In einem Vierteljahr könnte das Vereinigte Königreich die EU verlassen. Analysten ergehen sich seit Wochen in Prognosen darüber, was das für die Wirtschaft auf der Insel und im Rest Europas bedeuten würde. Ein kurzer Überblick über mögliche Folgen eines Brexit:
Binnenkonjunktur
Die ökonomische Stabilität auf der Insel wird nach der knapp verhinderten Unabhängigkeit von Schottland im Herbst 2014 erneut auf die Probe gestellt. Allein das Referendum als solches löst bereits erhebliche Unsicherheit für Märkte, Unternehmen und Haushalte aus. Für Anleger heißt das: Sie sollten Aktien von Unternehmen meiden, die ihre Geschäfte überwiegend auf dem britischen Heimatmarkt machen. Das trifft insbesondere kleinere Unternehmen, doch auch große Konzerne sind teilweise stark von der Binnenkonjunktur abhängig. Sie leiden zudem oft unter dem schwachen Pfund, da die Briten viele Rohstoffe und Waren im Ausland einkaufen müssen.
Ein Austritt aus der Eurozone würde diese Probleme vermutlich noch verschärfen. So senkte das britische Office for Budget Responsibility, die für Staatsfinanzen zuständige Regierungsbehörde, bereits seine Wachstumsprognose für 2016 von 2,4 auf 2 Prozent. Für 2017 erwartet die britische Regierung nur noch ein Wachstum von 2,2 statt ursprünglich 2,5 Prozent.
Absehbare Folge eines Austritts der Briten aus der EU wäre auch eine neue politische Unsicherheit. So hat die schottische Regierung für diesen Fall bereits angekündigt, sich via Referendum doch noch vom Königreich abzuspalten, um ihrerseits Mitglied der Europäischen Union bleiben zu können.
Außenhandel
Träte Großbritannien aus der EU aus, verlöre es den uneingeschränkten Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt. Das würde den Inselstaat als Zielort für Direktinvestitionen deutlich schwächen. Der leitende Ökonom des Investmentblogs „Context“ Darren Williams schätzt Kapitalzuflüsse aus dem Ausland als stark gefährdet ein: „Ein schwächeres Pfund würde die Folgen mildern“, sagt Williams. Trotzdem rechnet er mit einer signifikanten Abschwächung der Konjunktur oder schlimmstenfalls sogar mit einer Rezession.
Zugleich wäre ein Austritt des an der Bevölkerung gemessen drittgrößten Mitgliedsstaats auch für die Union ein schwerer wirtschaftlicher Schlag. Die EU würde immerhin 13 Prozent ihrer Einwohner verlieren und 17 Prozent ihrer Wirtschaftskraft einbüßen. Mit diesem Verlust würde es sich schwieriger gestalten, Wirtschaftsmächten wie den USA, Russland oder China auf Augenhöhe zu begegnen. Unterm Strich hätte das Vereinigte Königreich wirtschaftlich gesehen aber mehr zu verlieren als die EU.
Politische Stabilität
Politisch ist ungewiss, ob der Austritt die EU nun schwächt oder stärkt. Einerseits zeigen sich die Briten immer wieder als schwierige Verhandlungspartner und haben viele Sonderrechte durchgesetzt. Die politische Union könnte ohne Querschüsse von der Insel also enger zusammenrücken. Andererseits könnte ein Austritt weitere EU-Gegner und Populisten darin bestärken, die Europäische Union auf die Probe zu stellen – und mit Austritt zu drohen. Beim Blick auf die derzeit drängendsten Probleme der EU, die Staatschuldenkrise, die Flüchtlingskrise und die Terrorgefahr, wäre ein starkes, wenngleich streitlustiges Großbritannien als EU-Mitglied und Partner vermutlich nützlicher denn als externer Verhandlungspartner.