Kolumne Fabelhafte Neuemissionen

Christoph Bruns
Christoph Bruns
© Lyndon French
An der Wall Street spielt das Neuemissionsgeschäft verrückt. Unternehmen wie Snowflake und Airbnb kommen auf aberwitzige Marktkapitalisierungen. Christoph Bruns über den nicht zu erschütternden Optimismus amerikanischer Anleger

Über den amerikanischen Aktienmarkt ergießt sich derzeit eine Flut von Neuemissionen. Ob Unity Software, Snowflake, Luminar, Door Dash oder Airbnb, um nur einige zu nennen, an der Börse schlägt man sich geradezu, um Stücke solcher Wunderunternehmen zu ergattern. Die Marktkapitalisierungen der genannten IPOs sind mitunter gigantisch. Snowflake und Airbnb können auf einen Marktwert von jeweils über 100 Mrd. US-Dollar verweisen. Dabei spielt es im Fall von Airbnb auch keine Rolle, dass das Unternehmen, wie nahezu alle Tourismusunternehmen, eigentlich zu den Verlierern der Corona-Pandemie zählt. Die Anleger haben sich nicht lange mit solchen Problemen belastet und sogleich die vermeintlich rosige Langfristperspektive gewürdigt.

Besonders krass fallen die Relationen bei Snowflake aus. Dieses Softwarehaus strebt an, im Jahr 2020 500 Mio. Dollar Umsatz und einen Verlust in Höhe von 220 Dollar zu machen. Der Börsenwert der Gesellschaft beträgt jetzt stramme 100 Mrd. Dollar und Warren Buffets Berkshire Hathaway ist mit gut zwölf Prozent engagiert.


Snowflake Inc Aktie


Snowflake Inc Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT

Nicht minder feist kommt Luminar Technologies daher. Der Anbieter von Erkennungstechnologie für selbstfahrende Autos hat zwar bislang kaum Umsätze vorzuweisen, darf sich aber mit einer Marktkapitalisierung von über 9 Mrd. Dollar brüsten. Als Besonderheit bei Luminar fällt die Art des Börsengangs auf, denn Luminar wurde von einer Börsenhülle (Spac) privat erworben und dadurch an die Wall Street gebracht. Ähnlich verhielt es sich zuvor auch bei Nikola Corp., dem Elektrolastwagenvisionär aus Arizona. Zwischenzeitlich erreichte die Börsenkapitalisierung hier 20 Mrd. Dollar, obwohl das Unternehmen bislang noch gar keine Umsätze gemacht hat.

Magier Elon Musk

Die genannten Beispiele zeigen, mit wie viel Optimismus die Anleger derzeit an der Wall Street unterwegs sind, zumal wenn es sich um Unternehmen aus dem Software-, Internet, Digital- und Elektroantriebssektor handelt.

Das rosige Börsenklima für sogenannte Technologieaktien ist auch den bereits am Markt notierten Unternehmen nicht verborgen geblieben. Das Zauberunternehmen Tesla nutzte zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen den märchenhaften Kursaufschwung seiner Papiere, um Geld bei den Anlegern per Kapitalerhöhung einzusammeln. Auf diese Weise verwandelt der Magier Elon Musk Papiergewinne in wirkliches Geld. Einmal mehr belegt dies seine pragmatische Cleverness. Auch beim Einsammeln von staatlichen Subventionen – ob in Kalifornien, Nevada oder Brandenburg – hatte sich der gebürtige Südafrikaner als wahrer Meister gezeigt. Die Kombination aus Vision und Pragmatik hat den Vollblutunternehmer mittlerweile zum zweitreichsten Menschen der Welt aufsteigen lassen. Gewiss werden die großen deutschen Autobauer, die zusammen nicht einmal ein Drittel dessen an der Börse wert sind, was Tesla derzeit zur Hochstrecke bringt, staunen und vor Neid erblassen.

Gegen die Tollheiten an der Wall Street nimmt sich die Entwicklung in Deutschland vergleichsweise moderat aus. Immerhin hat es auch hierzulande eine Belebung des Marktes für Neuemissionen gegeben, wenn man an Teamviewer, Siemens Energy, Hensold, Compleo Charging etc. denkt. Das tut auch Not, denn seit Jahren schrumpft der Kurszettel an der Deutschen Börse aufgrund von Übernahmen und Zusammenschlüssen. Aber immerhin wird der Markt durch die Neuemissionen interessanter.

Christoph Bruns ist Fondsmanager, Vorstand und Hauptaktionär der Fondsgesellschaft Loys AG. Hier finden Sie weitere Kolumnen von Christoph Bruns

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