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China Enttäuschendes Wachstum: Blackrock stuft China-Aktien herab

Eine Frau geht an einem Display vorbei, das den Stand des Hang-Seng-Index anzeigt
Der Hang-Seng-Index hat seit Jahresbeginn kräftig verloren
© Chen Yongnuo/China News Service/VCG via Getty Images
Nach dem abrupten Ende der Null-Covid-Politik erwarteten viele einen kräftigen Aufschwung der chinesischen Wirtschaft. Mittlerweile macht sich Pessimismus breit. Der Immobilien-Sektor stellt Peking vor Schwierigkeiten

Chinesische Aktien gehören in diesem Jahr zu den schlechtesten der Welt. Der MSCI China hat seit Jahresbeginn rund 11 Prozent verloren, während der MSCI World um 16,5 Prozent gestiegen ist. Chinas Hang-Seng-Index hat seit seinem Höchststand im Januar sogar mehr als 20 Prozent verloren. Das Blackrock Investment Institute hat nun seine Prognosen für chinesische Aktien auf „neutral“ gesenkt. Grund dafür sind enttäuschende Konjunkturdaten aus Peking, die an der Wall Street zunehmend Pessimismus auslösen. Im Februar hatte der Thinktank des weltweit größten Vermögensverwalters noch hoffnungsvoll auf die kommenden sechs bis zwölf Monate geblickt und China-Aktien auf „übergewichten“ hochgestuft. Die Blackrock-Analysten verwiesen damals auf „kurzfristige Chancen durch Chinas Neustart“, nachdem Peking seine strikte Null-Covid-Strategie beendet hatte.

Die Hoffnungen wurden offenbar enttäuscht. In der neuen Analyse vom 19. September heißt es: „Das Wachstum hat sich verlangsamt. Der politische Stimulus ist nicht mehr so groß wie in der Vergangenheit.“ Laut einer Reuters-Umfrage im September unter 76 Analysten erwarten die Ökonomen ein chinesisches Wirtschaftswachstum von 5 Prozent. Das entspricht dem Wachstumsziel der Regierung, liegt aber deutlich unter den noch im Juli prognostizierten 5,5 Prozent. Einige Ökonomen sehen selbst das Fünf-Prozent-Ziel als unrealistisch an und fordern mehr politische Unterstützung für den schwächelnden Immobiliensektor, der das Wachstum dämpft.

Sorgenkind Immobiliensektor

Chinas Immobiliensektor ist zweifelsohne eine der größten strukturellen Herausforderungen des Landes. Das hat vor allem mit dessen spekulativen Charakter zu tun: Die Immobilienpreise in den Metropolen sind seit den 90er-Jahren selbst im internationalen Vergleich regelrecht explodiert. Die Branche war lange Zeit – und ist auch heute noch – eine wichtige Stütze des chinesischen Wirtschaftsmotors. Die Impulse des Sektors trugen je nach Berechnung ein Viertel bis ein Drittel zum jährlichen Wachstum bei. Die rapide steigenden Immobilienpreise haben Wohnraum zu einer begehrten Anlageform in China gemacht. Schätzungen zufolge stecken 70 Prozent der Ersparnisse der Mittelschicht in Immobilien.

Das hat dazu geführt, dass sich vor allem junge Menschen Wohnraum in den Städten kaum mehr leisten können. Um gegenzulenken und kontrolliert Luft aus der Immobilienblase zu lassen, hat Staatschef Xi Jinping diverse Maßnahmen ergriffen. Mit seiner Politik der „drei roten Linien“ sollte der Markt ab 2020 abgekühlt und die bauwütigen Konzerne dazu gebracht werden, ihre Schuldenlast zu reduzieren. Frische Kredite sollten nur noch unter strengen finanziellen Auflagen gewährt werden.

Die größten privaten Bauträger des Landes kämpfen seither ums Überleben. Evergrande hat vor wenigen Wochen Gläubigerschutz in den USA beantragt. Seine Marktkapitalisierung ist seit 2017 von knapp 50 Mrd. Euro auf deutlich unter eine Milliarde gesunken. Nach Evergrande hat auch der in Schieflage geratene Immobilienentwickler Sunac China Holdings Gläubigerschutz bei einem US-Insolvenzgericht beantragt. Country Garden, der umsatzstärkste Bauträger des Landes mit etwa viermal so vielen Immobilienprojekten wie Evergrande, zweifelt in seinem Halbjahresbericht „an der Fähigkeit des Konzerns, seine Geschäftstätigkeit fortzusetzen“.

Weitreichende Folgen

Angesichts dieser drohenden Insolvenzwelle hat Peking die strengen Vorschriften inzwischen gelockert und den Konzernen finanzielle Hilfen signalisiert. Gleichzeitig kämpft das Politbüro gegen einen Vertrauensverlust der Bevölkerung. Nicht nur die Preise für Neubauten sind gesunken, es droht auch ein Wertverlust bei Bestandsimmobilien. Deshalb fürchten viele Menschen um ihre Ersparnisse. Das wirkt sich negativ auf die chinesische Gesamtwirtschaft aus. Chinas Banken verzeichneten im Juli bei neuen Renminbi-Krediten einen Rückgang in Höhe von 89 Prozent gegenüber dem Vormonat. Die Binnennachfrage ist nach wie vor schwach. Die Verbraucherpreise sanken im Juli zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren. Und auch die chinesischen Exporte gingen im Augst schon den vierten Monat in Folge zurück.

Noch dazu greift die anhaltende Krise am Immobilienmarkt langsam auf Chinas Finanzsektor über. Das zeigt sich am Beispiel von Zhongrong International Trust: Der Anbieter von Treuhandfonds zählt laut Financial Times zu den größten unregulierten Schattenbanken Chinas und ist umfangreich in den Immobilienmarkt involviert. Zhongrong hat bereits mehrere Zahlungsfristen verstreichen lassen und plant nun eine Umschuldung.

Immerhin: Experten halten es für unwahrscheinlich, dass sich Chinas finanzielle Probleme über die Landesgrenzen hinweg ausbreiten und zu ähnlichen Verwerfungen führen wie in der Finanzkrise ab 2007. Zum einen ist der chinesische Bankensektor weniger international vernetzt als der US-amerikanische. Zum anderen befinden sich fast alle großen Finanzinstitute Chinas in staatlicher Hand. Bevor die Probleme aus dem Ruder laufen, würden Politbüro und Zentralbank entschlossener als bisher einschreiten, so die Hoffnung.

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