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Kolumne Aktien - die Macht des Postfaktischen

Alles spricht für die Aktienanlage - nur die gefühlte Wahrnehmung der Deutschen nicht. Von Christoph Bruns
Christoph Bruns
Christoph Bruns

Als unerwarteter Fürsprecher einer sinnvollen Eigenkapitalkultur in Deutschland outete sich auf der CSU-Klausurtagung im Kloster Seeon Siemens-Chef Joe Kaeser. Er kritisierte, es könne doch nicht sein, dass Aktienengagements für die Altersvorsorge genauso hoch besteuert würden wie die Positionen von Hochfrequenzhändlern.

Damit legte Kaeser den Finger in die klaffende deutsche Demografiewunde. Im Grunde ist bereits seit 20 Jahren hinlänglich bekannt, dass die bestehende Altersvorsorgestruktur einer radikalen Reform bedarf. Da es sich aber um ein politisches Verliererthema handelt, haben sich die jeweiligen Bundesregierungen – egal welcher Couleur – einem sinnvollen Umbau verweigert.

Es hat sich mittlerweile bitter gerächt, dass die Bundesrepublik vor sechs Jahrzehnten in die Adenauer Falle getappt ist. Der erste Bundeskanzler der damals noch jungen Republik war bei der Ausgestaltung der Altersvorsorge im Jahr 1957 einem optimistischen Credo gefolgt, welches lautete: „Kinder bekommen die Leute immer!“

Wir müssten heute nicht so viel Angst um die Altersvorsorge haben, wenn Adenauer weiland Recht gehabt hätte. Hat er aber nicht, und genau besehen ist die Überalterung und strukturelle Schrumpfung der deutschen Bevölkerung das mit Abstand größte Problem des Landes. Man erkennt die Folgen des immer ungünstiger werdenden Altersaufbaus der Gesellschaft allein schon daran, dass der Staat einen ständig wachsenden Teil der Rentenzahlungen aus Steuereinnahmen bestreitet.

Aktien gegenüber Zinsanlagen benachteiligt

Heute lässt sich mit Gewissheit sagen, dass es das Beste für Deutschland gewesen wäre, wenn die Regierungen konsequent auf private Altersvorsorge der Bürger durch Beteiligung an der Wirtschaft – sprich Aktien – gesetzt hätten. Keine liquide und breit zugängliche Anlageform hat sich auch nur annähernd so vorteilhaft entwickelt wie Anteilsscheine am Produktivvermögen. Dieser Befund fällt noch deutlicher aus, wenn man bedenkt, dass die Aktienanlage seit Jahrzehnten in Deutschland politisch gegenüber Zinsanlagen benachteiligt wird – und zwar durch steuerliche und regulatorische Regelungen.

Vor allem leidet die Aktienanlage unter „postfaktischen“ Wahrnehmungen. Während die Fakten eindeutig zugunsten der Aktienanlage sprechen, dass es eigentlich keiner weiteren Erörterung bedarf, führt die gefühlte Wahrnehmung von Aktieninvestments zur Ablehnung dieser Anlageform. Erstaunlicherweise werden Börsen von einem Großteil der Bürger als Kasinos angesehen und der Erwerb von Aktien gilt den meisten als Sinnbild der Spekulation. Dass die Wahrheit das glatte Gegenteil dieser Wahrnehmungen ist, hat der Anlageform wenig genutzt, denn die gefühlte Wahrheit hat sich auf diesem Gebiet gegenüber der faktenbelegten Wahrheit durchgesetzt.

Freilich ist ebenso erstaunlich, dass ausländische Anleger wesentlich sachlicher über deutsche börsennotierte Unternehmen nachdenken. Anders lässt sich nicht erklären, dass diese Anlegergruppe mittlerweile zwei Drittel der Dax-Aktien in ihren Depots hält. Wer sich für einen weiteren Beleg dieses beklagenswerten Umstandes interessiert, der sei auf die aktuellen Übernahmen von Deutsche Börse, Bayer und Linde hingewiesen. Diese Unternehmen befinden sich ganz überwiegend im Eigentum ausländischer Anleger, während deutsche Investoren nur einen äußerst geringen Anteil an den Übernahmezielen London Stock Exchange, Monsanto und Praxair besitzen.

Stures festhalten an zinsorientierten Anlageformen

Wohin man auch blickt, das Bild bleibt das Gleiche. Entgegen aller Fakten halten die Deutschen wenig bis gar nichts von Aktienanlagen. Stattdessen verhalten sie sich nach Aussage der Deutschen Bundesbank unglaublich stur, wenn es darum geht, Abstand von den zinsorientierten Anlageformen zu nehmen. Im Laufe der Jahre ist den fleißigen deutschen Sparern und dem deutschen Staat damit ein Schaden – in Form entgangener Gewinne – von mehreren hundert Milliarden Euro entstanden. Es spricht für sich, dass selbst die radikale Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank nichts am Status quo Deutscher Geldanlagen ändern kann.

Siemens-Chef Kaeser ist nicht der erste, der eine dringend überfällig Veränderung der steuerlichen und regulatorischen Bedingungen zugunsten der Aktienanlage fordert. Aber auch sein Plädoyer während der CSU-Klausurtagung wird auf taube Ohren stoßen. Auf dem Feld der Kapitalanlage bleibt die Bundesrepublik fest in postfaktischer Hand.

Aus ChicagoIhr

Dr. Christoph Bruns

Christoph Bruns ist Fondsmanager, Vorstand und Teilhaber der Fondsgesellschaft Loys AG.

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