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Vermögensaufbau Auf einmal erben - und dann?

Jahr für Jahr werden in Deutschland Milliardenwerte vererbt. Viele sind mit dem plötzlichen Wohlstand überfordert. Was tun mit dem Geld?

Ein unverhofftes Erbe von der Großtante oder der millionenschwere Lottogewinn – den flüchtigen Traum vom plötzlichen großen Reichtum hat wohl fast jeder schon einmal geträumt. Während der Millionenlottogewinn selten Realität wird, sieht es mit dem Erbe schon anders aus. Jahr für Jahr werden in Deutschland Milliardenwerte an die nächste Generation weitergegeben.

Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wurden 2013 ungefähr 62 Mrd. Euro vererbt, die Postbank schätzt den Wert sogar auf 254 Mrd. Euro. Kein Wunder: Denn erstmals tritt in Deutschland eine Generation ab, die in der mehr als 60 Jahren währenden Friedenszeit reichlich Gelegenheit hatte, Werte und Wohlstand zu erschaffen. Gut 312.000 Euro betrug der Durchschnittswert einer Erbschaft im Jahr 2010, hat das Bundesfinanzministerium ermittelt. 20 Jahre zuvor lag der Wert erst bei 102.300 Euro. Nie zuvor wurde in Deutschland so viel vererbt wie derzeit – und die Summen dürften weiter steigen.

Die Frage nach der vernünftigen Geldanlage

Allerdings sollten sich die Erben in spe auch keinen Illusionen hingeben. Denn richtig große Erbschaften, die auf einen Schlag die Frage beantworten, ob man denn noch Tag für Tag früh morgens aufstehen und zur Arbeit gehen muss, sind selten. Die Mehrzahl der Erben unter den Bundesbürgern erbt weniger als 80.000 Euro. Denn die zu vererbenden Vermögen sind sehr ungleich verteilt – oder nach Apostel Matthäus: „Wer da hat, dem wird gegeben.“ Während ein Fünftel aller deutschen Erwachsenen über keinerlei Vermögen verfügt, besitzt das reichste Zehntel ein Nettovermögen von mindestens 217.000 Euro, so das Fazit einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem vergangenen Jahr.

Doch auch wenn es „nur“ ein paar zehntausend Euro sein sollten, die einem auf einmal ohne eigenes Zutun in den Schoß fallen: Für die Erbengeneration stellt sich neben der Sinn- vor allem die Frage nach der vernünftigen Geldanlage. Doch die ist keinesfalls allgemeingültig zu beantworten. Denn ohne individuelle Strategie, die zur jeweiligen Person passt, geht es nicht.

Falls der eigene Bankberater davon Wind bekommt, das man geerbt hat, dürfte es nicht lange dauern, bis er bei einem anruft - und schnell mit womöglich provisionsträchtigen Produkten bei der Hand ist. Etwa Anteilen an geschlossenen Fonds oder einer Rentenversicherung gegen Einmalbetrag. Oder er verweist gleich auf die hauseigene standardisierte Vermögensverwaltung mit Investmentfonds.

Mit individueller Strategie vorgehen

Doch bevor jetzt schnell eine Entscheidung getroffen wird, sollte man sich lieber Zeit lassen und – es hilft alles nichts – eine eigene Strategie erarbeiten. Dafür kann man natürlich den Rat seines Bankers, besser vielleicht eines Honorarberaters, der für seine Beratung und nicht für den Produktabschluss bezahlt werden, in Anspruch nehmen. Gute Vorbereitung und Information sind dabei das Wichtigste, das nimmt einem keiner ab. Vor allem diese fünf Punkte sollte man bedenken:

Wie steht es um die persönlichen Verhältnisse?

Dabei gilt es, die eigenen finanziellen Verhältnisse und die Lebenssituation zu durchleuchten. Denn die sind auch bei Erben sehr verschieden. Es empfiehlt sich, einen genauen Kassensturz zu machen. Wer etwa Schulden hat aus einem kürzlich erfolgten Immobilienerwerb, dem stellt sich zunächst gar nicht die Frage nach der Anlage des Erbes. Denn für ihn ist Schuldentilgung die allerbeste Form der Geldanlage. Die Rendite entspricht dann dem effektiven Kreditzinses, den man sich einspart. Lassen sich die Schulden nicht auf einen Schlag zurückzahlen, sollte man das geerbte Geld, wenn möglich, für Sondertilgungen des Kredits einplanen.

Wie sind Sie bisher mit Geld umgegangen?

Etlichen Deutschen passiert es immer wieder, dass sie am Monatsende auf dem Konto in den Miesen landen. Klar kann und sollte man mit der Erbschaft das Konto auf einen Schlag glatt stellen. Doch damit ist noch nicht das Problem aus der Welt, dass man Gefahr läuft, dass so etwas wieder passiert. Mit etwas Umsicht lässt sich das vermeiden. Wer sich an das vierstufige Modell für den Vermögensaufbau hält, bleibt nämlich liquide, ohne auf ertragreiche Vermögensanlage verzichten zu müssen. Wer erbt, ist häufig in der glücklichen Lage, gleich alle vier Stufen auf einmal zu nehmen. Bei kleineren Erbschaften dagegen ist man gut beraten, Stufe für Stufe vorzugehen.

Auf Stufe eins steht ein kostengünstiges Girokonto, auf dem nicht mehr Geld liegen sollte als etwa eine Monatsnettoausgabe. Auf Stufe zwei findet sich die Geldanlage für den Notgroschen, der zwei bis vier Nettogehälter umfassen sollte. Als Geldanlage eignet sich hier ein auch in Minizins-Zeiten noch einigermaßen annehmbar verzinstes Tagesgeldkonto. Auf Stufe drei wird Geld für größere Anschaffungen in nächster Zeit wie ein Auto oder eine Immobilie zurückgelegt. Wenn das Erbe groß genug ist, kann man auch diese Stufe gleich nehmen und zur letzten weiter schreiten. Erst jetzt geht es wirklich um langfristige Geldanlage der freien Mittel und um planvollen Vermögenszuwachs. Doch auch künftig sollte man auf den Stufen eins bis drei immer das nötige Geld vorrätig halten.

Was erhoffen Sie sich von einer Geldanlage?

Eines sollte man sich vorab klar machen: Ein Produkt, das gleichzeitig hoch rentabel, zu 100 Prozent sicher und jederzeit liquide ist, wurde noch nicht entwickelt, auch wenn manch halbseidener Berater so etwas gerne suggeriert. Wer eine renditeträchtige Anlage möchte, riskiert, dass er dabei auch Geld verlieren kann. Generell gilt: Je länger der eigene Anlagehorizont, desto stärker kann man auf langfristig renditestarke Anlagen wie etwa Aktien oder Aktienfonds oder -ETFs setzen.

Denn eines ist klar: Mit Zinsanlagen allein kann man derzeit keinen Blumentopf gewinnen, dauerhaft ist das nur mit Sachwertanlagen wie Aktien zu schaffen. „Man muss sein Geld irgendwohin stecken“, schreibt dazu etwa Warren Buffett, Chef der Holding Berkshire Hathaway und immerhin der wohl erfolgreichste Investor aller Zeiten. „Und wenn Sie es nicht für ein viertel oder halbes Prozent anlegen wollen, sollten Sie am besten ein Unternehmen besitzen – egal, ob es Ihnen ganz gehört oder ob Sie über Aktien nur einen Teil halten.“

Welche Perspektive sollte man wählen?

Auch wenn die Börsen in letzter Zeit vor allem nur eine Richtung, nämlich nach oben, kannten, gibt es erfahrungsgemäß immer wieder starke Kursschwankungen, die für Verunsicherung sorgen. Wer aber zu sehr auf die kurzfristigen Kursbewegungen schaue, begehe einen Fehler, mahnt Rüdiger von Nitzsch, Professor an der RWTH Aachen: „ Anleger brauchen ein klares, strategisches und langfristig ausgerichtetes Anlagekonzept. Wenn sie sich daran halten, haben sie viel weniger Stress mit ihrer Geldanlage.“ Demnach sind für den Anlageerfolg vor allem Risikostreuung und Geduld entscheidend. Diversifikation, also nicht alle Eier in einen Korb zu legen, ist daher das oberste Gebot der erfolgreichen Geldanlage: „In je mehr unterschiedliche Vermögensklassen – dazu zählen etwa Aktien, Gold, Anleihen, Immobilien & Co. – man investiert, desto besser ist man mit seinem Vermögen gegen Wertschwankungen geschützt“, empfiehlt von Nitzsch.

Doch dieser ganzheitliche Blick falle vielen Anlegern schwer. Allein oder mit einem guten Berater sollten sie sich die für sie individuell passende Gewichtung der verschiedenen Vermögensklassen erarbeiten. Dabei können auch Fragen der nachhaltigen oder ökologischen Geldanlage eine Rolle spielen. Aber immer geht es ganz besonders auch darum, der eigenen Einstellung zum Risiko auf die Spur zu kommen. Denn wer bei Schwankungen der Aktienmärkte tagelang schlecht schlafen kann aus Angst um sein Geld, der sollte vielleicht in stärkerem Maße auf andere Geldanlageformen setzen.

Welche Kosten sind mit der Geldanlage verbunden?

„Erst der letzte Schritt ist dann der, mit dem viele Anleger leider häufig anfangen: die Auswahl der Produkte“, warnt von Nitzsch. Unabhängige Anlageberater und Verbraucherschützer empfehlen unisono, dabei vor allem auf möglichst kostengünstige Produkte ohne hohe Vertriebsprovisionen zu achten. Denn in guten Einkaufskonditionen steckt bekanntlich schon ein Teil des Gewinns. Schließlich soll das Erbe nicht vor allem für Gebühren draufgehen.

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