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Kolumne Wenn der Rotor ruht

Am Goldrausch verdienten einst die Ausrüster, die Schürfer zahlten drauf. Wiederholt sich das beim Windkraft-Boom? Von Christian Schütte
Christian Schütte
Christian Schütte
© Trevor Good

Christian Schütteschreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik

Mit etwas Verspätung ist er diese Woche wieder erschienen: Der alljährliche „Windenergie Report Deutschland“, den das Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erstellt. Er ist ein Dokument der imposanten Erfolgsfanfaren:

„Jahr der Rekorde“ ist das Vorwort überschrieben. Niemals zuvor, so wird vorgerechnet, seien in Deutschland – und auch in der ganzen Welt – so viele neue Megawatt an Windleistung zugebaut worden wie 2014. Windenergie deckte zuletzt fast ein Zehntel des deutschen Bruttostromverbrauchs.

Die zu Lande und Offshore installierte Leistung ist 2014 um satte 15 Prozent gestiegen. Und wer den Bericht genau liest, der stellt auch fest, dass die Stromproduktion des so rasant wachsenden Rotorenparks natürlich weiter...

Ach nein, halt, Pustekuchen.

Die geschätzte tatsächliche Stromproduktion aus den Windkraftanlagen ist leider trotz des gewaltigen Kapazitätszubaus leicht gesunken.

Gewinnkalkulationen können nicht aufgehen

Richtig gelesen: Es ist, zumindest laut dieser ersten Hochrechnung, weniger geworden. Wenn auch nur minimal, um rund 0,5 Prozent, von 51,7 auf 51,4 Terawattstunden (TWh). Rechnet man die Offshore-Parks heraus, dann ist die Produktion um mehr als ein Prozent gefallen (50,1 nach 50,8 TWh im Vorjahr). Vor allem im Herbst konnte an Land deutlich weniger Windstrom eingespeist werden als 2013. Erst der stürmische Dezember, der in Deutschland zum „windstromstärksten“ Monat aller Zeiten wurde, brachte die Jahresbilanz dann halbwegs ins Lot.

Wer in Windkraft investieren will, muss sich da schon ein paar Gedanken machen. Denn wenn die Produktion stagniert, obwohl die Anbaufläche kräftig ausgeweitet wird und über 1700 neue Rotoren an Land hinzukommen, dann können manche Gewinnkalkulationen nicht aufgehen. Was geht hier also vor?

Der IWES-Report erklärt die „scheinbar geringere Einspeisung“ mit den Problemen der Datenermittlung. In der Vergangenheit haben die ersten Hochrechnungen den tatsächlichen Stromertrag um vier bis zehn Prozent unterschätzt. Deshalb könnte auch diesmal am Ende noch ein guter Zuwachs stehen. Die unabhängige Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien (AGEE) schätzt die Gesamteinspeisung 2014 auf fast 56 TWh. Das ergäbe dann immerhin ein Plus von gut acht Prozent.

Klar ist aber trotzdem, dass 2014 abseits der Küsten ein Jahr mit eher mauem, nach den Angaben des Reports teilweise deutlich unterdurchschnittlichem Wind war. Eine Missernte beim Windstrom überrascht insofern nicht.

Rückgang der Volllaststunden

Und erkennbar ist auch, dass die durchschnittliche Auslastung der Windanlagen an Land schon seit einiger Zeit rückläufig ist. Setzt man ihren Output ins Verhältnis zur installierten Kapazität, dann haben sie im Jahr 2014 insgesamt so viel Strom erzeugt, als sei jede von ihnen 1485 Stunden unter Volllast gelaufen (und die übrigen 7275 Stunden, respektive gut 303 Tage, gar nicht).

Das ist nicht nur der zweitniedrigste Wert seit mehr als zehn Jahren. Sondern es ist auch schon der dritte Rückgang der sogenannten Volllaststunden in Folge. Eine bemerkenswerte Entwicklung, selbst wenn sich die Daten für 2014 noch verbessern können.

In den vergangenen fünf Jahren ist gut ein Fünftel der neuen Onshore-Anlagen an Standorten errichtet worden, die nach der Klassifikation des Deutschen Instituts für Bautechnik zur „Schwachwindzone“ gehören. Fast der komplette Süden der Republik fällt in diese Kategorie. Wenn dann dort noch ein außergewöhnlich ruhiges Wetter hinzukommt, ist ein Rückgang der Volllaststunden nur logisch. Nur durch ständig bessere Technik lässt sich eine Produktivitätsverschlechterung verhindern.

Grundproblem der Windkraft bleibt bestehen

Das „Jahr der Rekorde“, das der Regierung gemeldet wird, fällt bei näherer Betrachtung also ziemlich zwiespältig aus: 2014 war zweifellos ein einzigartiges Boomjahr für alle, die neue Windparks planen, bauen oder durch Verpachtung von Flächen möglich machen. Für viele, die am tatsächlich erzeugten Windstrom verdienen wollten, dürfte es aber eher mau gelaufen sein. Das ist eine schlechte Nachricht nicht nur für private Anleger. Sondern auch für manche Kommunen und ihre Bürger, die das Stadtwerk in Wind-Investments gedrängt haben. Schon in der Vergangenheit gab es da ein paar bittere Enttäuschungen.

Das ganze Muster erinnert schon ein wenig an die klassischen Geschichten aus dem großen Goldrausch: Reich wurden die Ausrüster – nicht die euphorisierten Schürfer.

Das bekannte Grundproblem der Technik bleibt dabei trotz des Ausbau-Booms natürlich bestehen: Windstrom fließt dann und dort reichlich - aber nicht immer dann und dort, wo man ihn braucht. Mehr als ein Sechstel der Jahreserzeugung 2014 entstand allein im stürmischen Dezember. Der hoch industrialisierte, aber chronisch windschwache Süden muss mit der Küste erst noch richtig vernetzt werden. Wenn auch im Süden mehr Windparks aufgestellt werden sollen, bleiben dafür vor allem die bewaldeten Höhenzüge.

Aber das muss Sigmar Gabriel ja inzwischen niemand mehr erzählen.

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