Ehe man die Rekorde im Deutschen Aktienindex zu sehr auf Investitionen und das neue Klima schiebt, sei eine Statistik bemüht. „Ein Drittel aller Dax-Gewinne seit Jahresbeginn entfallen auf Rheinmetall“, wertet der Broker Robomarkets aus. Das ist umso bemerkenswerter, weil die Daten vom Börsenplatz Gettex besagen, dass die Gewichtung von Rheinmetall im Dax noch immer unter fünf Prozent liegt und Rheinmetall vergangenes Jahr im Grunde noch ein Knirps im Dax war verglichen mit Top-Titeln wie SAP oder den Versicherern.
Übrigens stockt die Kursrally bei SAP exakt seit dem Zeitpunkt, als die Deutsche Börse beschlossen hatte, angesichts der Performance von SAP neue Indexvarianten ins Leben zu rufen.
Dabei war die abgelaufene Berichtssaison der Dax-Konzerne in Anbetracht der Kursrally nicht besonders prall. Sie offenbart ein vertrautes Muster: Die Umsätze steigen noch, die Gewinne nicht mehr. Im ersten Quartal legte der Umsatz der Dax-40-Unternehmen um rund drei Prozent zu – doch unter dem Strich sanken die Gewinne um acht Prozent. „Besonders schmerzhaft traf es die Autokonzerne, deren Gewinn um rund 40 Prozent einbrach“, so Thomas Soltau von Smartbroker. Das ist mehr als ein temporärer Dellen-Effekt – das ist Strukturwandel im Rückspiegel.
Trotzdem bleibt das Gesamtbild vielschichtig. Einzelne Unternehmen wie Rheinmetall und MTU meldeten zweistellige Zuwächse. Diese Lichtblicke zeigen: Marktchancen gibt es durchaus – nur eben nicht flächendeckend. Zudem dürfte ein Teil der scheinbaren Stabilität ein Vorgriff auf kommende Unsicherheit sein.
In Erwartung neuer Zölle stockten viele Konzerne ihre Lager in den USA auf, Kunden zogen Käufe vor. Ein echter Stresstest der Nachfrage steht also noch aus. Vermutlich erst im zweiten Halbjahr zeigen die Bilanzen ein realistischeres Bild, wobei die Exportdaten der ersten Juni-Woche schon die Tendenz zum Rückwärtsgang Richtung USA verdeutlichen.
Europas Konjunktur
Die Handelspolitik aus Washington wirkt derzeit wie ein unberechenbarer Wind, der alle Kursprognosen ins Wanken bringt. Zwar ist das unmittelbare Risiko neuer Zölle vorerst gebannt, doch ein belastbares Abkommen fehlt, ebenso wie verlässliche Rahmenbedingungen für langfristige Investitionen. Die Folge: Ein Szenario voller Eventualitäten.
Gleichzeitig bleibt Europas Konjunktur träge, nicht zuletzt, weil versprochene fiskalische Impulse weiter auf sich warten lassen. „Analysten zeigen sich mit Blick auf das Gesamtjahr entsprechend zurückhaltend und erwarten bei den Dax-Unternehmen für 2025 derzeit lediglich einen moderaten Gewinnanstieg von rund vier Prozent“, so Soltau. Ein Ende der anhaltenden negativen Gewinnrevisionen dürfte erst dann in Sicht kommen, wenn ein verlässliches Handelsabkommen mit den USA vorliegt und Europas Wirtschaft spürbar von fiskalischen Maßnahmen profitiert.
Geht die Dax-Rally weiter?
Eine Fortsetzung der Dax-Rally vor allem im Sommer erscheint damit nur realistisch, wenn auch die Bewertungen weiter steigen. Doch die Luft wird dünner: „Auf Basis der aktuellen Gewinnschätzungen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei etwa 16 – deutlich über dem langjährigen Durchschnitt von rund 13“, so Robomarkets-Experte Walter. Rein rechnerisch wäre der Markt damit im Bereich um 19.500 Punkte fair bewertet – rund 20 Prozent unter dem aktuellen Niveau.
Zwar unterliegen Gewinnschätzungen naturgemäß erheblichen Schwankungen, insbesondere in einem wirtschaftlich unsicheren Umfeld. Doch selbst das stabilere Kurs-Buchwert-Verhältnis signalisiert Überhitzung: „Mit einem Faktor von 1,8 preist der Markt bereits ein kräftiges globales Wachstum ein. Höhere Bewertungen waren in den vergangenen Jahrzehnten selten – und wenn, dann meist nur von kurzer Dauer, wie zuletzt im Jahr 2015“, sagt Stefan Riße von Acatis zur Datenbasis.