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Börsenrückblick Es wird ein U - hoffentlich

Der Dax hat sich nach dem Einbruch wieder etwas erholt
Der Dax hat sich nach dem Einbruch wieder etwas erholt
© IMAGO / Sven Simon
Ein bisschen Hoffnung keimt auf – auch an den Börsen. Doch mit einer wirklichen Erholung von Wirtschaft und Finanzmärkten werden Anleger wohl erst zum Jahresende rechnen können, sagen Ökonomen

Am Ende dieser Woche sieht die Welt schon wieder etwas versöhnlicher aus. Auch an den Börsen. Zumindest haben sich viele Aktienindizes in Trippelschritten nach oben bewegt. Der deutsche Leitindex Dax war mit einem Punktestand von 10.500 in die Osterpause gegangen und beschließt die Woche nun mit rund 200 Punkten mehr. Auf Dreimonatssicht war sein Absturz mit rund 23 Prozent damit zwar immer noch gewaltig, aber immerhin hat er sich seit den Chaostagen im März bereits wieder um rund 2000 Punkte erholt.


DAX Index


DAX Index Chart
Kursanbieter: L&S RT

Und dafür gibt es gute Gründe: Die ersten staatlichen Hilfspakete und Maßnahmen der Notenbanken greifen, die Infektionszahlen gehen in Europa ein wenig zurück oder bleiben zumindest in den arg betroffenen Ländern mittlerweile recht stabil. Und die Politiker kündigen kleine Erleichterungen für die ersten Wirtschaftsunternehmen an. Ein Grund zum großen Aufatmen ist das alles aber noch nicht. Es ist eher eine Verschnaufpause zum Durchatmen. Denn inzwischen denken (oder hoffen) viele: Der Absturz, er wird ein U.

Es gibt also keine ultraschnelle Erholung, wie viele noch zu Beginn der Pandemie gedacht hatten. Sondern es wird eine längere Phase geben, in der die Wirtschaft nur dahindümpeln wird. Und auch am Ende des Abschwungs sind wir wohl noch nicht angekommen, warnen einige Ökonomen. Sie halten es für sehr wahrscheinlich, dass es auch im laufenden zweiten Quartal noch weiter abwärts gehen wird. Obwohl sich die Kurse auf Monatssicht schon wieder 17 Prozent erholt haben.

Wehe, wenn aus dem U ein W wird

Und sie denken, dass die Wirtschaft und Finanzmärkte wohl erst im dritten Quartal dieses Jahres die Talsohle durchschreiten werden, also den unteren Knick des Us. Das werde uns vermutlich das dritte Quartal über beschäftigen. Erst danach wird es dann hoffentlich wieder aufwärts gehen, zum Jahresende hin also.

Dann nämlich, wenn sich die Pandemie nicht nur in den ersten betroffenen Staaten als weitgehend eingedämmt erweist, sondern tatsächlich in nahezu allen Ländern. Denn erst, wenn auch der letzte Staat weniger Infektionen verzeichnet und daher wieder Fabriken, Läden, Dienstleistungsunternehmen, Logistik und Touristik herauffährt, dann sind auch alle globalen Lieferketten wieder intakt und der Konsum kann die Volkswirtschaften wieder ankurbeln wie zuvor. Jedenfalls, wenn die Post-Pandemie-Rezession nicht allzu arg auf die Insolvenzahlen und Beschäftigtenquoten drückt.

Vor allem aber muss die Welt hoffen, dass es keine zweite Welle von Infektionen gibt. Etwa dann, wenn die Grenzen wieder geöffnet werden und der übliche Reiseverkehr beginnt. Oder wenn sich herausstellen sollte, dass die Annahmen über die Immunität der Genesenen sich als falsch herausstellen. Käme das, was wirklich niemand hofft, dann könnte aus dem U noch ein W werden. und der zweite Absturz könnte dann viele Märkte und Unternehmen noch einmal richtig treffen. Genau deshalb mahnen vor allem Analysten derzeit dazu, nicht zu voreilig oder übermütig davon auszugehen, dass das Schlimmste bereits überstanden sei. Sondern lieber wachsam zu sein – und vorsichtig zu bleiben.

Immerhin haben wir aber schon zwei recht schwierige Phasen geschafft, und befinden uns folglich in Phase 3 der Krise, so sagen es die Ökonomen der Vermögensverwaltung Pimco. Und sie gehen davon aus, dass Finanzmärkte und Wirtschaft sich graduell erholen und in sechs bis zwölf Monaten wieder zur gewohnten Form auflaufen dürften. Also als genesen gelten.

Gewaltige Abflüsse

Phase 1 war die der Hoffnung und des Hedging: Da hielten viele Investoren noch riskante Papiere in großen Mengen und versuchten sich gegen die Abwärtsrisiken des Marktes mit Hedging zu schützen. Das war im Februar, als alle noch irgendwie hofften, die Epidemie zöge am größten Teil der Welt vorbei.

Als diese Hoffnung enttäuscht wurde, kam im März Phase 2, der Absturz: Viele Investoren und Privatanleger fuhren ihr Risiko im Portfolio herunter. Sie warfen also massenhaft Papiere auf den Markt. Welche es hierzulande besonders traf, hat die Ratingagentur Morningstar ermittelt: Vor allem die Aktienfonds und Aktien-ETFs erfuhren gewaltige Abflüsse. Die waren so hoch, dass sie allein in der europäischen ETF-Branche rund dreimal so stark waren wie im bis dato größten Tief. Das ereignete sich übrigens nicht in der Finanzkrise 2008 (wie man denken könnte), sondern im August 2019, als plötzlich das Vertrauen vieler Investoren in die Konjunktur und die Unterstützungsmöglichkeiten von Zentralbanken schwand. Damals flossen rund 8 Milliarden Euro aus dem Markt. Diesmal waren es fast 22 Milliarden Euro. Binnen weniger Tage.

Am deutlichsten flohen Anleger aus weltweiten Standardaktien ETFs, aus US-Standardaktien, aus Schwellenlandaktien und Schwellenland-Rentenindexfonds. Antizyklisch konnte dafür aber die deutschen Standardwerte, also Dax-ETFs und Eurostoxx-ETFs und sogar britische Standardaktien-Indexfonds durchaus Zuflüsse verbuchen. Was vermutlich auf das Konto von Schnäppchenjägern ging. Noch schwerer als die Abflüsse wogen aber in den Fonds natürlich die Vermögensverluste, die durch die Talfahrt der Kurse entstanden sind. Und die traf Index- und Aktivfonds gleichermaßen. Und überdies auch fast sämtliche andere Anlageklassen.

Keine Anlageklasse widersteht dem Absturz

Insgesamt jedenfalls, so sagt Morningstar, gab es im März und im ersten Quartal 2020 so gut wie keine Assetklasse, die sich gegen den Abwärtsstrudel stemmen konnte. Auch nicht die Anleihenfonds (sie verloren im Schnitt zwar nur 4 Prozent, was in ihrer Kategorie dennoch ein erschreckendes Ergebnis ist), nicht die Mischfonds (minus 13 Prozent), nicht die Rohstofffonds (minus 20 Prozent), Geldmarkt-Indexfonds verloren minimal aber ebenfalls Punkte und auch Edelmetallindizes knickten 8 Prozent ein. Das Einzige, womit man im ersten Quartal kein Geld verlor, war Cash. Und der Dollar. Der gewann, während der Euro kräftig nachgab.

Nun kann man bei dieser Aufzählung fragen: Wenn alle Assetklassen gleichermaßen wegsackten, gilt dann die Grundregel von der Diversifikation im Depot überhaupt noch? Tatsächlich wirkte sie zumindest im jüngsten Generalabsturz nicht. Ähnlich übrigens wie in der Finanzkrise 2008, wo es auch sämtliche Anlagesorten nach unten zog. Ist die Diversifikation deshalb aber überflüssig?

Das ist sie natürlich beileibe nicht, das zeigt ja gerade der Blick auf jene Produkte, die eben nicht nur sehr stark auf Aktien setzen, sondern auch Anleihen beimischen oder eben Edelmetalle. Natürlich verloren die auch, aber eben viel weniger. Und guckt man dann nicht nur auf die Trubelwochen vom März, sondern gleich mehrere Jahre zurück, dann wird man auch feststellen, dass sich Risikostreuung - trotz des gleichförmigen Absturzes bei extremen Marktverwerfungen – dennoch bisher immer bewährt hat.

Vielmehr zeigt die Marktlage nun eines besonders deutlich, sagt auch Morningstar: Das in Assets, auf denen Risiko draufsteht, auch tatsächlich mehr Risiko drinsteckt. Natürlich sind Aktien riskanter – weil volatiler – als Anleihen. Und natürlich sind Kleinunternehmen und Nebenwerte riskantere Investments als Blue-Chips und Dax-Aktien. In europäischen oder deutschen Aktien ist das Geld weniger riskant angelegt als in Schwellenländern. Und in Investment Grade Anleihen (also Anleihen guter Schuldner) besser als in High Yield Bonds, also in Schrottanleihen. Zuletzt belohnten gerade die riskanteren Assets ihre Anleger mit höheren Renditen. Und auch demnächst locken sie wohl wieder mit Überrenditen von 2,7 (Schwellenlandbonds) bis 4,4 Prozent (High Yield Bonds). Doch in der Krisenphase zeigten sie, dass damit auch schwerere Verluste zu machen sind. Zumindest, wenn man das Investment jetzt nicht durchhält, sondern die Papiere in solchen Zeiten auf den Markt wirft.

Nichts spricht gegen ETFs

Nun sind wir in Phase 3: Der Opportunistenphase. Einige Mutige suchen nun nach unterbewerteten Assets und nach Schnäppchen. Folglich ist bereits eine Erholung eingetreten. Und es besteht selbst bei den arg gebeutelten Risikopapieren Hoffnung, dass die Kurse der Gebeutelten ebenfalls wieder zurückkommen werden. Doch jeder Privatanleger, der solche Papiere derzeit nicht hält, sollte sich in der jetzigen Marktphase doppelt und dreifach überlegen, ob sie für ihn überhaupt erstrebenswert sind. Auch wenn er sich derzeit zu den eher Risikofreudigen zählt und genau jetzt über den Einstieg in bestimmte Märkte nachdenkt. Denn er sollte im Hinterkopf behalten: Da ein weiterer Marktabsturz noch von vielen Analysten erwartet wird, wäre es jetzt eher an der Zeit, in die weniger riskanten Standard-Assets zu setzen – wenn man denn ausgerechnet jetzt überhaupt einen Einstieg wagen will. Defensive Aktien und, ja auch Anleihen-ETFs im Investment-Grade-Bereich würden sich derzeit noch eher auszahlen.

Der Gesundheitssektor oder der Biotechsektor wäre für Aktienanleger besonders interessant. Dessen Werte waren auch jene, die weit unterproportional in der jetzigen Krise verloren. Ob man es dabei eher mit den Aktivfonds hält, für die sich laut Ratingagentur Scope künftig mehr Anleger begeistern könnten (weil sie darauf hoffen, dass die aktiven Manager einen nächsten möglichen Abschwung besser abfedern), oder ob man sich eher auf die Seite der Passivfonds schlägt, (die zwar im Krisenfall etwas stärker abstürzen, aber meist auch früher wieder zurückschnellen und aufsteigen), das mögen Privatanleger nach den gleichen Grundsätzen entscheiden, in denen sie auch in Boomzeiten ihre Investments entschieden haben.

Es gibt jedenfalls wenige Gründe, in Crash-Zeiten von den Grundüberzeugungen abzuweichen. Wer sich besser fühlt, wenn sein Geld von einem aktiven Manager betreut wird, der soll es ihm anvertrauen. Er muss es dann aber auch aushalten, wenn der es nicht zur vollsten Zufriedenheit regelt oder schlechter abschneidet als der Markt. Wer dagegen dem Gesamtmarkt in seiner Breite vertraut, vor allem auf lange Sicht, der soll weiterhin passiv anlegen. Es gibt keinen Grund, das jetzt nicht mehr zu tun.

So, und nun warten wir auf die nächste Woche und darauf, wohin die Börsenbarometer dann wieder ausschlagen.

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