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Aktien Das Technologie-Wunder an der Börse

Für Tech-Aktien ging es zuletzt wieder bergauf
Für Tech-Aktien ging es zuletzt wieder bergauf
© dpa
Der jüngste Aufstieg der Tech-Aktien war gigantisch. Sie haben den Kurscrash vom März schon fast wieder ausgeglichen. Doch die Branche wird nicht weiter vorweglaufen, warnen Analysten. Wer jetzt investiert sollte daher genau hinsehen, welche Aktien er kauft

An manchen Stellen wirkt es, als drehe sich die Welt fast schon wieder weiter wie vor der Krise. Aber auch nur fast. Sieht man sich die Kurse der Tech-Aktien an, dann haben die jedenfalls den großen Absturz vom März beinahe wieder ausgebügelt. Dem Technologieindex Nasdaq fehlen nur noch 200 Punkte zu seinem alten Höchststand. Er hat seit Ende März einen gigantischen Anstieg von 2000 Punkten erlebt. Und längst nicht jeder Marktbeobachter wundert sich darüber: Es sei doch klar, dass die Tech-Werte gerade jetzt in der Corona-Krise zugelegt hätten, sagen sie. Wenn alle Welt daheimbleibe, und sich das Leben vorwiegend digital abspiele, beflügele das doch genau jene Werte. Nicht umsonst wurden sie ja schon Stay-at-home-Aktien getauft.

Doch oft ist die Welt nicht so einfach wie sie scheint. Deshalb darf man sich über den Großaufschwung der Tech-Werte dennoch gehörig wundern. Vor allem muss man sich fragen, ob nun ausgerechnet die Tech-Aktien die neuen „Witwen- und Waisenpapiere“ sind – und ob sie tatsächlich in der Lage sein werden, ihren unaufhaltsamen Aufstieg fortzusetzen.

Täten sie das nämlich, dann würden wir eine wahre Zeitenwende am Aktien- und Unternehmensmarkt erleben. Daher scheint zumindest Skepsis angebracht. Bisher war es nämlich so: Die Technologieaktien gelten als sehr stark schwankungsanfällige Aktien, weil sie ein Wachstumssektor sind. Das bedeutet, dass sie zwar in guten Börsenzeiten stets stark aufwärtsstreben, aber in schlechten Phasen dafür umso stärker abwärts fallen. Als Frühzykliker gelten sie zudem, das heißt: Nach dem starken Absturz in Rezessionsphasen sind sie meist auch die erste Branche, die sich wieder erholt und damit anzeigt, dass eine Krise überstanden ist.

Dieses Mal aber war alles anderes und darum geraten manche Analysten ins Grübeln: Im Absturz vom März nämlich hielten sich die Technologieaktien besser als die Gesamtwirtschaft in ihrer Breite. Zumindest wenn man sich die Leitindizes ansieht: Während Dax, Dow Jones und Eurostoxx um gut 35 bis 40 Prozent nachgaben, büßte der Nasdaq 100, der Technologieindex der New Yorker Börse, bloß rund 27 Prozent ein. Und er erholte sich seitdem schon wieder so schnell und so stark, dass vom großen Absturz im Langfristchart schon fast nichts mehr zu sehen ist.

Gewicht von Tech-Aktien legt zu

Der Technologiesektor hat sich also nicht nur überraschend gut in der Krise geschlagen, sondern Analysten von Fidelity sagen sogar: Er habe seine „Marktführerschaft durch die Krise sogar noch eher verstärkt“. Schon zuvor im langanhaltenden Boom waren die Tech-Aktien stramm vorwegmarschiert und hatten mit ihrer jahrelangen Outperformance die Gesamtbörsen mit nach oben gezogen. Indem sie immer höhere Gewinne schrieben und ihre Kurse unablässig stiegen, vereinten sie also zuletzt einen immer größer werdenden Anteil der Börsenkapitalisierung auf sich.

Und im jüngsten Aufschwung setzten sie dann genau diesen Kurs unbeirrt fort: Der breite Aktienmarktindex – der amerikanische S&P 500 - schwang sich seit Ende März nur deswegen wieder so gut auf (um rund 20 Prozent), weil ausgerechnet die Tech-Schwergewichte so stark nach oben strebten. Sie legten nämlich um rund 30 Prozent zu. Und genau weil sie so viel Marktmacht auf sich vereint haben, hievten sie den Gesamtindex wieder nach oben.

Inzwischen nämlich besteht ein Fünftel des S&P-Index (der sich aus 500 Unternehmen zusammensetzt) allein aus den fünf Technologiegiganten, die mit weitem Abstand alle anderen Firmen überragen: Microsoft, Apple, Amazon, Google/Alphabet und Facebook. Am Technologieindex Nasdaq (in dem 100 Unternehmen stecken) haben diese „Big 5“ inzwischen sogar einen Anteil von 45 Prozent, gemessen an der Marktkapitalisierung. Von den 24 Billionen US-Dollar, die alle 500 S&P-Firmen zusammen wert sind, bringt alleine Microsoft 1,3 Billionen auf. Die „Big 5“ vereinen knapp 5 Billionen auf sich. Das ist wirklich gigantisch.

Droht eine neue Dotcomblase?

Aber es stimmt auch nachdenklich. Denn längst fragen Marktbeobachter, wie lange die Überdominanz der Tech-Firmen noch anhalten könne. Oder ob sie nicht irgendwann auch an eine Grenze geraten müssten. Kann es für sie einen Aufschwung geben, der nie endet? Bisher jedenfalls war es noch immer so, dass ein starkes Übergewicht einer Branche in Marktabstürzen wieder auf ein Normalmaß heruntergestutzt wurde. Und als unrühmliche Vorgeschichte der boomenden Technologiebranche wird zudem gern auf die Dotcomblase im Jahr 2000 verwiesen. Damals implodierten die Kurse vieler Technologiefirmen, weil sie zuvor weit überschätzt wurden. Wird es also zu einer Neuauflage dieses Absturzes kommen?

Das glauben viele Analysten zwar derzeit nicht: Im Gegensatz zu damals seien viele Technologieunternehmen heute weitaus besser aufgestellt. Sie hätten bereits bewiesen, dass sie große Gewinne erwirtschaften können und dass in den Kursen daher mehr stecke als große Zukunftserwartungen, die sich am Ende nicht erfüllten. Darauf deutet auch das zuletzt moderate Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) hin, das lag bei den Tech-Aktien bei rund 18. Demgegenüber kam die Gesamtheit der Unternehmen im MSCI All Countries World zuletzt auf ein KGV von 14, davon wichen die Bewertungen der Tech-Firmen also nicht allzu weit ab.

Kurz vor der Dotcom-Krise lag das KGV der Tech-Aktien bei 40 bis 50. Aktuell sind selbst die Gigatechies eher moderat bewertet: Microsoft, Apple, Google und Facebook weisen KGVs zwischen 25 und 33 auf. Einzig Amazon schießt mit 122 weit darüber hinaus.

Außerdem waren die Tech-Firmen damals im Dotcom-Crash noch ein Nischensektor. Heute sind sie ein breit aufgestellter Markt, der sehr viele Themen abdecke von Softwarelösungen über Internet-of-Things und Big-Data-Lösungen, Onlineshopping, Streamingdiensten bis hin zu Hardwareprodukten. Überdies verzeichneten etliche Tech-Konzerne stabile Cashflows. Vielen Technologieunternehmen brächen derzeit nicht auf breiter Front die Einnahmen weg, weil Firmen wie Microsoft mit ihren Softwarelizenzen, oder Apple mit Clouddiensten und Google mit Big-Data-Anwendungen stabile Einnahmen generierten. Außerdem haben sie viele Milliarden Dollar an Cash in der Kriegskasse, um ihre Marktposition durch Zukäufe weiter auszubauen. All das mache sie in der derzeitigen Krise wesentlich resistenter als früher.

Die Big 5 marschieren vorneweg

Dennoch glauben die Analysten nicht, dass der Technologiemarkt auf lange Sicht weiter so stark vorweg marschieren wird – zumindest nicht in seiner Breite. Genau weil sich nicht alle Bereiche dieses Sektors mit gleicher Intensität weiterentwickeln werden. Und weil der Wiederanstieg einiger Firmen bereits so stark war, dass sie diesen Erfolg nicht dauerhaft in gleicher Intensität beibehalten könnten. Interessant finden Analysten in dem Zusammenhang, dass sich vor allem die großen Konzerne, die Large Caps, zuletzt „deutlich nach oben abgesetzt“ haben, so sagt es Fondsmanager Tobias Krause von Fidelity. Klassischerweise sind es ja sonst eher die agilen kleineren Unternehmen, die in Aufschwungswellen flott nach oben gespült werden, weil sie wendig die neue Situation für sich ausnutzen. Selten sind es die Tanker, die dann vorneweg preschen.

Insgesamt verpasste nun ausgerechnet die Corona-Krise der Digitalisierung einen ungeahnten Turbo, so drückt es Fondsmanager Tobias Krause von Fidelity aus: „In den letzten zwei Monaten haben wir in der Branche den Schub gesehen, den wir insgesamt für die kommenden zwei Jahre erwartet hätten.“ Das heißt aber auch: Wenn die Entwicklung der nächsten zwei Jahre nun quasi bereits vorweggenommen worden ist, sind auch schon viele Vorschusslorbeeren abgeerntet und einige Überraschungscoups bereits gelungen, die so nicht unbegrenzt reproduzierbar sind.

Microsoft etwa hat überraschend stark vom Boom seiner Video-Software Teams profitiert. Wegen der Krise hat sie sich so schnell verbreitet, wie es ohne die Shutdowns und die Homeoffice-Welle nicht möglich gewesen wäre. Ähnliches gilt für die Software Zoom, die sich ebenfalls nur durch die Heimarbeit und Quarantäne-Phase die so flott auf Millionen von Rechnern breitmachen konnte. Dieser Erfolg lässt sich bei längerem Andauern der Krise sicher nicht einfach wiederholen. Auch Netflix hat seine Nutzerzahlen enorm gesteigert, weil plötzlich die halbe Welt zu Hause bleiben musste – und zum Zeitvertreib ein Abo abschloss. Insgesamt habe das Segment Softwarelösungen und Clouddienste weiter sehr gute Aussichten, meinen Analysten.

Der Tech-Sektor ist heterogen

Schwerer wird es wohl der Hardwarehersteller haben. Denn gerade weil sich die Gesamtwirtschaft erst noch mühsam aus der Rezession herausarbeiten muss und weil viele Privatleute demnächst Einkommenseinbußen spüren werden, könnte der Geräteabsatz einen Dämpfer erhalten. Sicher werden einige Firmen Investitionen in neue Ausrüstung erst einmal zurückstellen. Und auch viele Konsumenten werden mit der Anschaffung teurer Mobiltelefone oder Computer erst einmal warten.

Ungewiss ist die weitere Entwicklung noch im Bereich jener Unternehmen, die auf digitale Werbung setzen. Wie stark Unternehmen in der Rezession ihre Marketingbudgets einschränken werden – und wie lange – ist schwer zu sagen. Und auch bei den Shoppingplattformen sind die Aussichten wechselhaft: Während Anbieter wie Amazon zu den großen Gewinnern des Lockdowns zählen, weil alle Welt monatelang von daheim aus eingekauft hat, brachen anderen Plattformen die Kunden komplett weg, Airbnb und Tripadvisor zum Beispiel. Der Bereich des Gaming dagegen lief extrem gut.

Allein diese Aufzählung zeigt schon, wie heterogen die Tech-Branche inzwischen ist – und wie unterschiedlich die weitere Entwicklung sein wird. Generell sagen Fondsmanager wie Krause: Das Wachstum der Branche gehe weiter. Denn langfristig könne es sich kein Unternehmen leisten, nicht in die neuen Technologien zu investieren. Doch wird es unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Branche geben. Alte Regeln gelten oft nicht mehr, wie: Gerade die Small- und Midcaps führen einen Aufschwung an. Heute können genauso gut die Großen vorneweg marschieren. Auf Monatssicht konnten gerade Paypal (31 Prozent Kursplus), Zoom (18 Prozent), Ebay (17 Prozent) und Facebook (16 Prozent) zulegen. Apple, Google und Netflix schafften immerhin rund 7 bis 8 Prozent Kursplus. Umgekehrt heißt Größe aber nicht in jedem Fall, dass es auch stetig aufwärts geht.

Wichtiger für die Bewertung bei Tech-Firmen sind aktuell ganz andere Fragen: Was ist ihr jeweiliges Geschäftsmodell? Wird es durch die Corona-Krise eher beflügelt oder in Mitleidenschaft gezogen? Setzen sie auf Langfristtrends, die noch länger intakt sein werden – wie Clouddienste oder das Internet-of-Things? Dann haben sie langfristig weiter gute Chancen. Oder sind sie zwar stark aufgestellt, aber sehr konjunkturabhängig wie etwa Infineon? Dann sind ihre Aussichten zwar generell gut, doch es droht eine Delle in nächster Zeit. Und wie hoch ist ihre Nettoverschuldung? Die ist zwar über die Branche gesehen eher überschaubar, doch besonders bei Hightech-Unternehmen aus dem produzierenden Sektor insgesamt riesig, warnt die Ratingagentur Moody´s dieser Tage.

Mehr oder weniger Risiko?

Anleger, die gerade jetzt auf den weiteren Aufstieg der Tech-Branche setzen wollen, müssen sich daher zuerst überlegen, auf welcher Risikostufe sie sich bewegen wollen: Vertragen sie ein großes Risiko, dann können sie gezielt auf Einzelunternehmen setzen. Sie sollten dann eher denen vertrauen, denen zuletzt der Trend freundlich gesonnen war. Das trifft vor allem auf die Big 5 zu, deren Kurse allerdings schon wieder so hoch sind, dass ein Einstieg mittlerweile kein Schnäppchen mehr ist. Zudem sollte man sich damit anfreunden, dass sie die jüngste Aufwärtsgeschwindigkeit vielleicht nicht werden beibehalten können.

Wer nicht ganz so viel Unsicherheit verträgt, der kann die Suche nach den besten Einzelunternehmen auch einem Aktivfonds überlassen. Er muss allerdings darauf gefasst sein, dass dessen Manager eher moderate Risiken eingehen wird – das sagen zumindest viele Fondsmanager selbst. Und sich daher in Summe eher am Technologieindex orientieren wird. Die ganz große Überrendite jedenfalls ist da nicht zu erwarten, weil Sicherheitspositionen so einen Aktivfonds immer Renditepunkte kosten.

Wer das Risiko noch moderater halten möchte, der sollte mit einem Indexfonds, also einem ETF, breit auf einen der Technologieindizes setzen wie den Nasdaq oder den TecDax. Immer noch zu riskant? Dann denken Sie doch einfach über den Kauf eines S&P-500-ETF nach. Darin stecken in Summe auch immerhin rund 25 Prozent Tech-Werte. Oder kaufen Sie den MSCI All Countries World mit einem Technologieaktienanteil von stolzen 20 Prozent.

Das belegt letztlich vor allem eine These: Die Welt hat sich gewandelt, und hängt schon jetzt viel stärker von der Technik ab, als viele von uns wahrhaben wollen. Aber zumindest in den letzten Wochen hat uns das über so manche Probleme bereits hinweggeholfen.

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