Schublade auf, Schublade zu. Das denke ich, wenn ich mal wieder über vermeintliche Geld-Persönlichkeitstests stolpere, die mir verheißen, herauszufinden, wie ich mit Geld umgehe. Dann werden mal mehr, mal weniger sinnvolle Fragen mit meist vier Antwortoptionen gestellt. Wie: „Die Inflation ist so hoch, da gebe ich das Geld lieber aus.“ „Über meine Rente habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“ Oder: „Heute kann man fast überall mit Karte zahlen. Was denkst du darüber?“ Als Ergebnis steht dann beispielsweise: Du bist „die Sparsame“. Und dass, obwohl viele Fragen nichts mit Sparsamkeit zu tun hatten, sondern mit Präferenzen und Lebenseinstellungen.
Der Erkenntnisgewinn solcher plakativen Typisierungen ist gering und erscheint oft willkürlich. Mal gibt es acht Geldtypen, dann fünf, wahlweise sieben. Sie gleichen sich, sind aber nicht die Gleichen. Jedem Test liegen anscheinend eigene Geldtypen zugrunde. Und fast alle klingen wie aus dem psychologischen Horrorkabinett negativ und zwanghaft, wie der Überforderte, Leichtfertige, Sicherheitsfanatiker, Gierige oder Getriebene. Oder auch der Geldmacher, Sprunghafte, Zocker, Wichtigtuer oder Prasser. Ein positiver Geldtyp? Der Fürsorgliche vielleicht, Ausgeglichene oder Souveräne. Dass die Typisierung fast immer männlich beschrieben wird – geschenkt!
Ich finde das nicht hilfreich, so über seinen Umgang mit Geld nachzudenken. Solche teils drastischen Einordnungen schaden eher. Denn am Ende der Artikel folgt keine Einordnung und Erklärung, keine Herleitung.
Geldtyp erkannt – und dann?
Was machen die Leute dann mit „ihrem“ Geldtyp? Wie gehen sie mit der Schublade um? Die meisten „Geldtypen“ suggerieren durchweg: Geld ist nichts, was wir selbstbewusst, generös und selbstverständlich in unsere Leben integriert haben. Was vorherrscht sind Mangel, Maßlosigkeit, Gier. Wohin führt das? Bestätigt es unsere Vorurteile bezüglich Geld? Lachen wir darüber, weil wir uns ohnehin nicht in der Kategorisierung wiederfinden? Tun es ab oder nehmen es für bare Münze, sehen uns womöglich bestätigt – als Prasser beispielsweise – und hauen die Kohle weiter raus? Nach dem Motto: Ich kann nicht anders! Ich bin halt so.
Das wären gefährliche Schlussfolgerungen. Denn unser Umgang mit Geld hat nichts mit Genetik zu tun wie blaue oder grüne Augen, für die wir nichts können, sondern mit Sozialisation. Was wiederum bedeutet: Wir sind unserem Umgang mit Geld nicht ausgeliefert, sondern können ihn aktiv und selbstbestimmt verändern. Deshalb werden solche Tests erst durch das Hinterfragen des vermeintlichen „Geldtyps“ relevant und interessant.
Unbewältigte lebensgeschichtliche Traumata und Konflikte
„In der Art und Weise, wie wir mit Geld umgehen, kommt unsere Persönlichkeit mit allen unbewältigten lebensgeschichtlichen Traumata und Konflikten zum Ausdruck“, schreibt der Sozialpsychologe Rolf Haubl treffend in seinem Buch „Geld – Traum und Traumata“. Wie wir mit Geld umgehen ist also ein Spiegel erlernter Haltungen, Werte, Denk- und Verhaltensweisen. Unbewusst erlernt. Decken wir diese Traumata und Konflikte in Bezug auf Geld auf, betreiben also Biografiearbeit, haben wir die Chance, zu einem leichten, selbstverständlichen und kompetenten Umgang mit Geld zu finden. Ein erstrebenswertes Ziel. Wie wir das erreichen? Durch Selbstbeobachtung und Reflexionsfragen. Wenn Sie Ihr Verhältnis zu Geld näher kennenlernen möchten, lesen Sie Bücher wie die von Petra Bock oder Rolf Haubl – und coachen Sie sich selbst.
Beobachten Sie sich: Wie und wofür gebe ich Geld aus? Großzügig oder zwanghaft sparsam, auf Sicherheit bedacht, in bestimmten Situationen oder immer? Und: Welche Gefühle begleiten mich dabei. Das ist der entscheidende Punkt: Was empfinde ich, welche emotionalen Impulse spüre ich beim Konsumieren, Investieren oder Verschenken? Diese in Worte zu fassen und im nächsten Schritt zu hinterfragen, woher kenne ich diese Gefühle, was bedeuten sie mir, womit verbinde ich sie — daraus ergeben sich Erkenntnisse.
Unsere Gefühle in Bezug auf Geld führen uns zu den Gründen, warum wir mit Geld so umgehen und darüber denken, wie wir es tun. Das können wir dann für uns bewerten und verändern, ohne den Ballast von Schubladendenken.