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Geldanlage Die Dominanz der Techaktien

Die großen Tech-Konzerne Google, Apple, Facebook und Amazon
Die großen Tech-Konzerne Google, Apple, Facebook und Amazon
© Getty Images
Lange hielt der Aufstieg der Techaktien an. Sehr lange. Doch jetzt wird die Luft allmählich dünn. Erste Abstürze von Facebook und Twitter sollten eine Warnung sein

Bisher schien klar, wohin die Reise für die Techaktien geht: Weiter aufwärts. Immer aufwärts. Im ersten Halbjahr diesen Jahres waren sie diejenigen, die dafür sorgten, dass sich große Aktienindizes wie der S&P 500 überhaupt noch einen Hauch nach oben bewegten – und nicht längst seitwärts oder abwärts. Sie zogen den Gesamtindex mit in die Höhe. Und dann das: Nach enttäuschenden Zahlen sackte vergangene Woche die Aktie des sozialen Netzwerks Facebook um fast 20 Prozent ab. Damit vernichtete Facebook an nur einem Tag so viel Kapital am Aktienmarkt, wie der Industriegigant Siemens insgesamt an der Börse wert ist, nämlich rund 120 Milliarden Dollar. Verrückt? Einerseits ja, denn es war der größte Tagesverlust, den je ein Unternehmen an der Börse verbuchte. Andererseits auch nicht, denn solche Abstürze sind die neue Normalität bei den Technologietiteln.

Wenige Tage später knickte die Aktie von Twitter ebenfalls um 20 Prozent ein. Daraufhin gaben die anderen Techwerte ebenfalls einige Prozentpunkte nach. Und erst im Juli war auch der Kurs von Netflix um 14 Prozent abgerauscht. Intel musste jüngst ebenfalls neun Prozent seines Kurswerts wieder abgeben. Und seit dieser Woche zeigen sich die Spuren auch im amerikanischen Techindex Nasdaq Composite sehr deutlich: Zwischen vergangenen Mittwoch und darauffolgenden Montag rutschte der Index von über 7900 Punkten auf 7300 ab, um rund 600 Punkte. Damit ist nun eine größere Delle markiert.

Sicher, auf Jahressicht kommt der Technologieaktienindex damit immer noch auf eine stolze Bilanz von 23 Prozent Wertentwicklung. Auf Dreijahressicht waren es mithin 57 Prozent und die Zehnjahresperformance kann sich mit 291 Prozent mehr als sehen lassen, also mit 29 Prozent Plus pro Jahr. Und diese Woche drehte der Kurs wieder nach oben. Dennoch haben viele Analysten nun Falten auf der Stirn, weil sie sich fragen, ob der jüngste Absturz nur eine kleine Schwächephase war – als solche könnte man es tatsächlich deuten, wenn man sich den Kursverlauf langfristig ansieht. Oder ob das rasche Einknicken der stärksten Techtitel nicht längst viel mehr heißt als das. Bedeutet es am Ende vielleicht das Ende der zehn Jahre andauernden Rally? Schließlich beginnt jede Trendwende erst einmal mit einem kleinen Knick, der anfangs noch recht harmlos wirkt.

Zunächst einmal scheinen die Aussichten dagegen zu sprechen, dass der große Aufschwung schon am Ende ist: Laut Businessdienst Bloomberg soll das durchschnittliche Umsatzwachstum der FANG-Aktien, also von Facebook, Amazon, Netflix und Google im kommenden Jahr bei rund 23 Prozent liegen. So zumindest haben es die Unternehmen in ihren jüngsten Ausblicken und Quartalsberichten selber prognostiziert. Das Gewinnwachstum soll 2019 sogar noch höher ausfallen als der Umsatzanstieg und bei stolzen 36 Prozent liegen. Diese erwarteten Gewinne sind bereits in den Aktienkursen eingepreist und in der Vergangenheit wurden die Prognosen ja auch größtenteils erfüllt – das unterscheidet die Situation heute von der Zeit um die Jahrtausendwende, kurz vor der Dotcomblase. Heute erwirtschaften die Techfirmen reale Gewinne. Deshalb stehen die Papiere derzeit so gut da.

Das klingt doch alles wunderbar, allerdings sollte man sich dennoch eine Frage stellen, so mahnen manche Techanalysten eindringlich: Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Firmen es wirklich schaffen, anhaltend so viel stärker zu wachsen als der Markt? Und sich neuerdings sogar komplett gegen den Markttrend zu stemmen? Zumindest das nämlich kommt einigen Skeptikern bedenklich vor.

Techaktien: Wachstumswunder kommen immer wieder

Das hat es doch schon immer gegeben, dass Einzelunternehmen eine rasante Performance hinlegen, werden gewiefte Anleger jetzt argumentieren. Richtig, Wachstumswunder gibt es immer wieder. Doch üblicherweise sind es sonst sehr kleine oder mittelgroße Firmen, die derart raketengleich an Umsatz zulegen. Selten jedoch sind Starkwachsende im Bereich der Milliardenunternehmen oder sogar der Multimilliardenfirmen zu finden. Denn natürlich lassen sich Umsatz und Gewinn von einer kleinen Basis aus – und aus einer Nische - viel leichter vervielfachen als für einen Konzern, der bereits den Markt in seinem Bereich beherrscht. Nun ist es allerdings kein gutes Argument zu sagen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Denn Überraschungen hat gerade die Börse bereits zuhauf erlebt.

Die Grundfrage bleibt aber: Wie nachhaltig erzielen die Techfirmen noch diese Überperformance? Nun schreitet die Digitalisierung im Laufschritt voran und neue Geschäftsfelder wie zum Beispiel die Cloud ermöglichen den Technologieunternehmen derzeit neue zusätzliche Einnahmequellen, die es zuvor noch nicht gab. Daher halten einige Marktbeobachter es für nicht ausgeschlossen, dass sie noch eine Weile weiter im zweistelligen Bereich wachsen. Zumal die Markteintrittsbarrieren in diesem Bereich hoch sind – wer in diesem Feld bisher noch nicht unterwegs ist, für den ist es schwierig, den Marktgrößen in diesem Geschäft den Rang abzulaufen. Das dürfte die Position der Großen vorerst zementieren.

Etwas anderes aber macht die Analysten nachdenklich: Schätzen Sie mal, welcher Gewinnanteil der Indexperformance des marktbreiten S&P 500 – der immerhin 500 Unternehmen umfasst – zuletzt auf die vier Aktien von Amazon, Apple, Microsoft und Netflix entfiel? Es geht dabei ums erste Halbjahr 2018. Von Januar bis Juli sorgten allein diese vier (von 500) Aktien für ganze 83 Prozent des Indexgewinns. Ist das nicht etwas zu enorm? Man könnte auch sagen: Hier laufen vier Aktien gegen den Rest der Welt. Zumindest gegen der Rest der übrigen amerikanischen Aktienwelt. Vor allem Netflix und Amazon setzten sich deutlich nach oben von allen anderen Aktien ab. Kann es also sein, dass die gesamte zusätzliche Wertschöpfung der Wirtschaft fast nur noch darauf beruht, dass insgesamt sechs Konzerne Speicherplatz und Rechenleistung vermieten und Onlineshops betreiben? Oder sind hier nicht die Aktien reichlich übertrieben bewertet? Das ist die spannende Frage.

Sieht man sich die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) der Techies an, so wirken derzeit einzig Amazon mit einem KGV von 104 und Netflix mit 121 arg überbewertet. Wer diese Aktien als Einzelwerte hält, sollte sich zumindest auf eine Korrektur gefasst machen. Bei den übrigen Giganten liegen die Kurse lediglich zwischen dem 16fachen des prognostizierten Jahresgewinns (Apple) und dem 30fachen (Google/Alphabet). Das scheint noch moderat wie auch die vielen KGVs des Nasdaq insgesamt.

Allerdings mahnen Bankinsider, man solle auf solche Kennzahlen nicht allzu viel geben, da es höchst beliebig sei, welche Daten zur Berechnung herangezogen würden (der Gewinn vor oder nach Steuern, der Gewinn des letzten Jahres oder der prognostizierte, oder gar ein Mehrjahresdurchschnitt...). Zudem werde das KGV eines Index ermittelt, indem Ausreißer in diese Durchschnittszahl gar nicht erst hereingerechnet würden. Dennoch bieten die einzelnen KGVs einen groben Anhaltspunkt dafür, auf welche Einzelaktien man noch setzen kann, ohne ein allzu großes Risiko einzugehen. Wenn man wirklich das Investment in Einzelpapiere noch wagen möchte.

Noch etwas ist bemerkenswert: Zusammen bringen die fünf FAANG-Aktien plus Microsoft inzwischen ein Gewicht von 3,4 Billionen Dollar aufs Börsenparkett. Allein diese sechs Unternehmen sind also 3.400 Milliarden Dollar schwer in den Augen der Anleger. Das ist genauso viel wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock findet diese Dominanz der Techunternehmen an der Börse bereits „besorgniserregend“. Sie zeigt sich auch ganz deutlich im weltweiten Vergleich: Mit großem Abstand haben sich die Techies längst an die Spitze der globalen Liste gesetzt. Unter den fünf größten Firmen der Welt – gemessen in Marktkapitalisierung – belegen die vier US-Größen Apple, Amazon, Microsoft und Google/Alphabet die ersten vier Plätze mit jeweils rund 700 bis 800 Milliarden Dollar Firmenwert. Auf Platz fünf folgt abgeschlagen der chinesische Techwert Tencent mit rund 370 Milliarden Dollar. Die Technologie beherrscht also überdeutlich die Welt.

Renditen kamen nicht hinterher

Inzwischen aber, so merken führende Fondsmanager an, zeichnen sich eine Reihe von Risiken für die großen Techkonzerne ab. Da wären zunächst die hausinternen Herausforderungen: Die Unternehmen haben zuletzt viel Geld investiert – vor allem in den Aufbau von Cloud- und Rechnerkapazitäten – doch hielten die Renditen nicht im gleichen Maße Schritt. So rentiere sich das eingesetzte Kapital künftig weniger. Zudem nehme der Konkurrenzdruck in der Branche zu: Alphabet und Amazon machten sich zunehmend gegenseitig beim Cloudgeschäft und bei den Werbeerlösen Druck. Facebook drängt auf den E-Commerce-Markt und stellt sich YouTube entgegen, das zu Google/Alphabet gehört. Zudem wird zunehmend über staatliche Regulierung diskutiert, das treibt auch die internen Kosten für Compliance. Die Geschäftsmodelle der Großen würden durch die Regulierung vermutlich keinen großen Schaden nehmen. Aber der zunehmende Konkurrenzdruck werde die Kapitalrenditen reduzieren, sagen Analysten.

Eine größere Gefahr ginge von den Wettbewerbsbehörden aus, wenn sie entscheiden würden, dass einzelne Konzerne eine zu marktbeherrschende Stellung einnähmen. So erging es in den 80er Jahren dem Telekommunikationsausrüster AT&T, der ein absoluter Gigant war, doch dann zerschlagen wurde. Bei ihm gingen damals rund Zweidrittel des Börsenwerts verloren. Ganz ohne Crash, einfach so. Und käme es tatsächlich zu einer generellen Marktverwerfung, weil die Konjunktur nun doch ans Ende ihres Aufschwungs gerät oder weil stark steigende Zinsen den Börsenaufschwung abwürgen, dann würde das auch der Technologiehausse ein plötzliches Ende bereiten. Denn daran besteht kein Zweifel: Der jetzige Anstieg der Techtitel ist vorwiegend liquiditätsgetrieben, weil noch immer zu viel Geld in den Aktienmarkt fließt, weil es zu wenige Anlagealternativen gibt. Und die Techaktien sind gewöhnlich die ersten, die im Abschwung stark abgestraft werden – allerdings auch die ersten, die danach wieder rasant aufsteigen. Von daher hieße Risikoreduktion für Kurzanleger: Jetzt über den Ausstieg nachdenken. Mittelfristanleger sollten sich darauf gefasst machen, dass ein Abschwung kommt und es dann mehrere Jahre dauern könnte, bis die Techtitel wieder ihr jetziges Niveau erreicht haben. Da heißt es: Abwägen, wie viel Zeit man ihnen geben möchte. Und überlegen, ob man die 29 Prozent Jahresrendite der vergangenen Jahre nicht lieber abschöpfen möchte.

Langfristanleger, die trotz der Warnzeichen dennoch auf den weiteren Anstieg der Techtitel setzen möchten, sollten sich entweder für einen marktbreiten Indexfonds (ETF) entscheiden oder für einen aktiv gemanagten Technologiefonds, der jetzt sein Portfolio clever umschichtet. Solche marktbreiten Fonds streuen zumindest das Risiko besser als Einzelaktien. Große Fondsmanager kaufen zurzeit eher Halbleiterunternehmen sowie die Aktien von Netzausrüstern, die mit dem 5G-Netz ihr Geld verdienen. Dagegen fahren sie das Gewicht der großen Sechs in ihren Portfolios anteilsmäßig herunter. Vielleicht keine schlechte Idee.

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