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Kommentar Wall Street for President?

Wahlkampfspenden oder Regulierung? Die Demokraten streiten über den Umgang mit Großbanken. Von Simon Johnson
In den USA ist eine Diskussion über die Macht der Wall-Street-Banken entbrannt
In den USA ist eine Diskussion über die Macht der Wall-Street-Banken entbrannt

Simon Johnson ist Professor an der Sloan School of Management des MIT und Mitverfasser von White House Burning: The Founding Fathers, Our National Debt, and Why It Matters to You.

Bis zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen sind es noch fast zwei Jahre, und nur wenige Kandidaten haben bisher offiziell ihren Hut in den Ring geworfen. Doch Demokraten wie Republikaner sind derzeit schwer damit beschäftigt herauszufinden, was die Wähler bei den jeweiligen Vorwahlen ihrer Parteien ansprechen könnte – und zu überlegen, was bei den Wählern insgesamt im November 2016 gut ankommen dürfte.

Der Kontrast zwischen den Parteien in dieser Phase ist verblüffend. Die potenziellen republikanischen Präsidentschaftskandidaten streiten sich derzeit über nahezu alles, von der Wirtschaft bis hin zu sozialen Fragen, und es ist schwer zu sagen, welche Ideen und Argumente sich am Ende durchsetzen werden. Die Demokraten andererseits sind sich über die meisten Themen einig, mit einer wichtigen Ausnahme: der Finanzreform und der Macht der Großbanken.

Die internen Unstimmigkeiten der Demokraten in dieser Frage wird deutlich, wenn man drei wichtige Vorschläge zur Bekämpfung der Einkommensungleichheit vergleicht, die die Partei und ihre Verbündeten in den letzten Wochen vorgelegt haben. Es bestehen nur geringe Unterschiede zwischen den Vorschlägen von Präsident Barack Obama (in seinem Haushalt und der Rede zur Lage der Nation), jenen, die in einem hochkarätigen Bericht des Center for American Progress enthalten sind, und den von dem einflussreichen Kongressabgeordneten Chris Van Hollen vorgelegten Ideen. (So will Van Hollen etwa Personen mit hohem Einkommen stärker belasten, um eine höhere Steuersenkung für Gruppen mittleren Einkommens zu finanzieren.)

Obama sperrt sich gegen weitere Aufweichung

Vor diesem Hintergrund programmatischer Einigkeit fallen die Meinungsunterschiede zwischen führenden Demokraten in Bezug auf die Wall Street – sowohl konkret zu den Einzelheiten der Dodd-Frank-Finanzreformen von 2010 als auch im Allgemeinen – besonders ins Auge.

Was Dodd-Frank angeht, so sind sich die Demokraten – und das schließt Obama ein – anscheinend unschlüssig über das Ausmaß, in dem sie sich für ihre eigenen Reformen stark machen sollten. Im Dezember stimmte das Weiße Haus einem Vorschlag der Republikaner zu, eine Bestimmung aus dem Dodd-Frank-Gesetz außer Kraft zu setzen, die der Risikofreudigkeit der größten Banken des Landes Grenzen gesetzt hätte (wobei die Formulierung dieses Vorschlags tatsächlich von der Citigroup stammte).

Danach freilich drohte Obama mit einem Veto gegen alle weiteren Versuche, die Finanzreform aufzuweichen. Und jetzt schlägt er vor, die Verbindlichkeiten der größten Banken mit einer kleinen Steuer zu belegen – in der Hoffnung, dass dies die Banken ermuntern würde, „Entscheidungen zu treffen, die den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen ihres Handelns stärker Rechnung tragen, was wiederum dazu beitragen würde, die Wahrscheinlichkeit größerer Zahlungsausfälle zu verringern, die ausgedehnte wirtschaftliche Kosten haben können“.

Senatorin Warren will Einfluss der Banken begrenzen

Im Bericht des Center for American Progress dagegen nimmt die Reform des Finanzsektors wenig Raum ein – aus Sicht der Verfasser scheinen derartige Themen keine besondere Priorität zu haben. Van Hollen hegt gewisse Bedenken und schlägt eine Steuer auf Finanztransaktionen vor, um Spekulationsaktivitäten zu verringern.

Nun jedoch gibt es eine ernsthafte Herausforderung für alle diese Ansichten, und zwar in Form von Vorschlägen der Senatorin Elizabeth Warren. Warren ist ein Shootingstar der Demokraten und gewinnt auf nationaler Ebene zunehmend an Beliebtheit. Aus ihrer Sicht muss die Regierung offensiv etwas gegen den übermäßigen Einfluss und die gefährliche Struktur größten amerikanischen Banken unternehmen.

Warrens Gegner sind bemüht, es so darzustellen, als lägen ihre Ideen irgendwie außerhalb des Mainstream; tatsächlich aber erhält Warren Unterstützung von allen Seiten des politischen Spektrums. Im Kampf gegen den erfolgreichen Versuch der Citigroup im vergangenen Monat, die Dodd-Frank-Reform aufzuweichen, gehörten zu Warrens Verbündeten unter anderem die Führung der Demokraten im Repräsentantenhaus, die Independent Community Bankers of America, der republikanische Senator David Vitter sowie Thomas Hoenig (ein von den Republikanern ernannter Vizepräsident der staatlichen Einlagensicherung).

Warrens Botschaft ist einfach: Man müsse die heimlichen staatlichen Subventionen beseitigen, die die systemrelevanten Banken stützten. Dieser Schritt allein würde viel dazu beitragen, den Amigo-Kapitalismus wenn schon nicht zu beseitigen, so doch einzuschränken und den Wettbewerb im Finanzsektor zu stärken. Diese Botschaft kommt auf allen Seiten des politischen Spektrums gut an. Zudem hilft die wachsende Unterstützung für Warrens Ideen der Federal Reserve und anderen verantwortlichen Regulierungsstellen bei ihren Bemühungen, die Großbanken daran zu hindern, Risiken in gefährlicher Höhe einzugehen.

Einfluss gegen Wahlkampfspenden

Die großen Wall-Street-Banken haben enormen Einfluss in Washington, was zu einem großen Teil auf ihre Wahlkampfspenden zurückzuführen ist. Zudem unterstützen sie direkt wie indirekt eine riesige Beeinflussungsindustrie, deren Mitglieder sich als unabhängige oder gemäßigte Kommentatoren ausgeben, als Herausgeber in der Finanzpresse aktiv sind oder in Denkfabriken maßgefertigte „Forschungsarbeiten“ anfertigen.

Diese Megabanken unternehmen derzeit den Versuch, möglichst große Teile des Dodd-Frank-Gesetzes außer Kraft zu setzen, und die Republikaner im Repräsentantenhaus scheinen bestrebt, ihnen dabei zu helfen. Das ist kein Thema, das sich so einfach in Luft auflösen wird.

Die Demokraten müssen sich entscheiden, was für eine Politik sie gegenüber der Wall Street verfolgen wollen. In der Vergangenheit haben sie sich einfach für die Wahlkampfspenden entschieden und im Austausch dafür Zugang und Einfluss vergeben. Nun ist offensichtlich, dass dies mit der Verteidigung der Überreste von Dodd-Frank unvereinbar ist.

Warren bietet einen plausiblen, gemäßigten Alternativansatz zur bisherigen Politik gegenüber dem Finanzsektor an, der bei den Vorwahlen gut ankommen und bei den allgemeinen Wahlen eine Menge Unterstützung finden würde. Werden die Demokraten diese Gelegenheit ergreifen?

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Copyright: Project Syndicate, 2015.
 www.project-syndicate.org

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