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Bernd Ziesemer Trumps Krieg gegen die Kleinanleger

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Jeder Halbsatz von US-Präsident Trump kann die internationalen Börsen nach oben oder nach unten treiben. Nie war investieren für Privatanleger schwieriger als jetzt

Die deutschen Kleinanleger haben in den letzten Wochen einen ganz neuen Begriff  in ihrem Börsenvokabular abgespeichert: Erleichterungsrally. Aktien schießen nach oben, sobald Donald Trump im Zollkrieg gegen die ganze Welt etwas konzilianter auftritt. Die Anleger reagieren, daher der neue Ausdruck, mit Erleichterung auf jede wirkliche oder auch nur scheinbare Wende in Washington. Oft steckt dahinter jedoch nur Wunschdenken: Der Präsident und seine gesamte Minister- und Beraterriege reden daher, wie es ihnen gerade einfällt. Es gibt keine politische Linie und daher auch nicht das, was die Amerikaner „Messaging“ nennen: eine klare Botschaft. In keiner Frage. Nirgends.

Deshalb kann jede Erleichterungsrally sofort wieder in einen Absturz der Kurse umschlagen. Jeder Halbsatz von Donald Trump reicht aus, um Aktien und auch Bonds nach oben oder unten zu treiben. Und das könnte, schlimmstenfalls, für seine gesamte Amtszeit so bleiben. Trump schaut schon auf die Kurse – aber erst, wenn sie gefährlich stark abrutschen. Und seine Berater, allen voran Finanzminister Scott Bessent, können den Präsidenten in der Regel auch nicht einfangen.

Deshalb bleibt Volatilität das Zeichen der Zeit an den Börsen – nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt. Selbst solide Aktien mit großem Wachstumspotenzial können sich dem steten Auf und Ab nicht entziehen. Es gibt keine sicheren Werte mehr. Viele setzen deshalb auf Gold und übersehen dabei, dass sie auf dem jetzigen Preisniveau ebenfalls ein hohes Risiko einkaufen.

Niemand schadet dem Kapitalismus gegenwärtig mehr als Trump

Natürlich profitieren einige Mitspieler von der hohen Volatilität. Beispielsweise die großen Investmentbanken, die bei jedem Trade Gebühren einstreichen. Oder einige Hedgefonds, die durch Arbitrage viel Geld machen. Daytrader können sich schnell eine goldene Nase verdienen. Die Dummen aber sind die Kleinanleger, die einigermaßen sichere Anleihen und Aktien mit einer einigermaßen auskömmlichen Rendite suchen. Viele von ihnen hetzen den Kursausschlägen hinterher und stellen immer wieder seufzend fest, dass sie in der jetzigen Lage zu früh verkauft oder zu spät eingestiegen sind.

Die gegenwärtige Börsenentwicklung, deren wichtigster und oft einziger Treiber nach oben oder unten Trump ist, führt zu einer gewaltigen Umverteilung von Reichtum. Und zwar, wie so oft, von unten nach oben, von den Kleinanlegern zu den Großanlegern, von normalen Bürgern zu den Profis. Dieser Trend verstärkt sich noch, weil die vielen Milliardäre in Trumps Umgebung, die jeweils nächste Volte vorausahnen können – oder sogar Insiderinformationen vom Präsidenten erhalten.

Die Folgen sind nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch gesellschaftlicher Natur: Die Menschen verlieren das ohnehin schwache Vertrauen in die freie Marktwirtschaft. Niemand schadet dem Kapitalismus gegenwärtig mehr als Trump und seine Freunde. Trump aus Dummheit und Narzissmus, seine Milliardäre aus Gier und Opportunismus. 

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf X folgen.

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