Wechsel an der Spitze der Bundesbank: Der Volkswirt Joachim Nagel soll dem scheidenden Präsidenten Jens Weidmann nachfolgen. Wie das „Handelsblatt“ und der „Spiegel“ berichten, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den 55-Jährigen für das Amt vorgeschlagen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bestätigte die Nominierung durch ihn und Scholz ebenfalls auf Twitter. Nagel sei „eine erfahrene Persönlichkeit, die die Kontinuität der Bundesbank sichert“, lobte Lindner.
Auch von Seiten der Privatbanken gab es Zustimmung für die Entscheidung. „Damit kommt ein Experte mit langjähriger Notenbankerfahrung und ausgezeichneter Kenntnis der Finanzmärkte an die Spitze der deutschen Zentralbank“, erklärte Christian Sewing, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, in einer Pressemitteilung. „Die Ernennung von Joachim Nagel passt zur Rolle Deutschlands als ‚Stabilitätsanker in Europa‘.“
Jens Weidmann hatte im Oktober angekündigt, den Job bei der Zentralbank vorzeitig abzugeben. Die Entscheidung habe er „aus persönlichen Gründen“ getroffen. Sein Mandat wäre eigentlich noch bis 2027 gelaufen.
Inflation als drängendstes Thema
Mit Nagel folgt nun ein Bundesbank-Eigengewächs auf den Chefposten. 17 Jahre lang hat er für die Zentralbank gearbeitet, von 2010 bis 2016 im Vorstand. Die Freude im Haus dürfte deshalb groß sein. Die Bundesbank bekomme „den nahezu natürlichen und hausgezüchteten Nachfolger von Jens Weidmann“, sagt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski zu Capital.
Die Inflation wird eines der drängendsten Themen für den neuen Chef sein. Derzeit liegt sie bei 5,2 Prozent und damit so hoch wie zuletzt nach der Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahre. Dazu wird Nagel sich auch mit den anderen Ratsmitgliedern der EZB abstimmen müssen. Weidmann ließ immer wieder durchblicken, dass er in dem Gremium mit seiner eher restriktiven Meinung recht alleine dastand.
So hatte die EZB vergangene Woche abermals angekündigt, auf eine lockere Geldpolitik zu setzen. Im Gegensatz zur US-Notenbank Fed hält EZB-Chefin Christine Lagarde eine Erhöhung der Zinsen 2022 für „sehr unwahrscheinlich“. Weidmann wiederum hatte sich mit den mahnenden Worten verabschiedet, die Geldpolitik solle „nicht zu lange an ihrem derzeit sehr expansiven Kurs festhalten“.
Schnabel mächtiger in EZB
Nach Einschätzung von ING-Chefvolkswirt Brzeski wird Nagel den Kurs seines Vorgängers beibehalten. Er werde als „Hüter einer konservativen Geldpolitik“ auftreten. Nagels Vorteil sei, dass er die meisten Entscheiderinnen und Entscheider schon kenne. „Nagel ist gut vernetzt, sowohl in der Bundesbank als auch in der EZB, kennt sich in der Geldpolitik aus und hat inzwischen sogar einige Zeit im Ausland verbracht, um sein Profil zu schärfen“, sagt Brzeski. Der in Karlsruhe geborene Nagel hat bisher für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel gearbeitet.
Allerdings dürfte seine Macht in der EZB begrenzt sein. Dort sei „die derzeit relevantere einflussreiche Stimme die von Isabel Schnabel“, so Brzeski. Eine größere Rolle werde er daher vor allem für die deutsche Öffentlichkeit spielen.
Schnabels Name wurde bei der Frage nach der Weidmann-Nachfolger immer wieder gehandelt. Auch die Vize-Präsidentin der Bundesbank, Claudia Buch, war im Rennen. In Berlin wollten viele eine Frau an der Spitze der Bundesbank. Mit Schnabel hätte dann allerdings erneut ein deutsches Direktoriumsmitglied aus der EZB abgezogen werden müssen. Buch wiederum galt einigen als noch nicht geeignet für den Posten.

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