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Interview „Die meisten verbrennen mit Kunst Geld“

Thomas Kellein, Kunstberater der Berenberg Bank, über Kunst als Investment und die Mär der hohen Sachwertrenditen
Bei Kunstwerken sind Wertsteigerungen möglich. Nur wie setzt man auf den richtige Künstler
Bei Kunstwerken sind Wertsteigerungen möglich. Nur wie setzt man auf den richtige Künstler
© Getty Images

Thomas Kellein ist Kunsthistoriker. Als selbstständiger künstlerischer Berater ist er heute für die Privatbank Berenberg tätig. Kellein hat zuvor unter anderem Mercedes-Benz und die NRW Bank beraten.

Herr Kellein, viele Menschen lesen ständig von Rekordauktionen und den hohen Renditen von Kunst als Sachanlage. Ist das Interesse an Kunst als Anlage ein neues Phänomen in der Ära der Niedrigzinsen - oder gab es das schon immer?

Kunst als Anlageform ist ein geschichtlich eher junges Thema. Kunst war immer schon ein Wertspeicher, und sehr hohe künstlerische Qualität überdauert alle Wellen. Aber erst in den 1980er Jahren haben Käufer ganz bewusst damit begonnen, Kunst vor allem mit dem Ziel der Gewinnerzielung zu kaufen und zu verkaufen. Blockkäufe gerade junger Künstler galten als chic, zudem trieben bis zum Ende der 1980er-Jahre einige japanische Käufer die Preise vor allem von Impressionisten hoch. Seitdem gibt es auch die Debatte: Darf man so etwas überhaupt? Und ist es sinnvoll?

Und, ist es das?

An einer Kernfrage kommt niemand vorbei, der sich dafür interessiert: Will ich ein Förderer der Künstler oder will ich auch ein ganz eigenständiger guter Sammler sein? Es ist meiner Meinung nach aber etwas töricht, Kunst allein mit dem Blick auf die Rendite zu kaufen. Die meisten verbrennen auf diesem Weg viel Geld. Doch kann man es machen, auch mit Erfolg.

Warum?

Es ist immer die Spitze einer Ära, die bleibenden Wert hat, die überlebt und dabei meistens viel teurer wird. Vom Rest hört man dann immer weniger. Für langfristige Wertsteigerungen ist aber nicht nur Sachkenntnis, sondern auch eine Portion Glück nötig.

Inwiefern?

Wir wissen nicht, was die nächste und übernächste Generation gut finden wird, wofür sie bereit ist, Geld auszugeben. Retrospektiv klingt das natürlich immer einfach. Aber nehmen wir etwa die amerikanische Konzeptkunst der 1960er-Jahre: Diese Werke hatten eher den Charakter einer Dokumentation der damaligen Zeit. Das hat damals kaum jemanden interessiert, am Markt gefragt waren andere Kunstformen und Künstler. Heute spielen Namen wie On Kawara oder Lawrence Weiner eine besonders große Rolle. Selbst Caspar David Friedrich, einer der bedeutendsten deutschen Künstler überhaupt, war mehr als 70 Jahre lang nach seinem Tod fast vergessen. Aber wir können ahnen, welche neuen Käufergruppen auftreten werden und welchen Geschmack sie haben. Seit einigen Jahren gewinnt zum Beispiel das Verhalten chinesischer Käufer eine unübersehbar große Bedeutung.

Das klingt eher, als ob Sie von Kunstinvestments abraten.

Nein, überhaupt nicht. Ich halte es nur für sinnvoll, sich zunächst über bestimmte Fragen Gedanken zu machen: Wofür interessiere ich mich wirklich, welches Sammlerverhalten finde ich interessant, gibt es womöglich etwas Ausgefallenes, das zu mir passt? Wenn es um den Aspekt der Wertsteigerung geht, haben Sie als Investor auch ein Problem: Sie werden sich dann eher an Künstler und Werke halten müssen, deren Ruf am ehesten dem eines „Blue Chip“ am Aktienmarkt entspricht. Denn die besten Künstler und Galerien lieben Sie nicht, wenn sie als reiner Investor ohne Sammelinteresse auftreten. Die werden zunächst alles tun, damit Sie bestimmte Werke nicht bekommen. Also sind Sie auf Auktionen angewiesen, was die Sache schon mal verteuert, nicht nur wegen der Konkurrenz, sondern auch wegen der Aufgelder. Was aber nur eine Erklärung dafür ist, wieso es so viele schlagzeilenträchtige Rekorde bei Auktionen gibt. Beim Investment kommen noch die laufenden Kosten für die Lagerung und Versicherung ihrer Werke hinzu.

Schattenseite der Auktionsrekorde

Sehen Sie eine Preisblase?

Nein. Die große Zahl an Investoren hat zwar dafür gesorgt, dass selbstzweit- und drittklassige Werke stark im Wert steigen können. Ich halte auch die große Konzentration vieler Sammler und Investoren auf junge, zeitgenössische Kunst für etwas gefährlich, hier unterliegen viele einem Herdentrieb. Aber insgesamt? Nein. Auch wenn laufend darüber geschrieben wird. Wir haben auf der Welt eigentlich nichts schöneres als Kunst. Nur die Liebe, aber die kann man bekanntlich nicht wirklich kaufen.

Was macht Sie so zuversichtlich?

Nehmen wir einfach die Verhältnismäßigkeiten: der globale Kunstmarkt setzt mit rund 50 Mrd. Euro jährlich rund ein Viertel des derzeit größten deutschen Automobilherstellers um. So sieht für mich keine Blase aus. Die sehr wenigen Auktionsrekorde mit zwei- und dreistelligen Millionenerlösen haben indes auch eine künstlerische Schattenseite: Immer weniger Museen werden es sich leisten können, Kunst auszustellen, deren Versicherungsprämien die städtischen Haushalte sprengen. So findet eine Spaltung zwischen öffentlichen Museen und Kunstmarkt statt, die gerade in Deutschland recht betrüblich ist.

Gibt es denn tatsächlich den oft zitierten Trend, dass sich immer mehr Menschen auch in Deutschland für Kunst als Anlage interessieren?

Definitiv. Häufig keimt das Interesse an Kunst auch in einem Moment, in dem Vermögen generationsübergreifend übertragen oder vererbt wird. Und viele Menschen wissen, dass eine Katastrophe am Kunstmarkt nach der Lehman-Pleite und Finanzkrise ausgeblieben ist, obwohl damit gerechnet wurde. Der Glaube an Kunst als Sachwert ist ungebrochen. Ohne gute Beratung kommt man aber selten zum Ziel.

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