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NAFin-Ausschuss gegründet DIN-Institut will jetzt auch Finanzdienstleistungen normieren

Das Deutsche Institut für Normierung DIN in Berlin
Das Deutsche Institut für Normierung DIN in Berlin
© picture alliance / Bildagentur-online/Joko | Bildagentur-online/Joko
Das Deutsche Institut für Normung DIN regelt Papiergrößen – und bald auch mehr Finanzdienstleistungen. Der neue Ausschuss NAFin soll sich um Verbraucherstandards kümmern und will zugleich einer EU-Regulierung zuvorkommen

Die Papierformate DIN A3 und DIN A4 kennt jeder. Das Deutsche Institut für Normung DIN regelt neben Papiergrößen aber auch Bereiche wie Trinkwasserversorgung und Tätowierung. Nun soll sich ein neuer Ausschuss des Instituts zusätzlich um die Normierung im Finanzbereich kümmern. Was skurril und detailverliebt klingt, ist auch ein Versuch der Finanzbranche, einer möglichen künftigen Regulierung durch die Europäische Union (EU) zuvorzukommen.

Im neu gegründeten Normenausschuss Finanzen (NAFin) werden künftig Spezialisten ihres Fachs arbeiten. Als einer von insgesamt 69 Ausschüssen beim DIN-Institut soll er ab 2024 neue Standards im Finanzsektor setzen und bisherige verknüpfen, an die sich möglichst viele Akteure halten.

Schon jetzt gibt es Finanznormen, zum Beispiel die DIN-Norm 77230. Sie regelt, wie eine gute Finanzanalyse für Privathaushalte ablaufen soll. Finanzberater, die nach diesen festgelegten Standards vorgehen, können sich zertifizieren lassen. „Diese Norm betrifft Verbraucher ganz besonders, weil sie ein Regelwerk dafür ist, wie eine Analyse der finanziellen Situation eines Haushaltes stattzufinden hat“, erklärt Klaus Möller vom „Defino Institut für Finanznorm AG“ aus Heidelberg. Defino ist eine treibende Kraft hinter NAFin. „Wir wollen keine Normungswut betreiben, sondern Dinge vereinfachen und klarstellen“, so Möller, der zugleich auch Vorsitzender des NAFin-Beirats ist.

Die bisherigen Normen haben Vertreterinnen und Vertreter von Verbraucherverbänden wie Stiftung Warentest sowie Banken und Versicherungen wie Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz erarbeitet. Dass sich die Branche selbst Standards gibt, solle den Verbrauchern helfen, sagt Möller. Gehe man als Privatkunde zu Banken und Versicherungen, komme man mit einer Reihe von Produktempfehlungen wieder heraus, die nicht immer passen. „DIN-Normen sollen verhindern, dass Verbraucher von Berater- oder Unternehmensinteressen verfälschte Ergebnisse bekommen“, sagt Möller.

Vor allem will man mit dem NAFin aber „Normungsinteressen auf europäischer und internationaler Ebene“ vorantreiben, jeweils in Abstimmung mit dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) und der Internationalen Organisation für Normung (ISO). „Wir wollen der überbordenden Regulatorik aus Brüssel etwas aus Branche entgegensetzen“, so Möller. Zuletzt hatte die EU mit ihrer groß angelegten Taxonomie-Verordnung Finanzdienstleistungen und Produkte neu geregelt. Auch im Digitalen Finanzwesen gibt es Bestrebungen zu einheitlichen Standards, etwa für die Ausgabe von Kryptowerten und damit verbundene Dienstleistungen.

Ob das neue DIN-Institut weitere EU-Regeln verhindern kann, wird sich zeigen. Denn die Branche ist bisher noch gespalten. Dass Finanzberater nach den bestehenden DIN-Normen beraten, ist keine Pflicht, sondern bleibt ihnen überlassen. Man müsse viele in der Branche noch überzeugen, sagt Möller. An der DIN-Norm 77230 haben mehr als 60 Unternehmen gearbeitet. Wie viele sie auch tatsächlich anwenden, ist unklar. Gut 2000 Finanzberaterinnen und -berater haben sich nach der DIN-Norm zertifizieren lassen.

Der Nutzen der Finanznormen ist unter Experten umstritten. Erich Paetz, Leiter des Referats „Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen“ im Bundesministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz (BMUV), sagte bereits 2019, dass die Finanzanalyse nach DIN-Norm 77230 nur ein Baustein für eine verbraucherorientierte Finanzberatung sei. Eine Falschberatung könne durch die Norm jedoch nicht verhindert werden.

Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler kritisierte die Norm. Sie erfasse nur die finanzielle Ausgangssituation des Haushalts, bestimme aber nicht genauer, welche Empfehlung zu welchem Haushaltsziel bei Haushalten mit niedrigem Einkommen passe.

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