US-Notenbankpräsident Jerome Powell hat die Tür für weitere Leitzinserhöhungen offen gelassen. „Die US-Notenbank ist bereit, die Zinssätze bei Bedarf weiter anzuheben“, sagte Powell am Freitag während einer Rede auf der Notenbank-Konferenz in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming. Man werde die Kreditkosten hochhalten, bis die Inflation auf einem nachhaltigen Weg in Richtung des Inflationsziels sei.
Die Federal Reserve strebt eine Inflationsrate von zwei Prozent an, ist von ihrem Mandat her zugleich aber verpflichtet eine hohe Beschäftigung zu gewährleisten. Die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt hingegen nur ein Inflationsziel von zwei Prozent. Ihre Präsidentin Christine Lagarde sollte am späteren Freitagabend (europäischer Zeit) ebenfalls sprechen. Volkswirte erwarten, dass sie wie zuletzt die Datenabhängigkeit auf dem weiteren Zinspfad der EZB betonen wird.
Powell hob in seiner nur 13 Minuten dauernden Rede die sinkende Inflation bei zuletzt überraschend guten US-Konjunkturdaten hervor. Er sagte, dass die Fed „vorsichtig vorgehen wird, wenn wir entscheiden, ob wir die Geldpolitik weiter straffen“. Zugleich betonte er aber, die Zentralbank sei noch nicht zu dem Schluss gekommen, dass ihr Leitzins hoch genug sei, um sicher zu sein, dass die Inflation wieder das 2 Prozent-Ziel erreiche.
Besorgniserregendes Zeichen: Kreditgeschäft stark eingebrochen
Die US-Notenbank hatte auf ihrer jüngsten Sitzung Ende Juli die Leitzinsspanne um 0,25 Prozentpunkte auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent angehoben. Auf der vorhergehenden Sitzung hatte sie erstmals im aktuellen Erhöhungszyklus eine Pause eingelegt. Einen klaren Hinweis auf das weitere Vorgehen gab die Fed bisher nicht.
„Wir haben unsere Politik im vergangenen Jahr deutlich gestrafft“, sagte Powell. Das habe Banken vor große Herausforderungen gestellt, zitiert ihn CNN. Die Kreditvergabestandards der Banken seien verschärft worden und das Kreditwachstum habe sich „stark verlangsamt“. Das sei ein besorgniserregendes Zeichen für die Gesamtwirtschaft, sagte Powell und fügte hinzu, dass dies das Wirtschaftswachstum dämpfen könnte. „So hat sich beispielsweise das Wachstum der Industrieproduktion verlangsamt, und die Ausgaben für Wohnungsbauinvestitionen sind in jedem der letzten fünf Quartale zurückgegangen“, sagte er.
Trotzdem hält sich Powell die Option auf weitere Zinserhöhungen offen. „Obwohl die Inflation seit ihrem Höchststand zurückgegangen ist – eine begrüßenswerte Entwicklung – ist sie immer noch zu hoch. Wir sind bereit, die Zinssätze gegebenenfalls weiter anzuheben und beabsichtigen, die Politik auf einem restriktiven Niveau zu halten, bis wir sicher sind, dass sich die Inflation nachhaltig in Richtung unseres Ziels bewegt.“
Weiter sagte Powell: „Wir achten auf Anzeichen dafür, dass sich die Wirtschaft nicht wie erwartet abkühlt.“ Der private Konsum sei „besonders robust“ und selbst der kriselnde Immobiliensektor könne sich möglicherweise erholen. Die Wirtschaft wachse weiterhin über dem Trend und wenn dies anhalte, „könnte dies weitere Fortschritte bei der Inflation gefährden und eine weitere Straffung der Geldpolitik rechtfertigen“.
An der Wall Street sorgten die Ausführungen von Powell kaum für Kursbewegungen. Er habe wenig Neues gesagt, hieß es von Marktteilnehmern. Der Aktienleitindex S&P 500 legte um 0,4 Prozent zu, die zweijährige US-Staatsanleihe handelte 2 Basispunkte höher bei 5,06 Prozent.
Obwohl weitere Zinserhöhungen auf dem Tisch liegen, lässt sich seine Rede als relativ neutrale Haltung deuten und ist eine Abkehr von seiner Rede im letzten Jahr. Damals warnte er die Anleger, dass der Kampf der Fed gegen die Inflation „Schmerzen“ für die US-Haushalte bedeuten würde.