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Karen Ward Erneute Bankenkrise: Verdirbt ein fauler Apfel gleich den ganzen Korb?

Karen Ward
Karen Ward
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Die letzten Wochen waren turbulent. Kein Wunder, dass sich angesichts der Ereignisse die Frage stellt: Wie werden sich die Bankenturbulenzen auf Wirtschaft, Politik und Märkte auswirken?

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) und die Rettung der Credit Suisse erschütterten die globalen Märkte. Regierungen und Notenbanken haben seither zügig Liquidität bereitgestellt und dadurch eine fragile Ruhe geschaffen. Dies hat sicherlich dazu beigetragen, das Risiko einer schnellen Eskalation einzudämmen – doch könnte diese Ruhe durchaus trügerisch sein.

In den USA liegt der Fokus auf einigen anderen Regionalbanken. Die SVB war in dieser Gruppe ein Ausreißer, denn sie verzeichnete in den letzten Jahren einen Anstieg der Einlagen von Unternehmen, die vor allem mit Risikokapital (VC) finanzierten waren. Diese Einlagen wurden in Anleihen zu einer Zeit extrem niedriger Zinssätze investiert. Die Probleme begannen, als die VC-Finanzierungen versiegten und Einlagen abgezogen wurden. Dies zwang die Bank, die Verluste aus den von ihr gekauften Anleihen zu realisieren. Aus einem Liquiditätsproblem wurde dann schnell ein Solvenzproblem.

Einige Regionalbanken dürften ihr Verhalten ändern

Es bleibt abzuwarten, ob das Schicksal der SVB das Vertrauen in den regionalen Bankensektor auf breiterer Basis beschädigt hat. Wie wir schon oft gesehen haben, braucht es manchmal nur einen faulen Apfel, um die Fäulnis auf den ganzen Korb zu übertragen. Und selbst wenn sich die Einlagen stabilisieren, werden diese Institute mit einer weiteren, strengeren Regulierung rechnen müssen.

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die jüngsten Turbulenzen das Verhalten zumindest einiger dieser Regionalbanken ändern werden. Und das ist wichtig, denn auf Regionalbanken entfallen 38 Prozent der gesamten Kreditvergabe in der US-Wirtschaft und 70 Prozent der Kreditvergabe an den gewerblichen Immobiliensektor. Wenn sich die Kreditbedingungen – der Preis und die Verfügbarkeit von Krediten – in diesem Segment des Bankenmarkts deutlich verschärfen würden, könnte das Wachstum stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir wissen noch nicht, um wie viel, aber dies gilt es im Auge zu behalten.

Was wird aus CoCos?

Die europäischen Bankprobleme sind etwas anders gelagert. Im Zuge der Eingliederung der Credit Suisse in die UBS wurden deren als Additional Tier 1 (AT1)-Kapital ausgegebene Wertpapiere quasi vernichtet. Als Schuldtitel hätten AT 1-Anleihen bei der Restrukturierung einer Bank traditionell Vorrang vor dem Eigenkapital für eine gewisse Kapitalrückzahlung. Bei der UBS-Transaktion erlaubte das Schweizer Recht jedoch, die AT1-Anleihen der Credit Suisse vollständig abzuschreiben, obwohl die Aktionäre noch eine Teilzahlung für ihre Aktien erhalten werden.

Dies hat zu Bedenken darüber geführt, wo diese zusätzlichen Tier-1-Instrumente, auch bekannt als Contingent Convertible Bonds (CoCos), in der Kapitalstruktur einzuordnen sind. Die Bemühungen anderer europäischer Regulierungsbehörden, diese Bedenken auszuräumen, scheinen weitere Spannungen an den Finanzierungsmärkten für Geschäftsbanken verhindert zu haben.

Die Volatilität in den letzten Wochen zeigt aber, wie kritisch Banken derzeit beäugt werden: Anleger suchen regelrecht nach Schwächen in deren Finanzierungsstrukturen, Wertpapier- und Kreditbeständen oder bei der Rentabilität.

Staatsanleihen als Übeltäter: Wie sehr müssen wir uns Sorgen machen?

Ich habe mich allerdings gefragt, ob wir uns Sorgen machen sollten, weil die Ursache der Probleme des Finanzsektors dieses Mal nicht Derivate, komplexe Instrumente oder „toxische Kredite“ sind, sondern Staatsanleihen – also die angeblich „risikofreien Vermögenswerte“. Dieser Vermögenswert ist im gesamten Finanzsystem weit verbreitet und die massive Neubewertung im letzten Jahr hat durchweg nicht realisierte Verluste hinterlassen.

Das Problem lässt sich eindämmen, solange die Institute in der Lage sind, diese Anleihen bis zur Fälligkeit zu halten und den Nennwert zu erhalten – auch wenn dies real ein Verlust sein kann, aber zumindest kein nominaler. Die politischen Entscheidungsträger müssen daher ausreichend Liquidität sicherstellen, damit Banken nicht in Zugzwang kommen, diese Anleihen zu verkaufen. Die neue Laufzeitfazilität der Federal Reserve, die es ermöglicht, diese Anleihen zum Nennwert zu hinterlegen, ist dafür ein gutes Beispiel.

Ich glaube nicht, dass dies der Beginn eines Teufelskreises ist, so wie wir ihn zuletzt in der globalen Finanzkrise gesehen haben. Es ist wichtig zu erkennen, dass der Crash von 2008 die Folge eines Realwirtschafts- und Bankenbooms war und durch eine überbordende Wohnungsbauaktivität hervorgerufen wurde. Der schnelle Anstieg der Hauspreise führte zu einem Bauboom in weiten Teilen der USA und Teilen Europas. Als die Preise zu sinken begannen, konnten viele Haushalte, die mit negativem Eigenkapital konfrontiert waren, ihre Kredite nicht mehr zahlen. Die Bautätigkeit kam zum Erliegen, die Arbeitslosigkeit in diesem Sektor stieg sprunghaft an, und die Banken verschärften die Kreditvergabestandards, was die Situation noch verschlimmerte.

In den letzten zehn Jahren hatten wir weder einen Boom in der Realwirtschaft noch im Finanzsektor. Das Problem war, wenn überhaupt, eine zu träge Wirtschaft. Es gibt also keinen Überhang bei den Schulden der privaten Haushalte und im Baugewerbe und ebenfalls keinen Boom bei den Unternehmensinvestitionen und der Verschuldung der Unternehmen. Die Notwendigkeit einer tiefgreifenden und anhaltenden Schwächephase, um vergangene Ausgabenüberschüsse abzuarbeiten, ist einfach nicht erkennbar. Darüber hinaus scheinen die Großbanken nach einem Jahrzehnt verschärfter aufsichtsrechtlicher Kontrolle besser kapitalisiert zu sein und über größere Liquiditätspuffer zu verfügen.

Meine Gesamteinschätzung ist daher, dass die Ereignisse der letzten drei Wochen das Verhalten der Geschäftsbanken bis zu einem gewissen Grad beeinflussen sollten. Die Einlagenzinsen werden steigen, da die Banken darum konkurrieren, Sparer zu halten. Dies wird die Kreditzinsen in die Höhe treiben. In einigen Wirtschaftssektoren wird es weniger Kredite geben, aber die Auswirkungen werden insgesamt relativ bescheiden sein, insbesondere in Europa.

Zwei Arten, das Verhalten der Zentralbanken zu beeinflussen

Das Verhalten der Zentralbanken könnte jedoch auf zweierlei Arten beeinflusst werden. Erstens könnten Geschäftsbanken einen Teil der Straffungsarbeit für die Fed und andere Zentralbanken übernehmen, was möglicherweise zu einem geringeren Anstieg der Zinssätze führt. Die US-Notenbank hat möglicherweise den Höchststand der Zinssätze erreicht, und die Europäische Zentralbank könnte kurz davor sein. Es könnte sogar so weit kommen, dass die Fed meint, sie müsse die Zinsen senken, um einen Ausgleich zu schaffen. Dies ist noch nicht unser Basisszenario. Ich mache mir aktuell eher Sorgen über die anhaltende Inflation im Vereinigten Königreich und bin mir daher weniger sicher, ob die Arbeit der Bank of England erledigt ist.

Zweitens vermute ich, dass die Zentralbanken beim Abbau ihrer Bilanzen sehr viel vorsichtiger agieren werden. Wir sind uns inzwischen alle der potenziellen Auswirkungen durch nicht realisierte Verluste bei Staatsanleihen bewusst. Eine gewisse Unterstützung dieses Marktes wäre also hilfreich. Ich war noch nie ein besonders großer Fan der quantitativen Maßnahmen der Notenbanken. Die letzten Wochen sind meiner Meinung nach ein weiterer Beweis dafür, wie schwierig eine Umkehr der unkonventioneller Geldpolitik angesichts der unangenehmen Nebenwirkungen sein wird.

In diesem Stadium ist es ratsam, neutrale Positionen zu halten, bis die Aussichten klarer sind. Aus den oben genannten Gründen rechnen wir nicht mit einer Eskalation zu einer signifikanten Finanzkrise. Vor allem, weil die Politik oft am mutigsten reagiert, wenn die Ereignisse am düstersten erscheinen. Allerdings ist jetzt nicht die Zeit für Selbstzufriedenheit.

Karen Ward, Managing Director, ist seit November 2017 Chief Market Strategist für EMEA bei J.P. Morgan Asset Management. Zuvor war sie Vorsitzende des Rates der Wirtschaftsberater für das britische Finanzministerium und ein Jahrzehnt lang bei der Investmentbank von HSBC in verschiedenen Positionen tätig. Sie begann ihre Karriere bei der Bank of England. Karen Ward hat einen Master mit Auszeichnung in Wirtschaftswissenschaften des University College London. Ihre monatlichen Kolumnen finden Sie in englischer Sprache auf ihrer Linkedin-Seite. Auf Deutsch erscheinen die Texte exklusiv bei Capital.

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