Auf den ersten Blick sind die Zahlen wenig ermutigend, die der Online-Modehändler Zalando am Dienstag verkündete. Allein der Gewinn brach 2022 um 92 Prozent ein – von 234,5 Mio. Euro auf 16,8 Mio. Euro. Und auch beim Umsatz gab es einen kleinen Rückgang von 10,35 auf 10,34 Mrd. Euro. Das ist nicht gerade die Definition eines Wachstumsunternehmens, als das sich Zalando lange Zeit selbst sah.
Umso mehr überraschte die erste Reaktion an der Börse: Das im Dax notierte Unternehmen legte zunächst satte sechs Prozent zu. Zwar gab das Papier seine Gewinne später wieder ab. Doch der Tenor von Analystinnen und Analysten war deutlich positiver als einige angenommen hatten.
Die meisten Analysten waren sich einig, dass Zalando vor allem unter dem makroökonomischen Umfeld leidet. Gemessen daran, dass Konsumenten aktuell ihr Geld horten und parallel die Zinsen steigen, sind die Zahlen für ein Wachstumsunternehmen wie Zalando gar nicht so schlecht.
Beispielsweise stieg das wichtige „Bruttowarenvolumen“ (GMV) um 3,2 Prozent auf 14,79 Mrd. Euro. Im kommenden Jahr soll dieser Wert, der die Summe aller tatsächlich von Zalando verkauften Waren ohne Drittpartner darstellt, noch einmal um bis zu sieben Prozent steigen. Das lag über den meisten Analystenschätzungen. Außerdem erhöhte Zalando die Zahl seiner aktiven Kunden um 5,7 Prozent auf 51,2 Millionen Nutzer. Auch das gefiel den Beobachterinnen und Beobachtern, die ihre Kursziele teilweise sogar anhoben.
Auf Jahressicht sackte die Aktie jedoch extrem ab: Zwischenzeitlich verlor sie 70 Prozent ihres Werts gegenüber dem 1. Januar 2022 – also kurz vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Auch heute steht sie noch 42 Prozent darunter. Vergleichbare Werte wie About You (-72 Prozent), Asos (-37 Prozent) oder H&M (-29 Prozent) liefen nicht besser. Viele der negativen Aussichten sind entsprechend schon in den heutigen Kursen eingepreist.
Dämpfer für gesamten E-Commerce
Auch an weiteren negativen Meldungen mangelte es zuletzt nicht: Der Konsumschock erwischte den Handel nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine kalt. Ein Jahr später sind die Inflation, steigende Energiepreise und die generelle Unsicherheit im Hinblick auf den Krieg noch immer spürbar. „Dass wir es mit einer besonderen, konjunkturellen Entwicklung zu tun haben, sehen wir an einer unverändert hohen Zahl aktiver Kunden, die aber seltener und für geringere Summen kaufen“, sagte Martin Groß-Albenhausen, Vizechef des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), schon im Januar.
Die Modeindustrie trifft das besonders hart, denn angesichts der vollen Kleiderschränke ist Fashion traditionell eine der ersten Posten, bei denen Verbraucher sparen. Das zeigt sich auch in den Marktdaten des bevh: Im Segment Bekleidung gingen die Umsätze 2022 um rund 13 Prozent zurück. Bei Schuhen war es sogar rund 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Im stationären Handel ist die Entwicklung noch dramatischer. Das zeigen beispielsweise die jüngsten Insolvenzen bei den Modeketten Peek & Cloppenburg und Galeria Karstadt Kaufhof. Die Kaufhäuser haben die Digitalisierung in den vergangenen Jahren weitestgehend verschlafen und konnten kaum vom Corona-Boom profitieren.
Diese Entwicklung hat immerhin entscheidend zur heutigen Größe von Zalando beitragen. Das Berliner Unternehmen hatte in den vergangenen drei Jahren teils Umsatzwachstumsraten von 20 bis 40 Prozent geschrieben. Im September 2021 stieg Zalando dann in den Dax auf. Um die Nachfrage zu stemmen, hatte der Händler kräftig eingestellt. Während der Pandemie wuchs die Belegschaft von rund 13.800 Mitarbeitern (2019) auf 17.000 (2022).
Stellenabbau im dreistelligen Bereich geplant
Die Höhenflüge sind jedoch spätestens seit dem Frühjahr 2022 vorbei, in den ersten beiden Quartalen ging der Umsatz sogar zurück. Inzwischen hat sich die Wachstumsquote im einstelligen Bereich eingependelt – für ein erfolgsverwöhntes Unternehmen wie Zalando ein Problem.
Zalando-Chef Robert Gentz bekräftige den bereits im Februar gefassten Plan, „mehrere hundert Stellen“ abzubauen. „Der Hauptgrund dafür ist, die Komplexität zu verringern“, sagte Gentz am Dienstag bei der Jahresbilanz. In welchen Abteilungen Zalando den Rotstift ansetzen wird und wie viele Mitarbeiter konkret gehen müssen, ließ er offen. Angeblich soll es sich um eine hohe dreistellige Zahl handeln.
Die weiteren Hebel sind ebenfalls offensichtlich. Der Modehändler hat bereits im vergangenen Jahr seine Logistikkosten reduziert, etwa mit der Einführung eines Mindestbestellwerts für versandfreie Lieferungen. Auch die und Marketingausgaben wurden heruntergefahren. An diesen Stellschrauben werde man 2023 weiterdrehen, sagte Finanzchefin Sandra Dembeck am Dienstag bei der Jahrespressekonferenz. Der Fokus liege weiter auf der Profitabilität.
Außerdem soll die Ertragsseite durch den Ausbau der Logistiksparte gestärkt werden. Bislang können nur Firmen das Logistikangebot nutzen, die ihre Produkte über Zalando anbieten – etwa Marken wie Nike, Adidas oder Hugo Boss. Das soll aufgeweicht werden. Zusätzlich plant Zalando offenbar ein kostenpflichtiges Partnerprogramm. Die Idee: Gegen eine Gebühr erhalten Kunden exklusive Produkte von ihren Lieblingsmarken. Wie hoch diese Gebühr sein soll, hat Zalando aber noch nicht verraten.