„Tut endlich was. Setzt beherzt Klimaschutz um!“ Dieses zentrale Anliegen demonstrierten am Freitag Fridays for Future, Parents, Scientists, Entrepreneurs und viele andere „For-Future“-Organisationen. Millionen Menschen gingen auf die Straße – und zwar überall auf der Welt. Am selben Tag präsentierte in Deutschland das speziell dafür einberufene Klimakabinett sein offizielles Klimaschutzprogramm für 2030. Die Diskrepanz hätte kaum größer sein können. Die Antwort auf die große Demo war beileibe kein großer Wurf. Offenbar wurde hier Politik mit der Schere im Kopf gemacht: Es wurde nicht beschlossen, was notwendig, sondern was (vermeintlich) politisch durchsetzbar ist. Das Traurige daran: Die Klimaziele bis 2030 lassen sich mit den beschlossenen Maßnahmen bei weitem nicht erreichen.
Vor allem im Verkehrssektor bleibt eine frappierende Emissionsminderungslücke. Statt der notwendigen knapp 70 Millionen Tonnen CO2 sparen wir nur rund 15 Millionen Tonnen. Anders gesagt: Statt wie verordnet bei der Emissionsdiät 42 Prozent einzusparen, verzichten wir Deutschen nur auf 10 Prozent. Von Klima-Ehrgeiz kann hier keine Rede sein. Geradezu frappierender Ausdruck dieser Trägheit ist der CO2-Preis. Den will man einführen, aber auf derart niedrigem Niveau, dass er keine Lenkungswirkung entwickeln kann: 3 Cent pro Liter in zwei Jahren!
So eine lächerliche Preiserhöhung ist weniger als die tägliche Preisschwankung an der Tankstelle. Dafür wird kaum jemand vom Auto auf klimaschonende Verkehrsmittel umsteigen. Da wirkt es geradezu wie Hohn, dass gleichzeitig die Pendlerpauschale erhöht wird. So konterkariert man alle Klimaschutz-Ambitionen und überkompensiert ausgerechnet jene, die weitaus größere Schwankungen problemlos tragen könnten. Spricht hier die Angst der Politik vorm SUV-Fahrer?
Der homöopathische CO2-Preis ist ein Witz
Mutig und sinnvoll wäre gewesen, die Pendlerpauschale durch ein Mobilitäts-Geld für echte nachhaltige Mobilität zu ersetzen. Als Einstiegspreis pro Tonne CO2 wären 35 statt 10 Euro notwendig; dieser hätte bis 2025 auf 80 Euro steigen müssen, um die Emissionen in ausreichendem Maße zu senken. Der homöopathische CO2-Preis ist ein Witz, der höchstens am Stammtisch der fossilen Industrie für Gelächter sorgt.
Und es kommt noch schlimmer: Statt überhaupt nur irgendeine umweltschädliche Subvention abzubauen werden diese sogar noch erhöht. Diesel wird weiter begünstigt, die Kerosinsteuer bleibt niedrig und eine Klima-Maut ist nicht in Sicht. Die Zielverfehlung ist somit vorprogrammiert. Stattdessen wird vage mit der Einführung eines Emissionshandels gewunken. Das bedeutet, dass in einem jahrelangen Verfahren, juristisch umstritten, ein aufwändiger Zertifikatehandel etabliert werden muss, der Milliarden kostet. Wenig Klimaschutz für viel Geld. Statt einer endlich offenen Preistransparenz gibt es den erneuten Versuch, Klima-Kosten zu verschleiern, und so wird weiter Geld zum Fenster rausgeworfen. Verantwortliche Politik sähe anders aus.
Zum Glück gibt es auch Positives zu vermelden: So wurden konkrete Sektorziele benannt, die jährlich von einem Expertenrat überprüft werden und an europäische Ziele ausgerichtet werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll schneller und intensiver vorangehen, allerdings hat man die kontraproduktiven Abstandsregeln für Windenergie beibehalten. Wenigstens wird der Ausbau-Deckel der Solarenergie abgeschafft. Ab dem Jahr 2026 sind keine neuen Ölheizungen mehr erlaubt. Die energetische Gebäudesanierung und der Schienenverkehr werden finanziell stärker unterstützt. Ladeinfrastruktur und ÖPNV sollen gestärkt werden.
Chance für mehr Klimaschutz vertan
Unverständlich ist, dass man angesichts der Aufgaben derart verbissen an der schwarzen Null festhält. In Zeiten von drohender Rezession, niedrigen Zinsen und billigem Geld sind Klimaschutzinvestitionen die Garantie für eine dauerhaft nachhaltige, innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaft. Selten waren die Bedingungen so gut, den Klimaschutz als Wirtschaftsmotor für eine nachhaltige Zukunft stärken zu können. Die Chance wird vertan.
Der von Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft vorgelegte Maßnahmenkatalog bot dem Klimakabinett viele Möglichkeiten. Mutige Politik hätte daraus pragmatisch einen effektiven Fahrplan bis 2030 entwickelt, an dem sich Unternehmen und Verbraucher klar orientieren könnten. Stattdessen wurden Einzel-Lösungen herausgepickt, die sich medial darstellen lassen und die offenbar niemandem wehtun sollen. Doch der Schaden wird dadurch nicht kleiner: Das vorgelegte Paket wird den Klimawandel nicht stoppen, ja, nicht einmal bremsen.
Wenn man wohlwollend ist: Es ist ein Anfang für wirklich ambitionierten Klimaschutz. Nach wie vor stehen diese dringende To-Dos auf dem Zettel: rascher Ausstieg aus der Kohle, Schluss mit klimaschädlichen Subventionen, weg mit der Windenergie-Abstandsregelung und endlich mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich. Zuoberst notwendig ist ein Klimaschutzgesetz, dass jegliche Rückschritte verhindert. Wenn dies gelingt, kann es doch noch etwas werden mit dem Klimaschutz. Die Fridays For Future Bewegung jedenfalls wird weitermachen müssen – so viel ist sicher.