Im Rückblick auf die vergangene US-Berichtssaison zeigte sich ein bekanntes Muster. Während die Analysten die Messlatte im Vorfeld wieder recht niedrig legten und mit sinkenden Unternehmensgewinnen rechneten, steigerten die Firmen ihre Gewinne tatsächlich um gut drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Lediglich die Umsatzentwicklung ließ zu wünschen übrig, wie Ricardo Evangelista, Senior Analyst bei Activtrades sagt: „Der Anteil der positiven Überraschungen lag mit 60 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit vier Jahren“.
Dabei seien jedoch zwei Sonderfaktoren zu berücksichtigen. „Aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten im Nahen Osten und der Zinsrally waren die Märkte ohnehin angeschlagen und sichere Häfen wie Dollar und Gold gefragt. Diese beiden Belastungsfaktoren bewegten die Kurse zeitweise stärker als neue Unternehmensdaten“.
Verzerrte Unternehmensergebnisse
Zudem werde das Gesamtbild der Gewinne teilweise verzerrt, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. „Die schwachen Ergebnisse der Energieunternehmen haben die Bilanz stark belastet, ohne den Sektor kommt der S&P 500 auf ein Gewinnplus von acht Prozent.“ Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung der großen Tech-Schwergewichte. So erzielten die sieben größten Titel in den vergangenen zwölf Monaten einen Gewinn von 314 Mrd. Dollar, ein Fünftel des Gewinns aller S&P 500-Unternehmen. Die 493 Unternehmen steigerten ihren Umsatz gegenüber dem Vorjahr um magere 0,7 Prozent, die Tech-Titanen um gut zwölf Prozent.
Aufgrund der erheblich höheren Wachstumsdynamik weisen die wichtigsten Technologieaktien auch deutlich ambitioniertere Bewertungen auf. Das KGV des S&P 500 auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate liegt mit 18 im Bereich des Zehn-Jahres-Durchschnitts. Berechnet man die Bewertung nicht auf Basis der Marktkapitalisierung, sondern gleichgewichtet, fällt die Kennzahl mit einem Faktor von 14 deutlich attraktiver aus.
Erwartungen gesenkt
Für das vierte Quartal kalkuliert der Markt mit einem Gewinnplus von gut drei Prozent. Zur Einordnung: Ende September waren die Analysten noch von einem Plus von acht Prozent ausgegangen. Spannend wird es im ersten Halbjahr. Zwar haben die Experten ihre Prognosen in den vergangenen Wochen kaum gesenkt. Angesichts der zahlreichen Risikofaktoren sind die Vorgaben aber sehr sportlich.
Für das erste Quartal wird ein sattes Gewinnwachstum von knapp sieben Prozent eingepreist, im zweiten Quartal sollen die Unternehmen sogar ein Plus von 10,5 Prozent melden. Es wäre nicht überraschend, wenn auch diese Prognosen langsam nach unten korrigiert würden. Dann erscheint allerdings auch das für 2024 erwartete Gewinnwachstum von 11,6 Prozent hinfällig und die derzeit noch moderaten Bewertungen würden deutlich steigen.