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Bankenkrise Achterbahnfahrt bei Bank-Aktien: Wer hat Angst vorm Crash?

Ein Börsenhändler beobachtet an der Deutschen Börse in Frankfurt die Kursentwicklung
Die SVB-Pleite und die Schieflage der Credit Suisse brachten Bank-Aktien schwer unter Druck
© Boris Roessler / picture alliance/dpa
Die Schieflage bei einigen US-Banken schürt Angst vor einer neuen Weltfinanzkrise. Doch dem Vertrauensverlust stehen stabile Bilanzen gegenüber. Anleger sollten jetzt einen kühlen Kopf bewahren

Nach dem Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) haben die Schockwellen längst Europas Börsenplätze erfasst und Ängste vor einer neuen Weltfinanzkrise geschürt. Der von Crash-Propheten angekündigte Domino-Effekt ist bisher nicht eingetreten. Dennoch fürchtet der Markt ein systemisches Risiko und reagiert hochsensibel auf jede neue Schlagzeile. Die kurze Zündschnur resultiert in einer wilden Achterbahnfahrt an den Börsen. Vieles spricht allerdings dafür, dass die Situation in Europa nicht mit jener in den USA vergleichbar ist.

So brachen beispielsweise die Papiere der ohnehin angeschlagenen Credit Suisse am Mittwoch um zeitweilig 31 Prozent ein. Auslöser des Kurskollapses war die Ankündigung des Großaktionärs Saudi National Bank, den Schweizern keine frischen Finanzmittel geben zu wollen. Die Nachricht riss sogleich mehrere europäische Titel mit in die Tiefe, darunter jene der Deutschen Bank, der niederländischen ING und der französischen BNP Paribas.

In der Nacht auf Donnerstag dann die überraschende Kehrtwende: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stützt Credit Suisse mit bis zu 50 Mrd. Franken. Zudem erklärte der saudische Großaktionär, dass bei dem Institut „alles in Ordnung“ sei. Die beiden Nachrichten wirkten wie eine Beruhigungspille. Die Aktien der Schweizer Großbank sprangen im Laufe des Tages in der Spitze um fast 33 Prozent in die Höhe. Auch andere Banken-Titel drehten Donnerstagvormittag wieder ins Plus.

Die Lage ist allerdings extrem volatil, wie die jüngsten Probleme bei der US-Regionalbank First Republic zeigen. Auch dort fürchteten Anleger um den möglichen Sog der Silicon Valley Bank und schickten die Aktie 75 Prozent auf Talfahrt. Auch kurzfristige Sicherungen in Höhe von 70 Mrd. Dollar konnten Anleger zunächst nicht beruhigen. Analysten hatten die Aktie herabgestuft und das Risiko von Einlagenabflüssen benannt. Die Rating-Agenturen Fitch und S&P verwiesen auf Risiken bei Finanzierung und Liquidität. Erst eine konstatierte Aktion von elf US-Großbanken wie JP Morgan und Citigroup sorgte für Ruhe: Sie investierten insgesamt 30 Mrd. Dollar in das kleinere Geldinstitut.

Doch mit der Ruhe kann es schnell wieder vorbei sein, wie die vergangenen Tage zeigen. Auch in Europa reagieren Anleger zunehmend nervös und fürchten sich vor einem Bankrun.

Europas Banken mit stabilem Kapitalpolster

Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, hält die Liquiditätssorgen über europäische Geldinstitute allerdings für übertrieben. Für Europas Banken gibt es sehr strenge Regeln, was deren Liquiditätsanforderungen anbelangt. Das zeigt die sogenannte Liquiditätsdeckungsquote, erklärt der Experte. Die Kennzahl ist das Verhältnis von hochliquiden Vermögenswerten zu allen Zahlungsverpflichtungen, die während eines 30-tägigen Stressszenarios anfallen könnten. Das soll sicherstellen, dass Banken kurzfristige Krisen überstehen können, ohne ins Straucheln zu kommen.

Die durchschnittliche Liquiditätsdeckungsquote liegt laut Stephan bei europäischen Instituten bei etwa 150 Prozent. Das sind 50 Prozentpunkte über der regulatorischen Mindestanforderung von 100 Prozent und rund 30 Prozentpunkte mehr als in den USA. Die Credit Suisse wies Ende 2022 eine Quote von 144 Prozent auf, die sie bis März 2023 auf rund 150 Prozent aufbessern konnte. Nach der milliardenschweren Liquiditätsspritze scheint die Bank also gut aufgestellt, um ihre Kunden zu bedienen. Die Situation ist nicht eins zu eins mit jener der US-Institute vergleichbar.

Das sieht auch die US-Bank JPMorgan so: Die Kapitalausstattung bei der Credit Suisse sei nicht das große Problem – sondern ein grober Vertrauensverlust unter Investoren aufgrund einer zweifelhaften Investmentbanking-Strategie. Wahrscheinlicher als ein Abwicklungsszenario hält die US-Bank eine Übernahme durch den Konkurrenten UBS.

Wertberichtigungen nur kurzfristige Belastung

Einige Marktteilnehmer sehen das wahrhaft systemische Risiko nicht in möglichen Liquiditätsengpässen, sondern in den steigenden Zinsen. Sie seien das größte Problem für Finanzinstitute wie Sparkassen oder Genossenschaftsbanken. Das sehe man am Beispiel der deutschen Sparkassen, die wegen rasant gestiegener Zinsen Wertberichtigungen in Höhe von knapp 8 Mrd. Euro vornehmen mussten. So waren es auch im Falle des Start-up-Finanzierers SVB Veräußerungsverluste bei Anleihen, die zur Insolvenz führten. Doch während die SVB 70 Prozent ihrer Kundeneinlagen in festverzinsten Papieren hielt, sind es bei europäischen Banken im Schnitt lediglich 20 Prozent. Außerdem ist laut Ulrich Stephan ein „signifikanter Teil“ der zinsbedingten Bewertungsverluste auf unserer Seite des Atlantiks bereits verbucht. Er rechnet damit, dass noch unrealisierte Verluste in etwa 0,3 Prozentpunkte der rund 14-prozentigen Kernkapitalquote ausmachen dürften.

Für Stephan ist die entscheidende Frage, ob Wertberichtigungen zu Problemen führen. „Das ist meines Erachtens im europäischen Bankensektor nicht zu erkennen“, sagt er. Kurzfristig sei zwar mit weiteren Schwankungen zu rechnen. Doch für ein längerfristiges Engagement in europäische Bank-Titel sprechen laut dem Chefanlagestrategen das Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie das solide Fundament.

Das große Problem sei insofern ein Psychologisches. Auch deshalb versuchen Regulatoren und zuletzt sogar die Bundesregierung, kommunikativ gegenzusteuern. So sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Donnerstag in der TV-Sendung „Maischberger“: „Wir können sagen: Das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – ist stabil und dafür sorgen wir auch weiter.“ Ein Moment, der ein wenig an Angela Merkel erinnerte, die inmitten der Bankenkrise im Oktober 2008 sagte: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Die Rede veränderte damals die Sichtweise der Märkte und legte einen der Grundsteine für die spätere Erholung. Kein Wunder also, dass Regulatoren und Politiker aktuell ähnlich kommunizieren.

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