Gastbeitrag Warum es gerade jetzt auf den Mittelstand ankommt

Auf einer Küchenspüle ist ein Schild mit der Aufschrift „Made in Germany“ angeklebt
Auf einer Küchenspüle ist ein Schild mit der Aufschrift „Made in Germany“ angeklebt
© dpa
Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Wie häufig hat man diesen Satz schon gehört? Für Timo Kaapke ist der Mittelstand viel mehr: Er steht für unsere Lebensqualität und eine Haltung

Aus dem Radio schallt „Summer in the City“, als wäre im letzten halben Jahr nichts Besonderes passiert. Doch zuvor hat die Moderatorin am Telefon einen Wirtschaftsexperten befragt, ob die beschlossenen Maßnahmen der Regierung ausreichen, um unsere Wirtschaft durch die Krise zu bringen. „Wir hören ja vor allem von den großen Konzernen,“, ist ihre Frage, „doch wie sieht es denn Ihrer Meinung nach mit dem Mittelstand aus?“ Und dann fällt ein Satz, der mir seither nicht aus dem Kopf geht: „Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ – so abgenudelt, so wahr.

Aber ist das die ganze Wahrheit? Ist der Mittelstand nicht sogar viel mehr als das? Ist er nicht auch Herz und Kopf und Seele und damit genau, was wir jetzt nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Gesellschaft dringend brauchen?

Deutschland ist Mittelstand

Timo Kaapke
Timo Kaapke
© PR

Ich glaube: Ja! Weil er für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft etwas bedeutet, was nicht nur „jetzt“ wichtig ist. Der Mittelstand ist für unseren Lebensstil und unsere Lebensqualität generell bedeutend, heute wie gestern und vor allem mit Blick auf die Zukunft.

Der Mittelstand ist Garant für die Lebensqualität in unserem Land, ja „Deutschland IST Mittelstand“ – aber nicht, weil er Arbeitsplätze schafft und einen so großen Anteil an der Wirtschaftsleistung Deutschlands hat, sondern weil er für eine Haltung, eine Einstellung steht.

Made in Germany

„Made in Germany“ ist nicht einfach eine Ortsangabe, sondern eben besagte Haltung. Diese Haltung macht Deutschland wirtschaftlich erfolgreich – und als Gemeinwesen, Gesellschaft, als Heimat für mehr als 80 Millionen Menschen so lebenswert.

„Made in Germany“ steht für einen Erfolg, den vor allem Mittelständler verantworten. Mittelständler sind deswegen so erfolgreich, weil sie mittelständisch unternehmen – d.h. sie sind Macher, sie geben Gas und das mit einer langfristigen Perspektive. Das unterscheidet sie grundlegend von den Konzernen und ihrer Quartal-zu-Quartal-Denke. Nicht die kurzfristige Umsatz- und Gewinnmaximierung steht im Fokus, sondern ein Wirtschaften, das von Nachhaltigkeit geprägt ist – und zwar einer Nachhaltigkeit, die mit dem Buzzword nichts zu tun hat.

Erfolg ist Einstellungssache

„Made in Germany“ steht für Erfolg, weil der Mittelstand schnell und wendig ist. Während in einem Konzern die angestellten Mitarbeiter für den angestellten Vorstand noch Powerpoint-Folien basteln, entscheidet der Mittelständler von heute auf morgen. Er startet schon einmal mutig durch und lernt beim Machen. Es wird viel davon geredet, wie neu und modern „agiles Arbeiten“ doch ist – dabei gehört diese Arbeitsweise quasi seit eh und je zur DNA des Mittelstandes. Zwei Eigenschaften gehen bei Mittelständlern Hand in Hand: die Neugier und der Anspruch, etwas Gutes zu produzieren – und zwar etwas Gutes für den Kunden. Das ist das Besondere: Die Menschen stehen im Mittelpunkt.

Insofern ist der Mittelstand weniger eine Definition, die sich aus Zahlen, Daten, Fakten ergibt, sondern eine Einstellungssache. Diese Einstellung ist nicht einzig an Umsatz und Gewinn orientiert – die entstehen aus dieser Einstellung heraus –, sondern an einem Miteinander.

Wir brauchen also den Mittelstand, weil er genau die Tugenden verkörpert, die jetzt, gestern und morgen für uns wichtig sind.

Tugenden des Erfolgs

„Tugenden“? Wie altmodisch ist das denn? Bestimmt haben Sie auch schon gehört: Was wir brauchen, sind Innovationen, also das Neue!

Ja und ja. Das Wort „Tugenden“ ist altmodisch – und ja – wir brauchen Innovationen. Aber was wäre, wenn aus „altmodisch und innovativ“ genau das Paar Schuhe entsteht, was unsere Wirtschaft ins Laufen bringt und auf denen wir als Gesellschaft gut stehen können?

Ein Beispiel: Altmodisch klingt heute auch der schöne Begriff der „Kaufmannsehre“. Aber ich finde die Haltung hinter dem Begriff sehr innovativ und modern. Ich stehe auf Zuverlässigkeit. Und wenn ein Handschlag reicht, um ein gegenseitiges Übereinkommen zu besiegeln, so kommen die beiden Parteien schneller ins Handeln, als wenn sich beide Seiten Wochen und Monate damit aufhalten, abzuwägen, zu taktieren, rechtlich einzuordnen und vertraglich abzusichern. Geschwindigkeit ist in der Wirtschaft immer mehr ein Thema.

Oder nehmen Sie das Beispiel „Redlichkeit“. Für mich bedeutet das: dem Kunden nicht einfach etwas andrehen zu wollen, um auf Teufel komm raus den Gewinn kurzfristig zu maximieren. Sondern den Kunden in seinen Bedürfnissen ernst nehmen. Ein wirkliches Interesse an dem zu haben, was ihm hilft. Der Mittelstand steht für ein Miteinander von Kunden und Unternehmen. Diese Redlichkeit führt zu echter Qualität und Nachhaltigkeit. Der Mittelstand agiert bedürfnisorientiert. Und wenn Sie guten Kundennutzen bieten, erfolgen daraus gute Umsätze – als angenehmer Nebeneffekt.

Zuverlässigkeit, langfristiges Denken, familiäres Miteinander sind Tugenden, die Menschen schätzen. Und die Zukunft, ob wirtschaftlich oder gesellschaftlich, braucht diese Wertschätzung des Miteinanders. Daraus erwächst übrigens noch ein echter Wettbewerbsvorteil.

Der Mittelstand kann das

Das Stichwort heißt: Kooperation. Es gibt nichts Moderneres als Unternehmen, die sich die Bedürfnisse der Menschen, die mit dem Unternehmen in Kontakt stehen, bewusst machen und überlegen, wie können sie gemeinsam mit guten Ideen, Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen vorankommen. Und das kann der Mittelstand.

Es geht dabei nicht „nur“ um Kunden. Die Mitarbeitenden im Unternehmen werden als Menschen wahr- und ihre Bedürfnisse ernst genommen. Mittelständler fühlen sich für Menschen verantwortlich. Ohne Menschen kein Business. Das Miteinander von Unternehmern, Inhabern, Mitarbeitenden, Kunden bringt den Erfolg. Der Zweck eines jeden Unternehmens ist nicht die Gewinnmaximierung, es ist und bleibt die Nutzenmaximierung für die Kundschaft. Dazu gehört es, dafür zu sorgen, dass Menschen zusammen froh schaffen können: dass sie gemeinsam an einer Welt arbeiten, die lebenswert ist.

Und auch das kann der Mittelstand – mit Rückgrat, Herz, Kopf und Seele. Gemeinsam mit allen Beteiligten an einer lebenswerten Welt bauen. Vielleicht klingt das für manche altmodisch, aber für mich ist es das, was Deutschland von Gestern übers Jetzt ins Morgen führen kann. Qualität für Wirtschaft und Gesellschaft made in Germany. Und was denken Sie dazu?

Timo Kaapkeist Unternehmer, Taucher, Autor, Keynotespeaker und deutschlandweit gefragter Sparringspartner für Mittelständler. In seinem neuen Buch „Frohes schaffen: Wie ich herausfand, was ein Unternehmer wirklich ist“ nimmt er Unternehmer mit auf einen Deep Dive in eine Arbeitswelt, in der „Frohes schaffen“ kein Widerspruch in sich ist. Mehr Informationen unter timokaapke.de

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