Natürlich haben Sparer gewisse Rechte. Das Anrecht auf Zinsen aber gehört ganz sicher nicht mehr dazu, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) vergangene Woche. Bei Banken haben sich die allermeisten schon daran gewöhnt, dass es fürs Ersparte keine Erträge mehr gibt. Zumindest bei sehr langfristigen Sparverträgen wie den Bausparpolicen aber, deren Zinsen den Kunden fest zugesichert worden sind, dachten bisher alle, bei solchen Verträgen könne man sich auf die Zinszusagen verlassen. Schließlich sind die auf Jahrzehnte festgezurrten Zinsen auch genau das, was das Bausparen hierzulande so beliebt macht: Der Sparer weiß genau, mit welchem Zins er in der Sparphase rechnen darf - mit einem kleinen zumeist. Und er nimmt die kleinen Sparzinsen in Kauf, weil am Ende ein ebenfalls fixer Darlehenszins lockt, der ebenfalls recht klein ist, was die Rückzahlung des Kredits leichter macht. Das alles galt zumindest bis diese Woche.
Da urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) im Streitfall für die Bausparkassen und gegen deren Kunden. Die Kassen haben nämlich in den vergangenen Monaten massenhaft alte Verträge zwangsgekündigt, obwohl die Kunden diese noch gern länger bespart hätten. Aus Kundensicht verständlich, denn die alten Verträge garantieren noch hohe Guthabenzinsen von drei oder mehr Prozent. Also mehr, als heute mit anderen vergleichbar sicheren Sparformen überhaupt noch herauszuholen ist. Umgekehrt lohnt sich das Abrufen eines Darlehens zu den dort zugesicherten Kreditkonditionen ebenfalls nicht, weil Hauskredite derzeit so günstig wie nie auch bei den Banken zu haben sind. Die Bausparkassen begründeten das damit, sie sähen ihre Geschäftsgrundlage gefährdet, wenn alle hochverzinsten Altverträge weiterlaufen – und mit Zinsen bedacht werden müssen – während sie kaum noch etwas verdienen, weil die Kapitalmarktzinsen so winzig sind und sie immer weniger Darlehen ausreichen, die ihnen Einnahmen ins Haus spülen würden. Diese Sicht ist ebenfalls verständlich, befand zumindest der BGH und gab den Kassen damit das Recht, die Verträge aufzulösen. Aus Verbrauchersicht wirft das ein paar grundlegende Fragen auf.
Wozu überhaupt noch Bausparen?
Mal ganz abgesehen von den Detailfragen, die nun erörtert werden (welche Verträge sind überhaupt betroffen und welche nicht? Wann sollte man sich im Zweifelsfall dennoch gegen eine Kündigung wehren?), steht nun eine ganz große Frage im Raum: Wozu überhaupt noch Bausparen? Ergibt es wirklich Sinn, heute einen Vertrag abzuschließen, der zurzeit so gut wie überhaupt keine Sparzinsen abwirft, bloß um sich für die ferne Zukunft einen angeblich niedrigen Kreditzins zu sichern – wenn Gerichte im Zweifelsfall entscheiden, dass so ein Vertrag in 10, 20 oder 30 Jahren rechtlich gar nicht mehr bindend ist und die Bausparkasse ihn deshalb auflösen kann? Vielleicht sieht die Kasse dann aus anderen Gründen ihre Geschäftsgrundlage gefährdet und fühlt sich deshalb nicht mehr der Zusage verpflichtet, günstige Kredite an ihre Kunden auszureichen. Obwohl die viele Jahre lang genau darauf hingespart haben. Das ist zugegeben etwas überspitzt. Aber man muss auch gar nicht diese rein hypothetische Frage beantworten. Es reicht, wenn man es mal wirtschaftlich durchrechnet.
Dann kämen vermutlich viele auf eine andere Einschätzung als bisher. Zurzeit verkaufen sich nämlich neue Bausparverträge prächtig. Einige Bausparkassen jubeln über Absatzrekorde und Gewinne, die üppiger ausfallen als gedacht. Und das ist auch kein Wunder. Denn viele Bundesbürger, die mit dem Gedanken spielen, sich erst in näherer oder fernerer Zukunft eine Immobilie zu kaufen, denken sich zurzeit: Was, wenn bis dahin die Zinsen steigen und ich enorm viel mehr für meinen Hauskredit bezahlen muss? Da sichere ich mir doch lieber jetzt schon mit einem Vertrag den billigen Zins. Dass das oft ein Fehlurteil ist, verdeutlicht folgende Rechnung, die auf den Daten einen Bausparkassenvergleichsrechners basiert, der die derzeit gültigen Angebote einiger großer und bekannter Kassen auflistet.
In der Sparphase zahlt sich Bausparen nicht aus
Es geht um Finanzierungsverträge, bei denen der Kunde zehn Jahre lang Geld anspart, um später ein 100.000-Euro-Darlehen zu bekommen. Er selber trägt bis dahin rund ein Viertel davon zusammen, also etwa 25.000 Euro. Dafür unterbreiten ihm die Kassen derzeit folgende Konditionen: Die Sparraten liegen zwischen 202 und 265 Euro im Monat. Was schon recht üppig ist. Am Ende der Einzahlphase kommen dann zwischen 24.500 und 31.900 Euro dabei heraus. Klingt zunächst einmal nicht schlecht, aber: derjenige, der nach zehn Jahren 24.500 Euro auf dem Konto stehen hat, hat davon 24.240 Euro selber eingezahlt. Er hat also innerhalb von zehn Jahren magere 260 Euro Zinsen angesammelt. Ein Eichhörnchen sammelt da mehr zusammen: Selbst ein simples Tagesgeldkonto mit 0,5 Prozent bringt es auf 613 Euro Ertrag, also das 2,3-Fache.
Nun gut, das mag ein schlechtes Beispiel sein, denken Sie. Wie steht es bei den 31.900 Euro? Dafür hat der Sparer 265 Euro monatlich eingezahlt, insgesamt also 31.800 Euro. Verrückt, oder? Er spart zehn Jahre lang jeden Monat viel Geld – um am Ende fast mit genau demselben Betrag dazustehen. Im Vergleich mit den anderen Angeboten muss man aber sagen: Es geht noch schlimmer. Bei zwei anderen Tarifen zahlt man jeden Monat 220 Euro ein – also 26.400 Euro, um am Ende 25.900 Euro auf dem Konto zu haben oder sogar nur 25.700 Euro, also satte 500 bis 700 Euro weniger. Solche Sparverträge kann man treffend beschreiben mit dem Satz: Außer Spesen nichts gewesen. Zumindest in der Sparphase also zahlt sich Bausparen eindeutig nicht aus.
Kreditzinsen der Bausparkassen nicht großartig
Aber nun kommt die Sache mit dem günstigen Kredit. Heißt es. Derzeit bieten die Bausparkassen ihren Kunden die Garantie, in zehn Jahren ein Darlehen zwischen 2,66 Prozent und 3,9 Prozent zu bekommen. Wenn das nun jemandem teuer vorkommt, könnte das daran liegen, dass die Zinsen augenblicklich für einen 100.000-Euro Kredit und fünfjähriger Tilgungsdauer (die auch beim Bausparen so vorgesehen sind) bei den „normalen“ Banken bei rund einem Prozent liegen, in Zahlen: 1,0. Bei den teuren Anbietern sind es 1,3 Prozent. Aber klar, das gilt natürlich nur für diejenigen, die ihr Wohneigentum heute kaufen oder finanzieren. Wer weiß schon, wie das in zehn Jahren aussehen wird?
Schaut man einmal zehn Jahre zurück, dann lagen die Hypothekenzinsen noch bei 4,5 Prozent. Das klingt aus heutiger Sicht gigantisch viel und da wird sicher einigen Sparern Angst und Bange, dass es demnächst wieder so viel sein könnte. Demgegenüber klingen die 2,66 bis 3,9 Prozent der Bausparkassen nun doch wie ein gutes Angebot. Erstens aber muss sich niemand vor diesen Zinsen ängstigen, wenn er die zehn Jahre bis dahin zum besseren Sparen nutzt. Und zweitens sind die Kreditzinsen der Bausparkassen auch in diesem Fall beileibe nicht so ein großartiges Angebot, wie man vermuten könnte.
Rechnen wir es mal durch: Wer zehn Jahre lang jeweils 200 bis 250 Euro beiseite legt, der bekommt mit einem gewöhnlichen Banksparplan beim derzeitigen Top-Angebot 1,9 Prozent Zinsen dafür. Damit macht er schon mal 2400 bis 3035 Euro Gewinn, bis er das Darlehen braucht. Wer mutig ist, der schaltet den Turbo beim Sparen ein und wählt bei zehn Jahren Spardauer einen Indexfonds (ETF) auf den Dax, obwohl Fondskurse schwanken und obwohl Crashs passieren können. Und obwohl die Faustregel eigentlich besagt: Erst nach spätestens 15 Jahren haben Langfristanleger mit einem solchen Investment noch nie einen Verlust gemacht. Aber auch in zehn Jahren lässt sich nämlich so mancher Börsenknick ausgleichen. In den vergangenen 30 Jahren lag die jährliche Durchschnittsrendite eines Dax-ETF jedenfalls bei 8,9 Prozent. Denn es waren sehr viele gute Aktienjahre mit enormen Kurssteigerungen darunter. Sehr viel langfristiger gesehen, auf rund 50 Jahre ergab das Investment eine stabile Rendite von etwa 6 Prozent pro Jahr. Füttert man also mit 200 bis 250 Euro einen Sparplan auf einen Dax-ETF, dann kann man sich am Ende, mit etwas Glück über 38.000 oder sogar 47.000 Euro freuen – und nicht nur über magere 24.000 oder 31.000. Das bedeutet: Man muss auch einen erheblich kleineren Kredit aufnehmen.
Der freie Sparer kommt besser weg
Wer bereits 40.000 oder im besten Fall 47.000 Euro auf dem Konto hat, der braucht sich also keine 75.000 Euro mehr zu leihen, um 100.000-Euro in eine Wohnung zu stecken, sondern er benötigt nur noch 53.000 bis 60.000 Euro. Rechnen wir einmal de Kreditkosten für all diese Fälle durch: Der Bausparer mit dem Tarif zu 2,66 Prozent Darlehenszins muss sich tatsächlich 74.300 Euro von der Bausparkasse leihen. Die setzt als Rückzahlungsrate 931 Euro an, was recht happig ist. Dafür ist der Kredit dann nach sieben Jahren und zwei Monaten getilgt. In dieser Zeit hat der Abzahler 6400 Euro nur an Zinsen an sie gezahlt – sagt der Bausparkassenvergleich. Gibt man dieselben Zahlen jedoch in einen Darlehensrechner ein, spuckt der noch eine Restschuld von 1725 Euro aus und beziffert die angefallenen Zinsen auf sogar 7541 Euro.
Beim Kunden, der den teuren Tarif zu 3,90 Prozent gewählt hat, sind es 74.000 Euro, die er sich leihen muss, die Laufzeit ist mit fünf Jahren und sieben Monate zwar kürzer, dafür muss er immerhin 1195 Euro monatlich abzahlen. Die gezahlten Zinsen liegen dann bei 6915 Euro laut Bausparkassenrechnung, der Hypothekenrechner beziffert sie allerdings auf 8745 Euro und zeigt noch eine Restschuld von knapp 2700 Euro an. Kommt nun der freie Sparer, der stolze 4,5 Prozent als Darlehenszins aufbringen muss, billiger davon?
Das tut er. Wenn er sich nur 53.000 Euro von der Bank leihen muss, weil er besser gespart hat und ebenfalls 931 Euro monatlich abzahlt, wie der Bausparer mit dem 2,66 Prozent-Tarif, dann ist er erstens schon nach 64 Monaten fertig (der Bausparer erst nach sieben Jahren) und hat insgesamt 6730 Euro an Zinsen gezahlt. Also 800 Euro weniger als der „billigste Bausparer“. Selbst wenn er sich 60.000 Euro leihen muss, ist er von den Zinsen her immer noch günstiger dran als der Kunde mit dem 3,9 Prozent-Bausparvertrag. Erst wenn die Zinsen noch viel weiter steigen als auf 4,5 Prozent steigen, auf 5 Prozent oder mehr, dann würden Bausparer wirklich ein Geschäft machen, das sich lohnt. Momentan sieht es noch ein bis zwei Jahre hierzulande nicht nach stark steigenden Zinsen aus.
Man kann also ganz unabhängig vom BGH-Urteil die Frage aufwerfen, ob Bausparen wirklich noch großartigen Sinn ergibt. Oder ob sich Sparer nicht gleich anderen Möglichkeiten zuwenden sollten. Völlig zu Recht.
Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
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