Frau Mueller, eigentlich kennen wir Udo Lindenberg, Otto Waalkes und Helge Schneider als Musiker und Komiker. Aber seit einigen Jahren greifen sie zu Farbe, Papier und Leinwand. Ihre Werke sind begehrt und teilweise sehr teuer. Wie ist das auf dem Kunstmarkt einzuordnen?
EVA MUELLER: Stars haben meiner Ansicht nach keinerlei Einfluss auf den Kunstmarkt, sie zählen gar nicht wirklich dazu. Das ist eher ein spezieller Bereich für Fans. Wir verwenden den Kunstbegriff sehr inflationär, aber Profis wissen, dass ein Kunstwerk Substanz haben muss, um es wirklich als solches zu bezeichnen. Nur weil eine prominente Person etwas gemalt hat, ist es noch lange keine Kunst.
Andere in der Szene meinen, Lindenberg hätte den Kunstmarkt revolutioniert, als er vor 30 Jahren als erster Promi mit dem Malen angefangen hat.
Lindenberg war sicherlich ein Vorbild für viele andere Stars, die so ihr Hobby zu Geld machen. Das ist nicht despektierlich gemeint, aber ihre Werke sind leider nicht als Kunst zu bezeichnen und viele Menschen können das nicht unterscheiden.
Woran erkenne ich denn ein richtiges Kunstwerk?
Das wichtigste Kriterium ist Eigenständigkeit. Ich muss eine Aussage darin finden, die viele Menschen anspricht und die vom Künstler völlig eigenständig erarbeitet wurde - sowohl handwerklich und ästhetisch als auch vom Intellekt her. Ein gutes Kunstwerk ist deshalb nicht irgendwie aus dem Ärmel geschüttelt, sondern erfordert jahrelange Übung und tausende Stunden Arbeit. Die Werke der Stars halten so einem professionellen Anspruch nicht Stand.
Wie genau meinen Sie das?
Man sieht qualitative Unterschiede. Lindenberg kann alles sehr gut, was in seinem Bereich der Karikaturen bleibt. Das ist wirklich witzig. Sobald er jedoch in die Malerei geht, fehlt ihm das Handwerkszeug. Es macht einen Unterschied, ob jemand Proportion und Material innovativ anders verwendet – oder nicht beherrscht. Es gibt wenige Ausnahmen, die vielseitige künstlerische Fähigkeiten haben. Loriot ist sowohl für seine Filme berühmt als auch für die Karikaturen. Er hat aber auch an der Kunstakademie studiert und das Handwerk wirklich gelernt. Otto Waalkes hat beispielsweise auch Kunstpädagogik studiert und eine Ausbildung auf dem Gebiet, dadurch hebt er sich ab.
Inwiefern haben Prominente überhaupt einen Namen in der Kunstwelt?
Die Kunstwelt goutiert diese Werke kaum, weil man eben keine professionellen Kriterien anlegen kann. Es ist auffällig, dass bei Prominenten viele der Motive Repliken sind oder Selbstporträts. Für Fans ist das natürlich doppelt interessant: Sie haben ein Bild, das ihr Star gemalt hat und er ist auch noch drauf. Aber die Prominenten stehen nicht mit echten Künstlern auf einer Stufe.
Otto malt am liebsten seine Ottifanten, Lindenberg stößt auf vielen Bildern mit Eierlikör an. Sind das nicht typische Motive, die von der Eigenständigkeit der Werke zeugen?
Das sind sicherlich typische Motive, die klug auf den Wiedererkennungswert der zwei Protagonisten setzen. Aber mit Eigenständigkeit meine ich, dass jemand in der Lage ist einen neuen Aspekt, einen ästhetisch neuen Stil, eine neue Sichtweise auf die Welt, unsere Kultur und Gegenwart einzubringen – also mit einer essentiellen Mitteilung über unser Menschsein einen, auch kunstgeschichtlich, relevanten Beitrag zu leisten.
Trotzdem erzielen die Bilder erstaunlich hohe Preise. Helge Schneider und Frank Zander bewegen sich noch am unteren Rand. Aber ein Original von Otto kostet ab 20.000 Euro aufwärts, Originale von Lindenberg können am freien Markt aktuell das Zehnfache des Galeriepreises erzielen.
Es gibt grundsätzlich zwei Motivationen, warum Menschen Kunst kaufen. Zum einen gibt es Sammlerinnen und Sammler, die sich nach Qualitätskriterien richten und die genau darauf achten, dass die Werke in ihrem Wert nachhaltig sind. Zum anderen gibt es Privatleute, die vielleicht einen eigenen Stil oder ein Sammlungsthema haben. Bei Prominenten trifft jedoch beides nicht zu, da es gar nicht primär um die Kunst geht, sondern um die Person.
Wie kommen dann solche Summen zustande?
Bei Prominenten gibt es natürlich einen besonderen emotionalen Bezug: Ich bekomme etwas Originales von einem Star oder verbinde vielleicht eine bestimmte Erinnerung damit. Je bekannter jemand ist, desto mehr können sie verlangen. Grundsätzlich ist der angesetzte Preis willkürlich, aber sobald ihn jemand zu zahlen bereit ist, kann man auch noch ein bisschen höher gehen.
Für wie nachhaltig halten Sie das aktuelle Preisniveau?
Für überhaupt nicht nachhaltig. Die Preise sind nur daran bemessen, was Fans im Moment zu zahlen bereit sind. In zehn Jahren könnten die Stars schon völlig out sein und in der Kunstszene gibt es keinerlei fundierten Rückhalt für die aktuellen Preise.
Sie würden also davon abraten einen Lindenberg als langfristige Geldanlage zu kaufen?
Ja, definitiv. Menschen, die jetzt ernsthaft Kunst sammeln, wollen diese der nächsten Generation vererben. Kunstwerke berühren uns auf tiefgreifende Weise emotional und ästhetisch, aber sie sind eben auch eine Wertanlage. Zukünftige Generationen werden sich wahrscheinlich nicht mehr für die Stars von heute interessieren und auch nichts mit ihrer Kunst anfangen können, weil sie so stark mit der Person verknüpft ist. Heute kennen Udo Lindenberg sehr viele, aber ich bezweifle, dass in 30 Jahren noch jemand Unsummen für einen Lindenberg zahlen wird.
Andere würden Udo Lindenberg oder Otto Waalkes heute schon als „Legenden“ bezeichnen.
In der Hinsicht sind die beiden vielleicht eine Ausnahme. Vor allem wenn jemand nicht mehr viel malt oder stirbt, gehen die Preise natürlich nach oben, weil es keine neuen Originale mehr gibt.
Wer kauft denn die Bilder von Lindenberg, Waalkes und Co.?
Für Unternehmen, die ich berate, unter anderem Hotels und Banken, ist das nichts. Ihnen geht es nicht darum jemanden zu feiern oder zu spekulieren, sondern sie suchen nachhaltige Qualität. Die Käufer dürften daher Privatleute sein, aber eher Fans als Kunstkenner. Natürlich müssen die Käufer das entsprechende Geld haben, aber sobald sie mehr von Kunst verstehen, können sie Werke von Prominenten eigentlich nicht kaufen. Die Kunstszene ist sehr namensorientiert und das ist ein Problem, wenn Menschen die Qualität von Kunst nur schwierig einschätzen können. Entweder lässt man sich dann beraten oder geht auf Namen.
Inwiefern hängt der Wert der Bilder auch vom Erfolg der Prominenten mit ihrer eigentlichen Arbeit ab, etwa der Musik oder dem Film?
Sehr stark, weil es bei den Stars wesentlich ist, dass sie in anderer Hinsicht auftreten.
Liegt der Wert eines Kunstwerks nicht immer auch im Auge des Betrachters?
Die Kunstszene ist ein Berufsbereich wie jeder andere auch. Ich kann auch ungefähr meine Buchhaltung machen, aber Steuern oder Bilanzen lesen und dabei etwas herausfinden, kann ich nicht. Das kann nur jemand von Profession und genauso ist es bei der Kunst und bei Sammlerinnen und Sammlern, die sich intensiv damit beschäftigen.