Die Hoffnungen von Aktien-Investoren auf ein langsames Auslaufen des aktuellen US-Zinserhöhungszyklus haben sich zunächst einmal zerschlagen. Die Folge waren Kursverluste bei Aktien, während die Renditen von Staatsanleihen am Donnerstag weiter anzogen und zehnjährige US-Treasuries mit 4,2 Prozent zehn Basispunkte höher handelten. Über die vergangenen zwölf Monate ist die Rendite dieser Bonds somit um rund 260 Basispunkte gestiegen.
Statt einen Wendepunkt (Pivot) in der Geldpolitik zu verkünden, hat Notenbank-Präsident Jerome Powell klar gemacht, dass die Leitzinsen der Federal Reserve auf ihrem Höhepunkt ein höheres Niveau erreichen werden als bislang gedacht. Allerdings könnte die geldpolitische Straffung langsamer vonstatten gehen als bislang vom Markt erwartet, deutete Powell an, nachdem die Fed zuvor im Kampf gegen die hohe Inflation die vierte Zinserhöhung um 75 Basispunkte – üblich sind Schritte von 25 Basispunkten – angekündigt hatte. Der US-Leitzins liegt somit nun in der Spanne von 3,75 bis 4,0 Prozent. Für die Dezember-Sitzung wird allgemein eine Anhebung um weitere 50 Basispunkte erwartet.
Am Markt ist nun eine so genannte Terminalrate von 5,1 Prozent im kommenden Juni eingepreist. Die Commerzbank rechnet sogar damit, dass die Fed die Zinsen schon bis März um weitere 100 Basispunkte anheben wird.
Powell machte deutlich, dass es beim Kampf gegen steigende Preise noch einiges zu tun gebe. Er verwies auf Studien, denen zufolge durch die bisherigen Zinserhöhungen die Inflation noch nicht eingedämmt werden konnte. Er deutete jedoch auch an, dass die Entscheidungsträger bereit seien, die Möglichkeit einer weniger aggressiven Anhebung auf der nächsten Fed-Sitzung im Dezember in Betracht zu ziehen.
„Die Fed wird nun vorsichtiger agieren“
Wichtig ist Powell zufolge, dass die Fed nicht erst mehrere Monate mit niedrigeren Inflationsmeldungen abwarten müsse, bevor sie zu kleineren Zinsanhebungsschritten übergehe. „Dieser Zeitpunkt wird kommen, und zwar vielleicht schon bei der nächsten oder übernächsten Sitzung“, sagte Powell. Mark Haefele, Chefanlagestratege bei UBS Global Wealth Management, erklärte dazu: „Eine Verlangsamung des Tempos der Zinserhöhungen gegenüber der jüngsten 75-Basis-Punkte-Norm ist möglich. Dies dürfte jedoch von einer Abkühlung der Inflations- und Arbeitsmarktdaten im Vorfeld der Sitzung am 14. Dezember abhängen.“ Die DZ Bank weist darauf hin, die US-Geldpolitik nun bereits „deutlich restriktiv“. „Die Fed wird nun vorsichtiger und damit datenabhängig agieren.“
Powell räumte in seiner Pressekonferenz ein, dass sich die Wirtschaft verlangsamt und die finanziellen Bedingungen sich „ziemlich verschärft“ haben. „Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass die Zentralbanker ihre bisherigen Maßnahmen bereits als effektiv erachten“, sagte Christian Scherrmann, US-Volkswirt bei der Fondsgesellschaft DWS. „Zudem wiederholte er auch die schon bekannte Formel, dass Zinserhöhungen Zeit brauchen, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Gleichzeitig fügte Powell jedoch hinzu, dass der "endgültige Endpunkt" für die Zinssätze angesichts der anhaltenden Inflation höchstwahrscheinlich höher liegen wird als man zunächst gedacht hatte.“
Für den Aktienmarkt bedeutet die Aussicht auf eine längere Phase der geldpolitischen Straffung anhaltenden Gegenwind. Steigende Zinsen machen Anleihen relativ zu Aktien attraktiver. Hinzu kommt, dass die Bewertungen von Aktien fallen, weil zukünftige Gewinne stärker abdiskontiert werden und deshalb einen geringeren Gegenwartswert haben. „Steigende Leitzinsen wären kein gutes Zeichen für langfristig orientierte Aktienanleger“, sagt Sonia Meskin, Analystin bei BNY Mellon Investment Management. Allerdings wäre ein langsameres Tempo der Fed-Leitzinserhöhungen „positiv für Unternehmensanleihen mit hohem Rating und Staatsanleihen.“
Defensiv bei Aktien bleiben
„Jedes Mal, wenn es eine Rallye an den Aktienmärkten gab, haben wir über die Notwendigkeit gesprochen, weiterhin defensiv zu sein", sagte Gargi Chaudhuri, Leiterin der Investmentstrategie für Amerika bei iShares, der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir bleiben also weiterhin recht defensiv bei Aktien, insbesondere nach dieser Pressekonferenz.“
Troy Gayeski, Chefmarktstratege bei FS Investments, ist der Ansicht, dass die Fed auch nach Abschluss der Zinserhöhungen die Zinsen nur langsam senken wird. Das bedeute, dass es noch „Monate und Quartale“ dauern kann, bis es sinnvoll ist, riskante Anlagen aggressiv zu kaufen. „Die Fed will eine Verschärfung der finanziellen Bedingungen, und sie bekommt immer, was sie will“, sagte er. „Das ist eine schwierige Situation für festverzinsliche Wertpapiere und Aktien.“