Deutschland hat in jüngerer Zeit einige Skandale erlebt, die den Eindruck vermittelten, dass die Berliner Republik vor allem aus Beratern besteht und Politik selbst kaum mehr etwas schafft, ohne externe Fachleute zu engagieren, über deren genaue Qualifikation tatsächlich kaum jemand etwas weiß. Bekannt ist nur: Sie verdienen unfassbar viel Geld. Beraterfirmen umgibt die Aura einer Elite, deren Akteure genau wissen, was sie tun. Aber ist das wirklich so? Der Bürger fragt sich zurecht: Warum arbeitet ein Minister mit Tausenden Beamten, wenn er sich zugleich millionenschwere Unterstützung externer Fachleute einkaufen muss? Reicht die Zahl der Staatsdiener nicht aus? Sind sie nicht fähig? Werden die Behörden abhängig von der Unterstützung der Helfer – oder sind sie es schon?
Diese Fragen und die Unsicherheiten, die hier ausgedrückt werden, sind Symptome der Berater-Republik. 4,4 Mrd. Euro im Jahr gab der Staat zuletzt für Consultants aus – das entspricht gut 20.000 Beraterinnen und Beratern, die Tag für Tag nur für den öffentlichen Sektor arbeiten. Allein der Bund beschäftigt tagtäglich so viele Consultants, wie sein größtes Ministerium Beschäftigte hat, nämlich rund 2.600.
Die Beratungsbranche erwirtschaftet enorme Gewinne und eilt dabei von Rekord zu Rekord: Fast automatisch werden jährlich mehr Beraterinnen und Berater, mehr Beratungsunternehmen, mehr Beratungsumsätze gezählt. Damit geht aber auch ein Anstieg der Nachfrage sowie der Ausgaben einher. Und an dieser Stelle wird es kritisch! Denn die Unterstützung des Staates zielt nicht nur auf die „Top-Management Ministerien- und Behördenstrategie: Schwerpunkt Beratung zu strategisch-planerischen Fragestellungen“ ab (wie es der Berater-Rahmenvertrag mit der Nr. 20672 des Bundes formuliert). Sondern auch Bodyleasing und Arbeitnehmerüberlassung werden von Consultants angeboten und von Kunden nachgefragt – auch wenn hierüber am liebsten niemand spricht.
Richtig und wichtig ist aber auch: Der Rückgriff auf Berater erfolgt nicht nur durch den Staat, sondern auch durch die Privatwirtschaft. Und auch dort läuft nicht alles rund. Hier leuchtet der Suchscheinwerfer der Aufklärung aber nur selten hin, und Consultants sind für Unternehmen unter dem Strich ein privates Vergnügen. Zudem: Der Einsatz der Externen ist nicht grundsätzlich schlecht oder falsch, er ist an vielen Stellen sogar betriebswirtschaftlich clever. Er entgleitet aber zunehmend. Die Ausgaben steigen nämlich überdurchschnittlich an, während die Steuerungskompetenz auf Seiten der Kunden zurückzubleiben scheint. Ein Gegensteuern und Einhegen der Consultants ist notwendig.
Bundesrechnungshof warnt
Gelingt dies nicht, dann droht eine ungesunde und gefährliche Abhängigkeit. In Einzelfällen ist das heute schon der Fall. Der Bundesrechnungshof sieht es so kritisch, dass er darauf hinweist. Er befürchtet etwa, dass sich das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) „im Bereich der IT zunehmend von bestimmten Beratungsunternehmen und Einzelpersonen abhängig macht. Das BMVg scheint seine Aufgaben […] nicht ohne diese externe Unterstützung bewältigen zu können.“ Und die Rechnungsprüfer mahnen deutlich: „Der Einsatz externer Dritter ist für die öffentliche Verwaltung nicht nur mit vielfältigen Risiken für einen wirtschaftlichen und sparsamen Mitteleinsatz verbunden, sondern kann auch die Neutralität und Unabhängigkeit staatlicher Organe gefährden.“
Bei diesen Aussagen sollten eigentlich alle Warnlampen angehen – nicht nur im Verteidigungsministerium. Allerdings passiert wenig. Denn gleichzeitig ist eine strategische Passung sichtbar, also eine Art „Match“ beim Business-Tinder. Sie führt dazu, dass keiner der beiden Beteiligten größer aufbegehrt und gegen die Abhängigkeit angeht. Die eine Seite ist nämlich dankbar für die personelle Unterstützung, um etwa den demografischen Wandel abzufedern. Das Geschäftsmodell der anderen Seite besteht wiederum im Verkauf von Personalressourcen.
Nicht nur der demografische Wandel verleitet zum Rückgriff auf externe Unterstützung. Auch fehlendes Know-how oder die Notwendigkeit, andere Arbeitsweisen und Einsatzmöglichkeiten der Consultants zu nutzen, sind Gründe.
Die Herausforderung besteht nun darin zu wissen, wann und wen man um Rat bittet, wie man diesen interpretiert und in welcher Art er befolgt werden soll. Diese Aufgabe zu meistern, scheint trivial und einfach lösbar, ist es aber leider nicht. Eine Gefahr existiert, wenn sich aus der Rat-Suche eine Rat-Sucht entwickelt. Das klingt amüsanter, als es ist, und kann sich recht einfach ergeben: Wer den positiven Effekt eines guten Ratschlages oder einer hilfreichen Unterstützung einmal gespürt hat, möchte dieses Gefühl vielleicht bei der nächstbesten Situation wieder erleben. Das wäre nachvollziehbar und verständlich. Nur was ist, wenn das immer und immer wieder passiert?
Dass diese Abhängigkeit ein Risiko birgt, liegt auf der Hand. Die Unabhängigkeit kann verloren gehen, die eigene Urteilsfähigkeit nachhaltig eingeschränkt, und die Handlungsfähigkeit reduziert werden. Es kann eine negative Spirale in Gang gesetzt werden, in der mit jeder Beraterbeauftragung die (vermeintlich größere) Kompetenz der externen Helfer hervorgehoben wird und die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten schwindet. Die Folge: Bei der nächsten Gelegenheit wird dann wieder ein Berater beauftragt. Auf der Negativspirale geht es dann wieder eine Umdrehung weiter nach unten – und dann noch eine und noch eine.
Was tun? Reduzieren, Empowern, Managen
Nun erscheint es illusorisch und naiv zu glauben, die Unterstützung durch externe Berater wäre lediglich eine Management-Modewelle, die wieder abflacht und schwindet. Beratung ist gekommen, um zu bleiben. Allerdings muss der Einsatz professionell erfolgen. Drei aufeinander aufbauende Ansätze helfen, die Kontrolle wiederzugewinnen und die Abhängigkeit von Externen zu reduzieren:
Zunächst gilt es, den grundsätzlichen Unterstützungsbedarf zu reduzieren. Hier bieten sich verschiedene Wege an, die mit der Digitalisierung des öffentlichen Sektors Hand in Hand gehen. Da ist zum einen die Automatisierung von Leistungen etwa durch Robotic Process Automation zu nennen. Zum anderen stehen die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz gerade prominent im Raum. Alle Aufgaben, die hier reduziert werden, brauchen schon nicht mehr bei Consultants nachgefragt werden.
Anschließend werden für die verbliebenen Aufgaben möglichst eigene Ressourcen zur Bearbeitung befähigt. Einige Behörden haben bereits Inhouse-Consulting-Einheiten aufgebaut, die von externen Consultants kaum zu unterscheiden sind. Andere nutzen einen Do-it-yourself-Ansatz und stellen situativ hausinternen Ressourcen und Know-how zusammen. Und wieder andere greifen auf eher ungebräuchliche Organisationsformen zurück: Beschäftigten-Pools oder Flex-Units sind Beispiele. Denn: Alles, was an diesem Punkt intern bearbeitet werden kann, muss nicht mehr extern vergeben werden.
Schließlich gilt es, den verbliebenen Unterstützungsbedarf professionell zu managen. Consulting-Konzerne wie Einzelberater können eingehegt werden durch eine verbesserte operative Zusammenarbeit vor, während und nach einem Projekt. Wichtig ist auch, dass strategische Ansätze (etwa das Demand-Management) integriert werden.
Von Lose-Lose zu Win-Win
Externe Beratung ist in vielen Fällen hilfreich, und sie ist gekommen, um zu bleiben. Bund, Länder, Kommunen und andere Stellen tun daher gut daran, hier verantwortungsvoll zu agieren. Beratungsprojekte bergen politischen, medialen und öffentlichen Sprengstoff immer dann, wenn Finanzmittel konzeptlos verteilt werden, keine Nachverfolgung und Kontrolle ihrer Verwendung erfolgt. Das fällt oft auf Politik und Verwaltung zurück; auch werden Consultants immer wieder kritisch betrachtet. Eine Abhängigkeit des Staates von Consultants darf nicht eintreten; schon der Anschein ist schädlich. Beamten und Beratern sollte gleichermaßen daran gelegen sein, diese „Lose-Lose“-Situation zu drehen.