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Coronavirus Das sind die Szenarien für die deutsche Wirtschaft

Symbolbild: Containerumschlag im Hafen
Symbolbild: Containerumschlag im Hafen
© Unsplash
Immer wieder korrigieren Volkswirte ihre Einschätzungen, was Covid-19 die Wirtschaft kosten wird. Denn die Folgen der Pandemie sind unvorhersehbar. Eine Rechnung des Makroökonom und Prognoseexperten Warwick McKibbin zeigt Szenarien

Wer in diesen Tagen sein Aktiendepot betrachtet, sieht rot. Schon vor zwei Wochen waren die Aktienindizes DAX und Dow Jones um über zehn Prozent gefallen, in den vergangenen drei Wochen wurden daraus über 30 Prozent (DAX) und fast 30 Prozent (Dow Jones). Die Aktienmärkte haben die Corona-Rezession anscheinend schon Ende Februar vorhergesehen. Dass nun auch die Regierung die staatliche Liquiditäts-Bazooka für Unternehmen gefeuert hat, und die EZB ihr Anleihekaufprogramm ausweitet, zeigt, dass auch Regierung und Geldpolitiker eine Rezession in Folge der Pandemie erwarten. Doch wie groß wird der Schaden für die Weltwirtschaft wirklich?

Es ist nicht so, als würde ihn niemand schätzen: 1,2 Prozentpunkte weniger BIP-Wachstum in Deutschland durch das Coronavirus sagten Ökonomen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) am Donnerstag vorher; ein um 0,5 bis 1,5 Prozentpunkte geringes BIP-Wachstum weltweit schätzten Volkswirte der OECD Anfang vergangener Woche. Das wäre weit weniger als während der globalen Finanzkrise 2009: 5,6 Prozent der Wirtschaftsleistung büßte Deutschland damals ein, 0,1 Prozent waren es im weltweiten Durchschnitt.

Das klingt, als würde der Schaden durch das Coronavirus verhältnismäßig gering ausfallen. Doch das täuscht. Denn kaum jemand kann ihn zurzeit seriös und genau einschätzen. Zu viele Variablen in dieser Rechnung ändern sich quasi stündlich. Die Prognosen müssen berücksichtigen, wie viele Menschen nicht mehr arbeiten können; wie hoch der Produktionsausfall ist, weil Lieferungen aus anderen Ländern nicht kommen; ob Menschen ihr Geld nicht mehr ausgeben und auch, ob durch die Krisensituationen Risikoaufschläge auf Kredite in die Höhe schießen und Unternehmen sich nur noch teuer oder gar nicht mehr finanzieren können. Das Ausmaß hängt auch davon ab, wie viele Menschen sich weltweit infizieren.

Sieben Szenarien für die Weltwirtschaft

Wer ungefähr wissen will, was auf die Weltwirtschaft zukommt, kann sich an den Berechnungen des australische Ökonom Warren McKibbin orientieren. Er hat die Auswirkungen von Pandemien in einem Modell berücksichtigt und so Szenarien für die Weltwirtschaft aufgestellt. Um zu errechnen wie stark Länder betroffen sind, bewertete er die Angreifbarkeit eines Landes für das Coronavirus im Vergleich zur Angreifbarkeit Chinas. Abhängig ist diese vom Gesundheitssystem, der Finanzstabilität, der Regierungsführung und geographischen Faktoren. Je besser ein Staat aufgestellt ist, desto weniger Menschen infizieren sich, desto eher ist die Pandemie besiegt. Insgesamt stellte er sieben Szenarien auf.

„Momentan sind wir auf dem Weg zu Szenario Vier“, sagte McKibbin im Gespräch mit Capital, ein Szenario, in dem sich der Virus mäßig, aber weltweit ausbreite. Hier wäre Deutschland mit einem Wirtschaftseinbruch von 2,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts betroffen.

McKibbins Szenarien zeigen auch, warum sich die Prognosen der Volkswirte immer wieder ändern. In einem Szenario, in dem nur Menschen in China mit dem Virus infiziert sind, schadet Deutschland die sinkende Nachfrage nach seinen Produkten. Außerdem leiden produzierende Unternehmen unter unterbrochenen Lieferketten. McKibbin errechnet in diesen Szenarien (1,2,3) einen geringeren Schaden für die deutsche Wirtschaft.

Die Situation für die Wirtschaft ändert sich fast täglich

Doch nun hat sich die Situation komplett verändert. Das Virus hat sich weltweit ausgebreitet. In Deutschland schließen die Schulen, Mitarbeiter werden ins Homeoffice geschickt. Unabhängig davon, wie viele Menschen an Corona erkrankt sind, können viele Menschen unter diesen Umständen nicht mehr arbeiten. Fällt die Arbeitskraft vieler Mitarbeiter aus, können sie weniger produzieren, dann sinkt auch die Bereitschaft der Banken, Unternehmen Kredite zu geben. Im Vergleich zur Lage vergangener Woche muss also von einem viel größeren Schaden für die deutsche Wirtschaft ausgegangen werden.

Welches Szenario langfristig eintritt, hängt hauptsächlich von den Regierungen ab. „Es kommt darauf an, wie gut die Länder reagieren“, sagt McKibbin. Staatliche Hilfspakete und die Stabilisierung der Finanzwirtschaft durch die Zentralbanken können die Schäden minimieren.

In Zukunft werden Volkswirte die Prognosen für Pandemien wohl besser beherrschen. Schließlich treten weltweiten Pandemien treten immer häufiger auf, sagt McKibbin mit Bezug auf die Schweinegrippe, Sars und Ebola. „Dieses Mal ist es sehr viel ernster. Es sollte ein Weckruf für uns sein.“

Bis dahin können McKibbins Szenarien als Orientierung dienen. Wer wissen will, was genau passiert, sollte sich auf den Physiker und Philosophen Niels Bohr hören. Der sagte einmal: „Es ist schwer Vorhersagen zu treffen – besonders über die Zukunft.“

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