Es könnte so einfach sein mit den Kapitalmärkten. Logische Zusammenhänge zwischen Zinsen und Aktien sowie Gold funktionieren und Anleger können kaum was falsch machen. So schön die Theorie aussieht, so gegenteilig sieht es in der Praxis aus. „Dass der Goldpreis 2024 bis auf 2400 US-Dollar klettert, hatten die wenigsten Experten erwartet“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. „Zumal die US-Zinsen seit Ende Dezember 2023 wieder merklich angezogen haben und dies doppeltes Gift für den Goldpreis sein müsste“, so der Experte. Von Oktober bis Dezember war die Notiz schon von 1800 auf nahezu 2100 Dollar gestiegen.
In der Tat gibt die Rally bei den Edelmetallen Rätsel auf. So äußerte zuletzt auch Bert Flossbach vom gleichnamigen Vermögensverwalter großes Erstaunen angesichts der Rally. Mit dem am 19. April erreichten 17. Rekordhoch in diesem Jahr ist Gold seit Jahresbeginn um rund 15 Prozent gestiegen. Verantwortlich dafür sind vor allem zwei Faktoren: die geopolitischen Spannungen und die veränderte Goldnachfrage aus China. In Zeiten globaler Unsicherheiten wie dem aktuellen Konflikt zwischen Iran und Israel sind sichere Anlagen verstärkt gefragt. Gleichzeitig spielt China eine weitere wichtige Rolle in der aktuellen Goldpreisentwicklung. Das Land hat in den vergangenen Monaten seine Bestände an US-Staatsanleihen reduziert und stattdessen Gold gekauft.
Sicherer Hafen zählt wieder
Grund für die Abkehr von US-Anleihen und die Hinwendung zu Gold ist unter anderem die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts mit den USA und der damit verbundenen Unsicherheit. Auch Privatpersonen kaufen Gold, weil der Immobilienmarkt – Immobilien waren das große Sparinstrument der letzten Jahrzehnte – unter Druck geraten ist. Zudem hat auch der chinesische Aktienmarkt Federn lassen müssen, so dass Gold derzeit das beliebteste Investment der Chinesen ist. „Somit gewichtet der Markt die anhaltenden geopolitischen Spannungen derzeit offenbar höher als den jüngsten Zinsanstieg“, so Jürgen Molnar. Wenn die Zinsen sinken, sinken auch die Kosten für das Halten eines zinslosen Vermögenswerts wie Gold, was dessen Attraktivität erhöht. Umgekehrt leidet der Goldpreis in der Regel, wenn die Inflation steigt und die Anleger mit steigenden oder nicht (mehr) mit fallenden Zinsen rechnen.
Kurzfristig könnte Gold aber sein am oberes Limit erreichen. Die Feinunze ist schnell gestiegen und wird derzeit mit einem Aufschlag von 18 Prozent auf den Durchschnittspreis der letzten 200 Tage gehandelt. Das ist das höchste Level seit Mitte 2020, als die Nachwirkungen der Coronapandemie ausliefen. „Aus technischer Sicht liegt die erste robustere Haltezone für eine Abwärtskorrektur bei 2150 bis 2200 US-Dollar“, meint Franz-Georg Wenner von Indexradar.
Silber – eine andere Geschichte
Etwas anders sieht die Rechnung bei Silber aus, das viel stärker in den Wirtschaftskreislauf eingebunden ist. Das Edelmetall profitierte sowohl von der Goldrally wie auch von der Tatsache, dass die Photovoltaikindustrie astronomische Wachstumsraten aufweist und Silber ein wichtiger Rohstoff ist. Nach Angaben des Edelmetallhändlers Heraeus entfallen rund 30 Prozent der industriellen Silbernachfrage auf die Solarindustrie. In diesem Jahr könnte die Nachfrage 200 Millionen Unzen übersteigen. Vor allem das rasante Wachstum der PV-Produktionskapazitäten und der PV-Installationen in China treibt diese Entwicklung voran.
Auch technisch ist die Ausgangslage anders als bei Gold, da Silber seit 2020 in einer breiten Seitwärtsrange gefangen ist wie technische Analysten ausführen. „Ein Ausbruch wäre erst über 31 Dollar möglich, was angesichts der Überhitzung zumindest kurzfristig ebenfalls eher unwahrscheinlich ist“, so Experte Wenner. Die kurzfristig besten Zeiten könnten Gold wie auch Silber also erst mal gesehen haben.