In den letzten Wochen ist es ruhig geworden rund um den Brexit. Dabei trat Anfang dieses Jahres in Kraft, worauf Verhandler seit dem Referendum über den EU-Austritt in Großbritannien im Jahr 2016 hinarbeiteten: Der Brexit-Deal steht und Großbritannien hat den Binnenmarkt und die EU-Zollunion verlassen. Doch auch wenn der Brexit-Deal wohl das ganz große Chaos verhindert hat , so treffen die neuen Regeln doch einige Branchen hart. Ein Überblick:
Fischerei: Enttäuschte Hoffnungen
Sie machen ihrer Wut Luft: Zahlreiche britische Fischer haben am Montag gegen die hohen bürokratischen Hürden demonstriert, die seit dem Ende der Übergangsphase des Brexits für den Export ihrer Güter in die EU gelten. Mit etlichen Lkw postierten sie sich im Londoner Regierungsviertel. Sie sind enttäuscht. Viele Fischer stimmten für den Austritt aus der EU – die Forderungen, die Kontrolle über die eigenen Hoheitsgewässer zurückzubekommen, war zentral für die Pro-Brexit-Kampagne. Und so waren es auch die Fischerei-Rechte, die in letzter Minute noch drohten, das Brexit-Abkommen scheitern zu lassen .
Ein Abkommen gab es schlussendlich doch. Das bedeutet für die Fischer aber bislang nicht die erhoffte Freiheit, sondern vor allem Ärger. Die Bürokratie verkompliziert und verzögert die Lieferungen in die EU. Mark Simmonds, Director of Policy der British Ports Association, beklagt: „Die Probleme, die sich mit den Fischereiexporteuren abzeichnen, sind eine Katastrophe für den Fischereisektor und die Küstengemeinden, die von ihm abhängig sind und müssen sofort angegangen werden“. Es würden weniger Schiffe in Großbritannien anlanden, die Preise einbrechen. „Unsere Sorge ist, dass diese Probleme auf lange Sicht Normalität werden und die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Fischereihäfen dauerhaft untergraben“, sagt Simmonds.
Ähnliches prangert die Scottish Fishermen’s Federation in einem Brief an den britischen Premierminister an. Einige Fischerbote würden einen 72-Stunden langen Rundweg über Dänemark fahren, heißt es dort. Nur so könnten sie garantieren, dass ihr Fang zu einem fairen Preis verkauft werden könne und die Konsumenten noch frisch erreiche. Der abgeschlossene Deal, beklagt die Scottish Fishermen’s Federation, sei nicht das, was Johnson den Fischern versprochen habe.
In einem Video spricht auch ein schottischer Fischer über die Probleme. Man bekomme kein Produkt mehr auf den europäischen Markt, sagt er. „Die Regierung in Westminster hat uns lächerlich gemacht.“
https://twitter.com/LochfyneLangous/status/1349381418804195328
Logistik: fehlende Papiere
Die Bürokratie an der Grenze trifft nicht nur die Fischer, auch Logistikunternehmen haben mit den umfangreichen Formularen zu kämpfen. DB Schenker kündigte kürzlich an, vorübergehend keine neuen Sendungen mehr anzunehmen, die aus der EU nach Großbritannien verschickt werden sollen. Der Grund: Nur zehn Prozent der beauftragten Sendungen seien mit vollständigen und korrekten Papieren versehen. „Bei einem Großteil der Sendungen liegen dagegen Mängel bei den Dokumenten vor“, heißt es.
DPD kündigte bereits kurz vor Weihnachten an, den Paketverstand von und nach Großbritannien bis auf weiteres auszusetzen. Nach Irland konnten noch Pakete versandt werden, aus Irland in die EU war das nicht mehr möglich. Der Grund für diese Einschränkungen war allerdings Konzernangaben zufolge nicht der Brexit, sondern die Coronavirus-Mutation, die sich in Großbritannien massiv ausbreitet.
Supermärkte: leere Regale?
Leere Supermarktregale wegen der Brexit-Bestimmungen in Großbritannien gehören zu den größten Ängsten im Zusammenhang mit dem Austritt. In einem Brief an den britischen Kabinettsminister Micheal Gove befeuern die Chefs großer Handelsketten wie Tesco, Sainsbury’s, Asda und Marks & Spencer solche Befürchtungen. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge warnen sie vor Lieferengpässen, denn am 31. März endet eine derzeit geltende Schonfrist, die vereinfachte Kontrollen für Lebensmittel-Lieferungen nach Nordirland erlaubt.
Nordirland ist zwar Teil von Großbritannien, wird aber seit Inkrafttreten des Brexits weiter als Teil der EU-Zollunion und des Binnenmarkts behandelt. So soll eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland vermieden werden. Wenn die Übergangsfrist ausläuft, könnte es in Nordirland tatsächlich zu leeren Supermarktregalen kommen. Um das zu verhindern, fordern die Handelsketten-Chefs laut Reuters unter anderem eine frühzeitige Langfrist-Lösung mit der EU und Hilfe bei der Bewältigung der bürokratischen Hürden bei den neuen Kontrollen.
Chemieindustrie: Komplizierter Handel
Auch die britische Chemieindustrie leidet unter den neuen Bestimmungen für den Handel mit der EU. So musste beispielsweise Aston Chemicals, ein Distributor verschiedener Spezialchemikalien mit Sitz im britischen Aylesbury, seine Logistik umstrukturieren, um den europäischen Markt weiter zuverlässig bedienen zu können. Aston Chemicals importiert aus dem Ausland und exportierte dann bislang aus Großbritannien weiter in die EU.
Die neuen Regeln verkomplizieren diesen Vorgang allerdings. So entschied sich das Unternehmen, Abnehmer aus der EU künftig von Polen aus zu beliefern. Das Personal am Standort in Großbritannien soll entsprechend reduziert worden sein.

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