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Die Stunde Null „Es mangelt in Deutschland nicht an guten Unternehmen“

Die 468-Capital-Partner Ludwig Ensthaler (l.), Alexander Kudlich und Florian Leibert
Die 468-Capital-Partner Ludwig Ensthaler (l.) und Alexander Kudlich 
© Vlada Labzeyeva
Start-ups kommen immer schwerer an Geld. Ludwig Ensthaler und Alexander Kudlich vom Wagniskapitalgeber 468 Capital erklären im Podcast, was sich am Markt ändern muss

Der Markt für Wagniskapital gilt in Deutschland als problematisch, auch weil die gestiegenen Zinsen die Lage an den Märkten verändert haben. Wird es für Startups nun enger?
LUDWIG ENSTHALER: Wir sind in einer Marktphase, in der wenig los ist, das ist ganz klar. Aber eines ist auch klar: Die richtigen Themen werden nach wie vor weiter sehr stark finanziert. Da stechen zwei hervor, und zwar Künstliche Intelligenz und alles rund um die Energiewende, also die Elektrifizierung der Volkswirtschaft. Das sind zwei große Megathemen, die sehr gut gehen. Außerdem konzentriert sich sehr viel auf die Firmen, die wirklich Qualität haben. Die Urlaubserlebnisplattform Getyourguide ist ein gutes Beispiel, es gibt aber auch noch weitere.

ALEXANDER KUDLICH: Auffällig ist, dass die ganz frühen Finanzierungsrunden eigentlich noch sehr gut laufen. Je früher, desto einfacher, kann man sagen. Das ergibt auch Sinn: Wenn man heute in einer frühen Phase investiert, also in einer Pre-Seed- oder Seed-Runde, dann hat man ohnehin einen Investment-Horizont von sechs bis zehn Jahren. Und die meisten guten Frühphasen-Investoren investieren weiter. Je später, desto volatiler wird es allerdings. Da, wo es in den Bewertungen die größten Übertreibungen gab, da gibt es jetzt die größten Untertreibungen.

Es heißt ja, dass die richtigen Ideen nach wie vor durchaus an Geld kommen. Gibt es denn diese Ideen in Deutschland?
KUDLICH: Wir haben auf jeden Fall nicht das Problem, dass wir zu wenig gute Gründer oder gute Themen hätten. Die Gründungen werden technisch und inhaltlich anspruchsvoller, deren Qualität steigt von Jahr zu Jahr. Wir sehen sogar, dass die Gründungsaktivität eher noch zunimmt.

ENSTHALER: Es tut sich tatsächlich sehr viel. Ein gutes Beispiel ist das KI-Startup Aleph Alpha, das auch bei uns zum Portfolio gehört. Die bekommen aktuell eine große Finanzierungsrunde. Und zwar zurecht, weil die großartige Dinge aufbauen. Im Batteriensegment könnte man Customcells aus Itzehoe nennen. Aus den forschungsstarken Instituten wie den Fraunhofer-Instituten geht sehr viel hervor. Es mangelt uns mit Sicherheit nicht an Firmen in den richtigen Bereichen.

Bekommen diese Unternehmen denn Geld in Deutschland – oder schauen die zwangsläufig irgendwann in die USA?
KUDLICH: Vor zehn Jahren haben wir immer über eine Finanzierungslücke in den frühen Phasen gesprochen. Da hat es einen guten Fortschritt gegeben. Aber wenn man als Firma 40 oder 60 Millionen Euro von einem Investor braucht, dann wird es nach wie vor ziemlich dünn in Deutschland. Da ist das Kapitalangebot aus dem Ausland größer, wenn auch nicht unbedingt verlässlich. Das internationale Kapital ist flüchtiger.

Ist es denn am Ende überhaupt entscheidend, ob ein Unternehmen in Deutschland finanziert wird oder das Geld von anderswo kommt? Ist nicht das Wichtigste die gute Idee?
ENSTHALER: In einer perfekten Welt stimmt das. Die Realität aber sieht ganz anders aus. Selbst die Wagniskapitalgeber aus San Francisco haben es früher nicht einmal bis Los Angeles geschafft. Das ist eine Stunde mit dem Flieger. Wir sind mindestens neun Stunden von Kalifornien entfernt, und das schafft sehr viele Bruchstellen.

Wie äußert sich das?
ENSTHALER: Ein hervorragendes Beispiel ist Biontech, die wahrscheinlich letzte ganz große Deeptech-Erfolgsstory aus Deutschland. Die haben keinen institutionellen Wagniskapitalgeber gefunden und wurden durch Family Offices finanziert. Die hätten es sicher einfacher gehabt an Kapital zu kommen, wenn sie schlicht woanders gesessen hätten. Dafür gibt es sehr viele Beispiele. Es wird daher sehr entscheidend sein, lokales Wachstumskapital in Deutschland zu haben, wenn wir neue Dax-Unternehmen im Technologiesektor haben wollen.

KUDLICH: Es ist auch so: Wenn die reiferen Firmen, die eigentlich schon risikoärmer sind, immer international finanziert werden, dann fehlen irgendwann die großen Erfolge für deutsche Investoren. Und wir brauchen einfach ein paar signifikante Rückflüsse an deutsche Investoren, damit Wagniskapital als Assetklasse an Reputation gewinnt.

Biontech, das Beispiel, das hier genannt wurde, zeigt doch eigentlich, dass es sich lohnen kann, etwas zu wagen, auch über ein Family Office. Und es scheint ja so, dass es das Geld für solche Projekte durchaus gibt. Warum fließt dieses Geld dann zu wenig in neue Technologien?
ENSTHALER: Es ist da ja schon viel Aufbauarbeit geleistet worden, von uns, aber auch von anderen. Jetzt geht es um die nächste Stufe, und das ist der Wachstumsbereich. Da geht es in Größenordnungen, die nicht mehr so einfach von Family Offices abgedeckt werden können. Da brauchen wir Fonds, die in Bereiche von einer Milliarde Euro an Volumen kommen. Da aber sind die institutionellen Investoren gefragt.

Und haben wir die?
ENSTHALER: Da haben wir noch nicht ganz das Umfeld, das Kapital in diese Fonds umleitet. Das ist der nächste große Baustein, der jetzt dran ist. Wenn wir das nicht schaffen, dann wird etwas Entscheidendes fehlen. Dann kann man viele tolle Themen anstoßen, wir werden sie aber nicht bis zur Reife durchfinanzieren können.

Hören Sie in der neuen Folge von Die Stunde Null:

  • Was es bringt, Unternehmen mit so genannten Spacs an die Börse zu bringen.
  • Warum der Dax die deutsche Wirtschaft nicht mehr widerspiegelt.
  • Was das „nächste große Ding“ sein wird.

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