder vor, das Herz der deutschen Wirtschaft. Es sind die vielen kleinen und mittleren Unternehmen und damit rund 99 Prozent aller Firmen in diesem Land. Der Mittelstand beschäftigt rund 60 Prozent aller Mitarbeiter und sorgt für mehr als ein Drittel der bundesdeutschen Wirtschaftsleistung. Soweit die Fakten.
Der Mittelstand hat also Kraft, doch er muss auch stetig wachsen, um diese Kraft zu bewahren. Dazu fehlt einige Firmen das nötige Geld, weswegen sie sich Kapital von den Anlegern leihen. Sie geben Mittelstandsanleihen aus und zahlen dafür üppige Zinsen von oft sechs bis acht Prozent. Ein Supergeschäft, gelten Mittelständler doch gemeinhin als finanzstark und solide – das ist die fatale Deutung, zu der sich Sparer an dieser Stelle hinreißen lassen. Sie haben insgesamt Milliarden auf Mittel- und Kleinunternehmen gesetzt.
Pleiten und Zahlungsausfälle
Mit etwas Abstand betrachtet ist der Markt der Mittelständler jedoch eines der wankelmütigsten Segmente der Börsen überhaupt. Seit sechs Jahren haben sie nun ihren eigenen Marktplatz an den Börsen, um sich dort Kapital zu beschaffen. Unabhängiger von der Kreditwirtschaft, wie es so schön heißt. Und gut 6 Mrd. Euro haben sie auf diesem Wege aufgenommen.
Doch schon 2014 häuften sich die Pleiten und die Zahlungsausfälle. Auch 2015 war ein außerordentlich turbulentes Jahr, in dem sogar das Traumschiff MS Deutschland in Seenot geriet. Viele weitere große Namen sorgten für Verluste und Verdruss statt für Rendite, darunter Strenesse, Mifa, Rena Lange, Schneekoppe und zahlreiche neue Energieunternehmen. Das zeigt: Auch ein großer Name schützt Investoren vor Ausfällen nicht. Warum sollte es in diesem Jahr anders sein?
Bisher ist die Gesamtbilanz verheerend, schlüsseln Anlegerverbände auf: Jedes sechste Papier brachte Anlegern bisher entweder keine Zinsen oder wegen Unternehmenspleiten gar den Totalverlust. Den Schaden bezifferte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im vergangenen Jahr bereits auf rund 900 Mio. Euro. Zunächst schien es, als seien vor allem zwei Branchen betroffen, nämlich Modefirmen und neue Energieunternehmen.
Doch neuerdings geraten auch zunehmend Industrieunternehmen ins Wanken und Firmen jeglicher Couleur ringen um die rechtzeitige Zahlung ihrer Zinsen oder um die Ablösung ihrer Papiere. Die Zahlungsschwierigkeiten sind kein Problem einzelner Branchen, sie sind das Problem des ganzen Segments.
Wirklich überraschend ist das nicht, denn fragen Sie einmal andersherum: Warum besorgen sich die so soliden und finanzstarken Mittelständler bei Kleininvestoren Geld, das sie dann mit sechs bis acht Prozent verzinsen müssen – wo es doch in diesen Zeiten billige Kredite bei Banken gibt, für die sie weitaus weniger Zinsen zahlen würden? Zumal bei denen das Geld recht leicht zu bekommen ist, wie Finanzierungsexperten sagen. Derzeit gäben sich die Banken regelrecht die Klinke in die Hand, um Mittelständler zu finanzieren. Bestimmt tun die Kleinunternehmen es auch nicht aus dem hehren Wunsch, lieber die Anleger als die Banken an ihren Geschäften und Gewinnen zu beteiligen. Sie tun es nur aus einem Grund: Weil sie zu denen gehören, die gar nicht so solide und finanzstark sind. Weil sie die wenigen sind, die von Banken wohl nicht genug Geld zu akzeptablen Konditionen bekämen.
Viel Schatten, wenig Licht
So gesehen leuchtet sofort ein: Mittelstandsanleihen garantieren keinen sicheren Zins für wenig Risiko, sondern sind eine echte Wagnisfinanzierung. Der Markt bündelt also sowohl kleine Firmen mit riskanten Geschäftsmodellen als auch viele Unternehmen mit großen Namen aber schlechten Bilanzen. Und der Anleger bindet sich auch noch über lange Zeit an sie, schließlich betragen die Laufzeiten in der Regel fünf Jahre. Wer vorzeitig aussteigen will, erlebt gerade dieser Tage, wie arg die Preise schwanken und wie schnell das einen Teil der Einlage zunichtemachen kann. Ein Kurs von 60 bis 80 Prozent des Nennwertes gilt bereits als Warnsignal: Hier trauen die Anleger einem Unternehmen anscheinend nicht mehr zu, sich zu refinanzieren. Bei großen Namen gelten bereits Notierungen unter 100 Prozent als bedenklich.
Die Mehrheit der Anleihen jedenfalls sei nicht empfehlenswert, urteilen Marktbeobachter und Anlegerschützer. Allenfalls einige bisher solide gelaufene Anleihen kurz vor Ende der Laufzeit wären eine Überlegung wert. Solche Papiere notieren meist gut über 100 Prozent, das heißt, sie werfen trotz hoher Kupons von sechs bis acht Prozent nur eine Rendite zwischen zwei und vier Prozent ab. Sehr viel ist das nicht.
Wer sich dennoch auf die Suche nach solchen positiven Ausnahmen machen will, sollte ein paar Kennzahlen beachten: Das Eigenkapital des Unternehmens dürfte dabei die wichtigste Größe sein. Liegt dessen Quote im Vergleich zum Fremdkapital über 30 Prozent, ist das gut. Bei Kandidaten, die weniger als 15 Prozent Eigenkapital mitbringen, ist höchste Vorsicht angebracht. Wer zudem erheblich mehr Schulden hat, als er Gewinn im Jahr einfährt, der ist ebenfalls ein Risiko. Bis zum Zweifachen eines Jahresgewinns gilt die Schuldenquote als gut. Und hohe Zinszahlungen für die Anleihengläubiger sind nur dann ein Grund zur Freude, wenn auch der Gewinn stimmt. Übertreffen dagegen die jährlichen Zinszahlungen den Jahresgewinn, spricht vieles dafür, dass sich das Unternehmen damit langfristig Probleme aufhalst. Denn hohe Zinsen, das wissen wir jetzt, bedeuten auch hohes Risiko.