Schnelle Meinungswechsel ist man ja eher von Politikern gewohnt, und von Opportunisten. Aber nicht von Menschen mit festen Prinzipien, und für so jemanden konnte man Warren Buffett bisher halten. Er investiert seit Jahrzehnten nach festen Regeln und Überzeugungen –deshalb ist er ja so erfolgreich. Genau darum aber fragt man sich dieser Tage: Was hat es damit auf sich, dass Buffett die Hälfte seiner HP-Aktien aus dem Portfolio seiner Beteiligungsfirma Berkshire Hathaway wirft? Gekauft hat er das Aktienpaket schließlich erst im Januar 2022.
Und wer Buffett kennt, der weiß: Er macht keine halben Sachen. Wenn er Papiere erwirbt, tut er das nicht, um sie schon nach lediglich einem Jahr dann wieder loszuschlagen. Sondern er kauft Aktien nur, wenn er wirklich vom Geschäftsmodell eines Unternehmens überzeugt ist – und wenn an der Börse endlich die Gelegenheit gekommen ist, diese Aktien günstig zu erwerben, weil sie gerade unterbewertet sind. Und wenn er verkauft, dann stößt er nicht bloß einen Teil der Aktien wieder ab, sondern wirft die Position in aller Regel komplett aus dem Depot. Weil er nicht mehr an sie glaubt.
Deshalb muss man auch davon ausgehen, dass der Verkauf der rund 51 Millionen HP-Aktien, die Berkshire-Vorstand Buffett der US-Börsenaufsicht SEC gemeldet hat, noch nicht das Ende der Aufräumaktion im Depot war. Bereits im September stieß er erste Papiere ab, weitere Tranchen folgten. Mit dem Verkauf im November hat er nun seinen Anteil am Unternehmen HP von vormals über zehn Prozent auf 5,2 Prozent reduziert. In Buffetts eigenem Aktienbestand macht der Computer- und Druckerkonzern damit aktuell nur noch homöopathische 0,4 Prozent aus, obwohl das verbliebene Aktienpaket noch immer rund 1,7 Mrd. Dollar schwer ist.
Kaufen und Halten – war das gestern?
Aber warum wirft er nun die Aktien aus dem Depot? Und widerspricht damit schon zum zweiten Mal in diesem Jahr seinem eigenen Credo, das so lautet: „Wenn Du nicht bereit bist, eine Aktie mindestens zehn Jahre lang zu halten, solltest Du sie nicht einmal für zehn Minuten besitzen.“ Denn auch seine Beteiligung am Chiphersteller TSMC hatte er im Frühling 2023 bereits nach wenigen Monaten wieder aufgelöst, nachdem er erst im November eingestiegen war. Mit Verlust, wie die Analysten nachrechneten.
Bei TSMC aber standen die Dinge anders. Hier wird Buffetts maßgeblicher Grund gewesen sein, dass sich das Verhältnis zwischen China und Taiwan eintrübte. Das geopolitische Risiko für eine chinesische Intervention stieg durch Drohungen Chinas merklich an. Zudem schickten sich mehrere Staaten – die USA ebenso wie europäische – an, den Bau neuer Chipfabriken mit Steuergeldern zu subventionieren.
Müsste TSMC nun also ebenfalls neue Fabriken aufbauen, um notfalls mögliche Probleme im Werk in Taiwan aufzufangen, dann wäre das für den Chiphersteller wirtschaftlich wenig sinnvoll, die Gewinne würden enorm leiden. Offenbar war all das für Buffett Grund genug, vorzeitig den Rückzug anzutreten – obwohl viele Analysten weltweit dem Chip-Auftragsfertiger noch eine große Zukunft vorhersagen.
Vom Tech-Riesen zum Problemkonzern
Bei HP aber ist die Erklärung etwas schwieriger. Hier erfolgte sowohl Buffetts Einstieg als auch der jetzt begonnene Ausstieg etwas überraschend. Man muss dazu wissen, dass der Computerkonzern bereits seit 1939 existiert, zuerst Atomuhren und bis in die 70er-Jahre noch Taschenrechner baute, und erst in den 80er-Jahren so richtig durchstartete. Mit der Erfindung des Computers wurde aus Hewlett Packard das erste Tech-Unternehmen des Silicon Valley. Es stieg ins Drucker- und PC-Geschäft ein und war jahrelang eine Größe, die etliche Wettbewerber schluckte.
Buffett hatte sie nicht im Depot. Nach der Jahrtausendwende aber geriet HP ins Schlingern, die weitere Strategie schien unklar. Neue Vorstände kamen, schlugen andere Richtungen ein und mussten wieder gehen. Im Jahr 2014 dann spaltete sich HP in eine PC- und Druckersparte (HP Inc.) und in die HP-Enterprise-Sparte auf, die auf das Geschäft mit Servern, Netzwerken und Datenspeichern setzt. Die Druckersparte lief so solide, dass HP sich mit weitem Abstand als Marktführer vor Canon und Epson positionierte. Sein Marktanteil ist mit rund 40 Prozent doppelt so hoch wie der der Konkurrenten. Zudem wächst HP in der 3D-Drucksparte stark. Sie macht aktuell das Hauptwachstum der HP Inc. aus – jenem Firmenteil, an dem Buffett Aktien hält.
Der Starinvestor wartete auch einen recht günstigen Zeitpunkt ab: Nach der Konsolidierung von HP – die sich 2019 abzeichnete – stieg der Kurs der Aktien bis März 2020 auf rund 22 Dollar. Dann folgte der Corona-Crash und die Aktie stürzte auf 15 Dollar ab. Man hätte sie hier natürlich bereits kaufen können, doch in der Coronapandemie war die Unsicherheit weltweit groß. Schon bald aber zogen die Tech-Aktien als neue Überflieger wieder davon. Bis Ende 2021 war die HP-Aktie rasant bis auf 38 Dollar durchmarschiert. Dann aber schwenkte der Kurs in eine Abwärtsphase ein und genau die nutzte Buffett.
Die jüngste Schwächephase genutzt
Als der Kurs auf rund 34,70 Dollar zurückkam, stieg Berkshire bei HP ein und zahlte rund 4,2 Mrd. Dollar für 121 Millionen Aktien. Das KGV des Druckerherstellers betrug damals 7, also ziemlich wenig. Im Grunde hätte man ein weiteres Durchstarten der Aktie nach oben erwartet. Zumal die Investorengemeinde den Einstieg des Altstars feierte und die HP-Aktie dankbar auf neue Höhen hievte. Die 40-Dollar-Marke knackte der Kurs noch, seitdem aber sägt er sich eher seitwärts-abwärts durch den Chart. Schuld daran ist vor allem die Zinserhöhung der Zentralbanken.
Alle Tech-Aktien schwächelten stark seit den Zinserhöhungen Mitte 2022, weil ihre Gewinne nun stärker abgezinst werden müssen. Und weil sie stärker vom billigen Anlegergeld abhängig sind, um ihr weiteres Wachstum zu finanzieren, wodurch ihre Verschuldung in Hochzinszeiten zum größeren Problem wird – und HP ist nicht unerheblich verschuldet. Auch Altmeister Buffett können diese Effekte nicht verblüfft haben, er kennt schließlich die makroökonomischen Zusammenhänge nur zu gut. Und hat zudem selbst schon zahlreiche Inflations- und Notenbank-Zinszyklen als Investor erlebt – was die wenigsten anderen Großanleger von sich sagen können. Vielleicht aber wurde selbst er vom überaus schnellen Zinsanstieg überrascht, den die Notenbanken hinlegten.
Ganz sicher aber hatte er eines nicht auf der Liste: die Nachwirkungen der Coronapandemie. Durch die große Aufholjagd nach dem Markteinbruch ist inzwischen der Computer-Hardwaremarkt reichlich gesättigt. Dazu kommt die neue Schwäche Chinas. Und der chinesische Markt macht immerhin rund 20 Prozent der Verkäufe für die Branche aus. Das Wachstum dort wird auf absehbare Zeit schwächer ausfallen, was sich auch im Umsatz von HP niederschlägt. Hat also erneut China der Investorenlegende einen Deal verhagelt?
Aber wo bleibt der Wiederaufstieg?
Buffett muss nun entscheiden, ob er daran glaubt, dass der erneute Wiederaufstieg von HP nach der jüngsten Börsenrally noch kommt – oder ob er ausfällt. Buffetts Fans dürfen daher gespannt sein, ob er noch weitere Teile seines HP-Pakets abstoßen wird. Was derzeit als wahrscheinlich gilt.
Mit ganz großem Verlust wird er den Deal vermutlich ohnehin nicht beenden, denn, seit Buffett eingestiegen ist, hat er zwei Jahreszyklen an Dividenden mitgenommen. Und die Dividendenrendite von HP lag 2022 bei 3,72 Prozent, in diesem Jahr bei 3,56 Prozent. Buffett müsste also für sein Aktienpaket rund 230 Mio. Euro an Ausschüttungen erhalten haben. Erst im Herbst begann er, sich von Aktien zu trennen. Und die ersten Tranchen verkaufte er nicht weit unter seinem Einstiegskurs. Neuerdings steigt der Kurs auch wieder. Von daher könnte er plus minus Null aus dem Investment herauskommen.
Wenn der Berkshire-Vorstand nun den Druckerhersteller abstößt, heißt das aber nicht, dass er nicht an Tech-Aktien glaubt. Im Gegenteil. Auch wenn die wahren Größen in seinem Portfolio ansonsten eher aus der Banken-, der Öl- und der Lebensmittelbranche stammen: Die größten Depotposten sind Aktien der Bank of America, von American Express, Coca Cola, Chevron, Occidental Petrol und Kraft Heinz – neben Apple natürlich, dem alles überragenden Posten im Berkshire-Portfolio.
Auf welche Tech-Werte Buffett jetzt setzt
Buffett hält nur den Lauf von HP vermutlich für beendet, obwohl der gerade erst wieder begonnen hatte. An anderen Tech-Aktien im Portfolio hält der Altmeister aber fest: Knapp die Hälfte seines Depots besteht aus Apple-Aktien, die ihm seit 2016 nicht nur enorme Kursgewinne, sondern auch Milliarden an Dividendeneinnahmen in die Kasse gespült haben. Die Apple-Anteile sind inzwischen rund 181 Mrd. Dollar wert und Berkshire hält 5,9 Prozent am iPhone-Konzern.
Außerdem besitzt Warren Buffetts Gesellschaft Amazon-Anteile für 1,5 Mrd. Dollar. Er hält Aktien des Domain-Registrierungsanbieters Verisign für 2,8 Mrd. Euro. Er setzte mit 935 Mio. Dollar auf den Data-Warehouse-Anbieter Snowflake. Und der Berkshire-Vorstand holte sich zudem jüngst den Elektroautobauer und Tesla-Rivalen BYD ins Depot. Die Aktien von Tesla sind ihm wahrscheinlich zu überbewertet. Die BYD-Anteile stehen bei rund 2,3 Mrd. Dollar. Das entspricht zwar nur 0,6 Prozent des Berkshire-Portfolios, aber immerhin rund acht Prozent des Elektroautobauers.
Mal sehen, wie viel Glück ihm dieser Tech-Wert bringt. Er stammt schließlich auch aus China.