Der Kampf gegen die Untoten: Was klingt wie der Titel eines Horrorfilms, ist derzeit Teil von Chinas Strategie hin zu mehr wirtschaftlicher Effizienz und Stärke. Bis Ende 2020 will die Volksrepublik möglichst viele defizitäre Staatsunternehmen auflösen . Diese sogenannten Zombie-Unternehmen – eigentlich tot, aber künstlich reanimiert durch günstige Kredite – bremsen die aufstrebende Wirtschaft Chinas. Werden sie endgültig fallengelassen, könnte das der Volksrepublik einen enormen Schub verleihen. „Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, um die Probleme von Zombie-Unternehmen angemessen zu lösen“, machte Präsident Xi Jinping in einer Rede im Januar deutlich.
Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) hat nun einen Plan verabschiedet, mit dem kriselnde staatliche Firmen einfacher liquidiert werden können. Statt den Unternehmen mit Krediten zur Seite zu springen, sollen Behörden eine Pleite nicht mehr verhindern. Denn Zombie-Firmen häufen immer mehr Schulden an – und verschlucken so wertvolle finanzielle Ressourcen, die bei effizienteren Privatunternehmen sinnvoller angelegt wären.
Die Entscheidung der NDRC kommt zu einer Zeit, in der Chinas Wirtschaft immer mehr an Dynamik verliert – nicht zuletzt wegen des Handelskriegs mit den USA . Die Wachstumsrate im ersten Halbjahr 2019 betrug laut chinesischem Statistikamt 6,3 Prozent. Zu Hochzeiten wie im Jahr 1984 lag die Rate noch bei rund 15 Prozent. Seit einigen Jahren geht es jedoch bergab, auch 2018 wuchs Chinas Wirtschaft nur mit 6,6 Prozent. Seit der Finanzkrise hatte die chinesische Regierung versucht, das Wachstum mit immensen Investitionen aufrechtzuerhalten. Die Zentral- und Provinzregierungen gaben seitdem massenhaft Kredite an Staatsunternehmen aus, auch an Unternehmen, die längst keine Gewinne mehr abwarfen. Könnten die Firmen schneller in Konkurs gehen, würde mehr Geld in funktionierende Unternehmen fließen und die Wachstumsaussichten des Landes langfristig aufhellen.
Keine Schonfrist mehr für Zombie-Unternehmen
Auch international wäre eine Liquidation der staatlichen Zombie-Firmen ein positives Signal: US-Präsident Donald Trump kritisiert schon lange, dass China den eigenen Unternehmen mit Subventionen unfaire Vorteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz verschafft. Auch in Europa herrscht Unmut: 45 Prozent der europäischen Unternehmen in China fühlen sich im Vergleich zu chinesischen Unternehmen ungerecht behandelt, zeigt eine aktuelle Umfrage der EU-Handelskammer. Darüber hinaus sorgen die großen Mengen an Investitionen in Staatskonzerne für Überkapazitäten – etwa von Stahl. Schon im Jahr 2016 hatte der damalige Präsident der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke, gewarnt: Sollte China seine Überkapazitäten nicht bald abbauen, könnte dies „die Wirksamkeit der chinesischen Wirtschaftsreformagenda ernsthaft beeinträchtigen.“
Bislang hatte es die Volksrepublik vermieden, defizitäre Firmen aufzulösen. Denn damit würden zahlreiche Arbeitsplätze wegfallen – nicht nur in den großen Staatsunternehmen, sondern auch bei ihren Zulieferern. Stattdessen setzte China auf Übernahmen und Fusionen: Zum Beispiel im Jahr 2017, als Peking den Zusammenschluss des staatlichen Kohleproduzenten Shenhua Group und dem Stromversorger Guodian Group forcierte. Dadurch entstand einer der weltweit größten Energieversorger mit einem Umsatz von 75,5 Mrd. US-Dollar im Jahr 2018, zeigen Zahlen des World Economic Forum. Mit der jüngsten Kampfansage gegen chinesische Zombie-Firmen scheint diese Schonfrist jedoch vorüber zu sein.