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Pipeline Was Sie über die Einigung zu Nord Stream 2 wissen müssen

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Joe Biden einigten sich am Mittwoch auf ein Abkommen im Streit um Nord Stream 2 geeinigt
Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Joe Biden einigten sich am Mittwoch auf ein Abkommen im Streit um Nord Stream 2 geeinigt
© IMAGO / Xinhua
Lange haben sich Deutschland und die USA um die Erdgaspipeline gestritten. Jetzt haben sie sich auf ein umfassendes Abkommen geeinigt. Was genau drinsteht, wie die Politik auf die Einigung reagiert und was dem bisherigen Streit zugrundelag

Was ist Nord Stream 2 eigentlich genau?

Nord Stream 2 ist eine rund 1200 Kilometer lange Gaspipeline, die quer durch die Ostsee verlaufen soll – vom russischen Ust-Luga bis Lubmin im Greifswald. Durch sie soll Erdgas von Russland nach Deutschland transportiert werden, das dann zum Beispiel für Gaskraftwerke, Industriebetriebe oder Heizungen verwendet wird. Die Pipeline gehört dem russischen Staatskonzern Gazprom, es sind aber auch fünf europäische Energiekonzerne beteiligt, darunter auch Wintershall und Uniper aus Deutschland. Die Pipeline ist fast fertig, aber international sehr umstritten.

Verlauf der Nord Stream 2
Verlauf der Nord Stream 2

Warum ist Nord Stream 2 so umstritten?

Rund um die Pipeline gibt es viele wirtschaftliche und geopolitische Interessen:

  • Für Deutschland ist das Pipelinegas aus Russland günstig und könnte ein wichtiger Baustein werden, um den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien zu überbrücken.
  • Russland profitiert gleich mehrfach von der Pipeline: zum einen finanziell, denn Russland ist auf Einnahmen aus Rohstoffexporten angewiesen. Zum anderen baut Russland so die Marktmacht von Gazprom in Europa aus.
  • Viele Länder in Mittel- und Osteuropa befürchten aber, dass Deutschland durch die Pipeline stärker von Russland abhängig werden könnte. Transitländer wie die Ukraine könnten durch die Pipeline umgangen werden – damit würden ihnen Einnahmen in Milliardenhöhe entgehen.
  • Am größten ist aber wohl der Konflikt mit den USA, die befürchten, dass der Kreml Nord Stream 2 als politisches Druckmittel missbrauchen könnte. Die USA haben aber auch eigene Interessen: Sie wollen vermehrt ihr eigenes Flüssiggas nach Europa verkaufen und stehen damit in Konkurrenz zu Nord Stream 2. Die US-Regierung hat in der Vergangenheit mehrmals Sanktionen gegen Unternehmen angedroht, die am Bau der Pipeline beteiligt sind. Aber die sind jetzt vom Tisch, denn Deutschland und die USA haben sich geeinigt.

Wie genau sieht die Einigung aus, die Deutschland und die USA jetzt erreicht haben?

Im Grunde haben sich Deutschland und die USA darauf geeinigt, dass Nord Stream 2 fertiggestellt werden kann und die USA deswegen keine Sanktionen verhängen. Das Abkommen soll aber auch verhindern, dass Russland „Energie als Waffe“ benutzt. Dann können Sanktionen gegen Russland verhängt werden. Das gilt auch bei „aggressiven Handlungen gegenüber der Ukraine“.

Insgesamt ist für die Ukraine einiges im Abkommen vorgesehen: Der Gastransit durch die Ukraine soll verlängert werden, Deutschland soll bilaterale Energieprojekte in der Ukraine mit 70 Mio. Euro fördern und sich dafür einsetzen, dass bis 2027 1,77 Mrd. Dollar im EU-Haushalt für den ukrainischen Energiesektor bereitgestellt werden. Außerdem soll es einen „Grünen Fonds“ für die Ukraine geben, in den Deutschland 175 Mio. Dollar einzahlt, geplant sind Investitionen von einer Mrd. Dollar, die auch aus dem Privatsektor kommen sollen. Dieser Fonds soll dafür sorgen, dass zum Beispiel erneuerbare Energien gefördert werden und der Kohleaussteig beschleunigt wird.

Welche Reaktionen gibt es zu dem Abkommen?

Die ersten Reaktionen aus der deutschen Politik signalisierten Erleichterung. Bundesaußenminister Heiko Maas schrieb auf Twitter, er sei erleichtert, dass man eine konstruktive Lösung gefunden habe. „Wir werden die Ukraine beim Aufbau eines grünen Energiesektors unterstützen & uns dafür einsetzen, den Gastransit durch die Ukraine im nächsten Jahrzehnt zu sichern“, schrieb er weiter.

https://twitter.com/HeikoMaas/status/1417922342962016263

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagte dem NDR, es sei gut, dass es nun eine Einigung gebe. Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, begrüßt die Einigung zwar und betont, ein Dauerstreit zwischen Deutschland und den USA „wäre ein Geschenk an Putin, dessen Waffe dann noch besser wirken würde, als gedacht“. Er stellt aber auch fest: „Die Pipeline bleibt falsch.“ Sie sei „eine Waffe in der Hand von Putin vor allem gegen die Ukraine“.

https://twitter.com/n_roettgen/status/1418090983389110272

Widerspruch kommt aus den USA. Der republikanische Senator Ted Cruz sprach zum Beispiel von einer „Kapitulation Joe Bidens vor Putin“ und sagte, die Pipeline werde „noch jahrzehntelang dazu benutzt, um die europäische Energieversorgung zu erpressen.“

Und auch der ukrainische und der polnische Außenminister kritisieren die Einigung in einer gemeinsamen Erklärung. Darin heißt es, die Einigung habe zusätzliche politische, militärische und energetische Bedrohungen für die Ukraine und Mitteleuropa geschaffen. Russland beschwert sich über einen „feindlichen“ Ton. Man habe die eigenen Energieressourcen nie als Werkzeug politischen Drucks eingesetzt, hieß es vom russischen Botschafter in Washington, Anatoli Antonow. Die Vereinbarung beinhalte politische Angriffe gegen Russland. Man sieht also: Der Streit ist mit dem Abkommen noch längst nicht beendet.

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