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US-Präsident Trump hatte den Mittwoch bereits vor Wochen zu seinem „Liberation Day“ erklärt – zum „Tag der Befreiung“, an dem die USA sich „endlich zur Wehr setzen gegen die unfairen Handelspraktiken anderer Länder“. Zum Glück aber, so erklärte Trump im Roosevelt Garden des Weißen Hauses, gebe es dafür eine simple Lösung, nämlich: Zölle.
Trump holte hierfür eine überdimensionale Tafel hervor und erklärte anhand der Tabelle, dass die USA ab sofort „reziproke Zölle“ einführen werden. „Sie erheben Zölle gegen uns, wir erheben Zölle gegen sie“, sagte Trump. So einfach sei das.
Was die Zölle für Jobs, Börse und Deutschland bedeuten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie hoch sind die Trump-Zölle?
Die Zölle fallen unterschiedlich hoch aus, jedoch betragen sie mindestens 10 Prozent zusätzlich zu bereits bestehenden Zöllen. Ganz oben im neuen Zollregime stehen nun Länder wie Kambodscha (49 Prozent), Vietnam (46 Prozent) und China (34 Prozent).
Auf EU-Waren werden künftig 20 Prozent Einfuhrzoll fällig. „Europa wirkt nach außen immer so nett. Aber es sind harte Verhandler, die es nicht gut mit uns gemeint haben“, sagte Trump.
Trump sagte, die EU verlange von den USA 39 Prozent Zölle. Wie er auf diesen Wert kommt, führte er nicht weiter aus. Er erklärte nur, dass hier auch „Währungsmanipulation“ eine große Rolle spielten. Die Deutsche Bank verwies aber noch in der Nacht darauf, dass Trumps Rechnung mutmaßlich extrem simpel ist: Demnach sei dies einfach das Verhältnis zwischen dem Handelsbilanzdefizit mit den USA und den gesamten Importen des jeweiligen Landes. Das hieße: Trump definiert ein Handelsbilanzdefizit als Zoll gegen die USA.
Was sagen Ökonomen zu den Trump-Zöllen?
Ökonomen reagierten erwartbar schockiert, aber nicht überrascht. „Bei Präsident Trump sollte einen eigentlich gar nichts mehr überraschen“, sagte Harm Bandholz, Professor an der FH Kiel und früherer US-Chefvolkswirt der Unicredit, zu Capital. „Bei dieser Größenordnung muss man davon ausgehen, dass es mittelfristig zu Umlenkungen globaler Handelsströme kommt – sofern die USA die Zölle aufgrund zu erwartender wirtschaftlicher Konsequenzen nicht zeitnah wieder zurücknehmen.“
Andere Ökonomen wurden noch deutlicher. Justin Wolfers von der University of Michigan bezeichnete die Zölle bei Bluesky als „ungeheuer zerstörerisch“ und „inkohärent“, da sie auf „Erfindungen“, „längst verworfen Theorien“ sowie der „Unkenntnis jahrzehntelanger Erkenntnisse“ beruhen würden. „Und die wahre Tragödie ist, dass sie den arbeitenden Amerikanern mehr schaden werden als allen anderen.“
Dass die Zölle den Amerikanern zunächst selbst schaden werden, da sind sich die meisten Ökonomen einig. Die Zölle müssen die Amerikaner schließlich selbst zahlen, weil die Unternehmen einen Großteil der Zölle an die Kunden weitergeben werden. „Kurzfristig werden die Zölle dazu führen, dass in den USA die Preise für die betroffenen Waren deutlich steigen“, sagt Bandholz zu Capital. Und auch in den USA produzierte Produkte dürften teurer werden, prophezeit Bandholz. Der Grund dafür nennt sich Trittbrettfahrerproblem: „Amerikanische Produzenten werden die Gelegenheit nutzen, um ihre Preise ebenfalls zu erhöhen“, so Bandholz. In einer ohnehin unübersichtlichen Situation ließen sich Preise mit dem Verweis auf Zölle einfacher anheben.
Überraschend war für Ökonomen wie Harald Oberhofer allenfalls noch, das reziproke Vorgehen. Im Vorfeld war oft von pauschalen Zöllen zwischen 10 und 20 Prozent zu lesen. Das neue Zollregime führe laut Oberhofer aber dazu, „dass die USA die höchsten Durchschnittszölle aller global relevanten Volkswirtschaften haben wird“, erklärt Oberhofer auf Capital-Anfrage. Das habe natürlich Implikationen für das Wachstum der Weltwirtschaft.
Für Deutschland und Europa sei dies nicht nur nachteilig. Kurzfristig werden die Zölle das Wachstum in Europa dämpfen. Aber, so sagt Oberhofer zu Capital, man dürfe nicht vergessen, dass Europa nun in der besseren Wettbewerbssituation im Vergleich zu China sei, das von Trump mit 34 Prozent Zoll belegt worden ist. Dazu komme ein deflationärer Effekt, weil sich Warenströme aus China und anderen Ländern verstärkt in Richtung Europa bewegen könnten.
Wie reagieren die Börsen auf Trump?
Die Börsen reagierten auf Trumps Zölle negativ. Viele Experten hatten im Vorfeld erklärt, dass der Markt einen Großteil der angekündigten Zölle bereits eingepreist hätten. Doch auch sie wurden offenbar überrascht, dass Trump tatsächlich ernst macht. Zum Handelsstart waren die Börsen dann tiefrot. Der japanische Nikkei-Index liegt am Mittwochmorgen knapp drei Prozent im Minus, der Asia Dow rund 2,1 Prozent.
Der Goldpreis, seit jeher ein Krisenindikator, stieg zunächst um 1 Prozent auf einen Rekordkurs von 3167,84 US-Dollar je Feinunze an, gab diesen Gewinn aber über Nacht ab und liegt nun ungefähr auf dem Niveau vor der Verkündung. Gold ist einer der wenigen Rohstoffe, der aktuell nicht von Zöllen betroffen ist.
Die amerikanischen Indizes S&P 500 und Dow Jones werden am Donnerstag der Kursentwicklung an den Terminmärkten zufolge deutlich schwächer starten.
Der deutsche Leitindex Dax rutschte zum Auftakt auf den tiefsten Stand seit Anfang Februar. Zuletzt verlor er 2,3 Prozent und sackte auf 21.873 Punkte. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen sank um 2,44 Prozent auf 26.824 Punkte. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor ebenfalls mehr als 2 Prozent. Stephen Dover, Marktstratege bei Franklin Templeton, sprach vom Ende der Freihandelsära.
In Deutschland brachen vor allem zyklische Konsumtitel ein. Adidas verlor um bis zu 10,8 Prozent auf 197,10 Euro und markierte damit den tiefsten Stand seit knapp einem Jahr. Puma-Papiere waren mit einem Abschlag von zeitweise 11,4 Prozent auf 20,24 Euro so billig wie seit fast neun Jahren nicht mehr. Die an der Frankfurter Börse notierten Aktien von Nike rutschten um 7,8 Prozent ab.
Unter die Räder gerieten ebenfalls die Titel vieler europäischer Luxusfirmen. Die Aktien des Cartier-Mutterkonzerns Richemont und des Uhrenkonzerns Swatch rutschten um rund fünf Prozent ab. Die Papiere des dänischen Schmuckherstellers Pandora brachen um zwölf Prozent ein, Burberry fielen um vier Prozent, der Gucci-Mutterkonzern Kering um 5,7 Prozent.
Im vorbörslichen US-Handel mussten die Aktien vieler US-Einzelhändler angesichts ihrer asiatischen Produktionsstandorte Einbußen hinnehmen. Die Titel des Einzelhandelsriesen Walmart verloren 6,2 Prozent, die des Großeinzelhändlers Target 4,7 Prozent.
Was bedeuten die Zölle für Deutschland?
Deutschland treffen die Zölle als exportstarkes Land härter als andere in der EU. Eine Studie des Münchner Ifo-Instituts kam zum Ergebnis, dass ein 20-prozentiger Zoll die deutschen Exporte in die USA um rund 15 Prozent dämpfen würden. Insgesamt würden die deutschen Exporte damit um 1,8 Prozent sinken. Die gesamte deutsche Wirtschaft könnte laut IW Köln in diesem Jahr um 0,4 Prozent schrumpfen, wenn die EU jetzt mit Vergeltungszöllen im gleichen Ausmaß nachlegt.
Noch stärker als die 20 Prozent treffen Deutschland dabei die zusätzlichen Autozölle in Höhe von 25 Prozent, die Trump bereits vorher angekündigt hatte. Die Ratingagentur Moody's berechnete, dass das Zollpaket den Gewinn von Volkswagen wohl um 25 Prozent verringern könnte. „Die Zölle treffen mit dem Auto das wichtigste Exportgut Deutschlands. Das ist für sich genommen eine große Belastung für die deutsche Wirtschaft“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest.