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Interview Thomas Kretschmar über seine erste Million

Thomas Kretschmar, 55, gründete den Finanzdienstleister Hypoport. Nach seinem Ausstieg dort absolvierte der promovierte Betriebswirt ein Psychologiestudium und gründete in Berlin ein Institut für Psychoanalytik
Thomas Kretschmar, 55, gründete den Finanzdienstleister Hypoport. Nach seinem Ausstieg dort absolvierte der promovierte Betriebswirt ein Psychologiestudium und gründete in Berlin ein Institut für Psychoanalytik
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Thomas Kretschmar ist ein heimlicher Star der deutschen Gründerszene: Er hat mehrere Unternehmen wie den erfolgreichen Finanzdienstleister Hypoport gegründet. Hier erklärt er, wieso er den Chefsessel freiwillig verlassen hat – und danach Psychoanalytiker wurde

Capital: Herr Kretschmar, Sie haben erst eine Firma für Mittelstands-IT gegründet, waren Berater für Banken und sind dann Professor für Banken-IT geworden. Warum haben Sie Ihre erste Million an der Hochschule gemacht?

THOMAS KRETSCHMAR: Ich habe eine studentische Unternehmensberatung gegründet, die Banken geholfen hat, ihre IT-Prozesse zu verbessern. Wir konnten damals sehr hohe Tagessätze durchsetzen, weil ich mit meiner Erfahrung bei der Unternehmensberatung Droege Kunden werben konnte. Und nach dem ersten Jahr waren plötzlich 1,5 Millionen D-Mark übrig.

Wie hat sich Ihr Lebenswandel durch die erste Million gewandelt?

Wenn man genau hinsieht, gibt es keinen Unterschied zwischen dem 49. und dem 50. Geburtstag. Und auch die Marke von einer Million ist nicht viel anders als die Marke von 900.000 Euro, wenn man einmal so viel Vermögen erarbeitet hat. Meinen Lebenswandel habe ich überhaupt nicht geändert. Ein kleinerer Teil des Geldes ist in mein Haus geflossen, aber der Großteil war das Gründungskapital für die Hypoport AG, die aus der studentischen Beratung entstanden ist.

Die neue Capital
Die neue Capital
© Capital

Kern der Hypoport ist ein virtueller Marktplatz vor allem für Baufinanzierungen. Solche Plattform-Geschäftsmodelle gelten heute als sehr innovativ, wie sind Sie schon Ende der 90er Jahre auf die Idee gekommen?

Ich hatte zwei Erkenntnisse: Erstens wollen Kunden mit einem fertigen Vertrag aus der Bank kommen, was damals schwierig war. Zweitens wollen Banken eines Tages nicht alle Produkte selbst anbieten, aber alle vertreiben. Also braucht es eine Art Börse, auf der ich Anbieter und Vertrieb flott zusammenbringe. Beides leistet der Marktplatz.

Immobilienbanker gelten als geruhsame Menschen, was hielten die von Ihrer Revolution?

Anfangs wenig. Ich bin bei denen für die Idee tingeln gegangen, ich wollte die als Geldgeber werben, und die haben mir in einem ziemlich langsamen Redetempo erklärt: „Herr Kretschmar, das kommt alles irgendwann, aber lange nicht so schnell wie Sie denken“. Das hat mich so genervt, da habe ich gesagt: Probieren wir es doch mal selbst. Und als der Prototyp stand, hatten dann doch einige Interesse.

Als Professor durften Sie nicht im Vorstand einer Aktiengesellschaft sitzen, wie haben Sie das Problem gelöst?

Der reifste meiner Studenten hatte eine kaufmännische Ausbildung gemacht, er wurde der erste Vorstand und ist heute noch Vorstand einer Hypoport-Tochter. Die Hochschule hatte uns einen Raum direkt neben meinem Büro vermietet, da saßen wir mit ein paar Leuten an Rechnern und haben den Marktplatz programmiert. Später bin ich dann in den Hypoport-Vorstand gewechselt, und viele der Studenten sind mit Hypoport reich geworden, weil sie sich über ein Mitarbeiterprogramm beteiligen konnten. Eine Aktie war bei Gründung 25 Cent wert, heute notiert sie bei 160 Euro.

Ich habe Geld, ich habe keinen Job mehr, ich kann machen, was ich will, aber was will ich?
Thomas Kretschmar

Die Hypoport ist eine der erfolgreichsten deutschen Finanzgründungen, Partner vieler Banken, die Aktie notiert im SDax. Wieso haben Sie 2010 den Vorstandsvorsitz abgegeben?

Wenn da 500 Leute arbeiten, jeder sein Ding macht und man täglich die Postmappe auf den Tisch kriegt, ist es für mich Zeit zu gehen. Ich bin Stratege, kein Manager. Ich baue gerne etwas auf, tüftele an Geschäftsmodellen so wie ich in meiner Kindheit mit dem Chemiebaukasten experimentiert habe, aber ich verwalte nicht gerne. Dann gibt es nicht mehr viel zu entdecken.

Nach ihrem Ausstieg haben Sie sich einen Coach genommen, einen Psychologen, warum?

Ich fand das professionell, mit einem anderen zu klären, was ich mache: Ich habe Geld, ich habe keinen Job mehr, ich kann machen, was ich will, aber was will ich? Ich fand dann mein eigenes Coaching und das Unbewusste so faszinierend, dass ich ein Psychologie-Studium begonnen habe.

Sie arbeiten inzwischen nicht nur als Psychologe, sondern haben gleich ein eigenes Institut gegründet, das Mind-Institute in Berlin, warum?

Ich wollte etwas Neues aufbauen und habe mir gedacht: Mein Wirtschaftswissen gepaart mit dem psychologischen Verständnis, daraus müsste sich was machen lassen. Denn darum geht es bei unserem Coaching-Institut: Ich möchte die Konflikte im Wirtschaftsleben lösen, die normale Unternehmensberater nicht wie ich als psychoanalytischer Coach erkennen können, weil sie mit dem Unbewussten zusammenhängen. Ich hatte zwei Frauen in meiner Beratung, die eine war die Chefin, die andere ihre Mitarbeiterin. Die haben sich wegen Kleinigkeiten bekriegt. Im Gespräch stellte sich heraus: Die eine war eine kleine Schwester, die andere eine große – und die haben unbewusst Familie im Betrieb gespielt. Ein normaler Berater mit seinen Flipcharts hätte das nicht erkannt. Aus meiner Sicht gibt es Konflikte nur, weil wir Konflikte in uns tragen, die wir auf andere, auf unsere Außenwelt projizieren.

Was haben Sie als Psychologe über sich selbst gelernt?

Früher war mein Mantra: schneller, höher, weiter, allen zeigen, wie gut ich bin. Das hat auch mit meiner Neugierde zu tun, nur ist die Kehrseite dessen: Ich komme schwer an. Aber ich muss nicht immer rennen, ich kann auch mal sitzen bleiben und genießen, was ich habe.

Sie sagen, Sie hätten meist nicht mehr als 40 Stunden in der Woche gearbeitet. Wie haben Sie das hingekriegt?

Man muss nur alles delegieren, was andere auch gerne machen würden. Mir fiel es immer leicht, Aufgaben abzugeben, die für mich Routine geworden sind.

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