Mit dem Wasserstoffpaket ist nun die letzte große Lücke zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft geschlossen. Gestern Abend gab es im Trilog eine Einigung zur Gasmarkt-Richtlinie. Nachdem die Kommission mit den Delegierten Rechtsakten zu Wasserstoff bereits die Grundlage für die Produktion von grünen Gasen und E-Fuels gelegt hatte, regelt das Wasserstoffpaket nun die Infrastruktur – von Gasverteilnetzen über Speicher bis zu Import-Terminals.
Bis zuletzt umstritten war die „horizontale“ Trennung des Betriebs von Erdgas- und Wasserstoffnetzen – eine Sitzung der Ständigen Vertreter am vergangenen Freitag hatte keine Einigung gebracht. Die Eigentümer des bestehenden Netzes – rund ein Dutzend Transportgesellschaften und Hunderte Stadtwerke – wollten Wasserstoffleitungen möglichst in ihren alten Strukturen betreiben und freie Hand darüber haben, welche Erdgasleitungen sie für Wasserstoff umfunktionieren.
Experte: Bundesregierung handelt gegen Verbraucherinteressen
Die Kommission wollte dagegen mindestens eine gesellschaftsrechtliche und buchhalterische Entflechtung. Das Parlament unter Federführung des deutschen Berichterstatters Jens Geier (SPD) forderte eine möglichst sparsame horizontale Entflechtung – unterstützt von der Bundesregierung im Rat.
Kritisch sieht dies das Regulatory Assistance Project (RAP). „Deutschland versucht, in Brüssel die Agenda zu setzen– und das nicht zum Nutzen Europas und nicht zum Nutzen des deutschen Verbrauchers“, sagt RAP-Energieexperte Andreas Jahn. Gäbe es für saubere Gase kein wirksames Unbundling, würden einzelne „ineffiziente Geschäftsmodelle“ der Gaswirtschaft verstetigt.
Nach der gestern erzielten Einigung gilt die Vorschrift zur gesellschaftsrechtlichen Entflechtung nun nur für die Transportnetze. Verteilnetze seien von der Regulierung ausgenommen, erklärte Geier nach den Verhandlungen. Der Vorteil für die Eigentümer bestehe nun darin, dass sie ein eigenes „Vertriebssystem für Wasserstoff“ aufbauen können und dafür nicht mehr machen müssten als eine buchhalterische Entflechtung. Auch Transportnetzbetreiber können die Mitgliedstaaten vom Unbundling ausnehmen, sofern es eine positive Kosten-Nutzen-Bewertung gibt.
Schon in den technischen Trilogen wurde zuvor eine Passage geeint, die „schwer zu dekarbonisierenden Sektoren“ einen Vorrang bei der Versorgung mit Wasserstoff gewähren soll. Ob damit die Nutzung für leicht zu elektrifizierende Anwendungen wie das Heizen von Gebäuden damit wirklich ausgeschlossen werden kann, bleibt allerdings abzuwarten.
Verteilnetzbetreiber planen Stilllegung und Neubau
Geregelt wird mit dem Paket auch die Planung von Wasserstoffnetzen. Bisherige erste Pläne beziehen sich alle auf große Transportleitungen. Die Richtlinie schreibt erstmals auch Verteilnetzbetreibern eine Planung vor, und zwar alle vier Jahre. Den Parlamentsabgeordneten war das ein besonderes Anliegen. Sie dürften sich davon versprechen, dass Wasserstoff auch bei Unternehmen abseits von großen Industriezentren schneller ankommt.
Durchgesetzt haben die Abgeordneten auch eine Planung für die Stilllegung von Gasnetzen. Verteilnetzbetreiber müssen solche Pläne entwickeln, „wenn ein Rückgang der Gasnachfrage zu erwarten ist, der die Stilllegung von Erdgasverteilungsnetzen oder Teilen dieser Netze erforderlich macht“. Ausdrücklich möglich ist aber die Umnutzung von Erdgasleitungen für Wasserstoff. Die Basis bilden in allen Fällen die Wärmepläne von Kommunen, auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist vorgeschrieben. Die Mitgliedstaaten können außerdem Betreiber von Gasnetzen von der Planung ausnehmen, an die weniger als 45.000 Kunden angeschlossen sind.
Kosten für Gasausstieg könnten auf Netzentgelte umgelegt werden
Heikel wird es in Fällen, in denen Erdgasleitungen außer Betrieb genommen werden, bevor sie abgeschrieben sind. Denkbar ist das, wenn Klimaziele dem Weiterbetrieb entgegenstehen oder viele Kunden von selbst auf andere Heiztechnologien umstellen, weil sie günstiger geworden sind. Die Eigentümer werden in solchen Fällen eine Kompensation erwarten.
Die Einigung verpflichtet die nationalen Regulierungsbehörden nun, Leitlinien für die Abschreibung und die Neuberechnung von Netzentgelten vorzulegen. Im Vergleich zum Bericht des Parlaments räumt die Einigung den Regulierern weniger Durchgriffsrechte ein. Neu ist der Fokus auf die Netzentgelte, der Parlamentsbericht sprach noch allgemeiner von „finanzieller Unterstützung“. Die formale Abstimmung der Richtlinie im Plenum des Parlaments wird für März erwartet.
Streitfall Wasserstoff-Verband
Erst am Abend begannen die abschließenden Verhandlungen zur Gasmarkt-Verordnung. Vorgesehen sind darin etwa Regelungen zum dauerhaften gemeinsamen Gaseinkauf und ein Europäisches Netzwerk der Wasserstoffnetzbetreiber (ENNOH) – analog zu den Verbänden für Gas (ENTSOG) und Strom (ENTSO-E). Die Verbände haben unter anderem die Aufgabe, zehnjährige Netzentwicklungspläne für die Transportnetze aufzustellen – die anschließend von der Regulierungsagentur ACER bestätigt werden müssen.
Das Parlament unter Federführung des Berichterstatters Jerzy Buzek (EVP) strebte dagegen an, die Planung des Wasserstoffnetzes ENTSOG zu überlassen. Dies berge allerdings die Gefahr eines übermäßigen Ausbaus von Wasserstoffnetzen und eines Lock-ins von fossiler Infrastruktur, hieß es Anfang des Jahres vom Climate Action Network (CAN).