Nach zahlreichen kleineren Stromanbietern kündigt mit Eon nun auch der erste Energie-Riese Kunden. Verträge werden zum Laufzeitende nicht verlängert - die angebotene Alternative ist deutlich teurer. Stadtwerke und andere Versorger beenden unterdessen auch Verträge von Geschäftskunden und machen ihnen noch nicht einmal ein neues Angebot.
Die Kündigung zum Ende der Vertragslaufzeit ist rechtlich sauber, wie Verbraucherschützer Matthias Moeschler, der das Portal Verbraucherhilfe-stromanbieter.de betreibt, im Gespräch mit ntv.de klarstellt. Nachvollziehen kann der Angestellte, der nebenberuflich Stromverträge vermittelt, Eons Vorgehen allerdings nicht: „Warum erhöht das seriöse, zurückhaltende Unternehmen nicht die Preise anstatt Kündigungen auszusprechen?“
Während eine betroffene Kundin Moeschler zufolge bislang nur um die 25 Cent pro Kilowattstunde zahlte, würden bei dem alternativen Angebot zirka 80 Cent fällig. Bis zu 40 Cent hätte der Verbraucherschützer angesichts der massiv gestiegenen Beschaffungskosten in Ordnung gefunden. Dieser Preis entspreche Angeboten anderer Anbieter.
20 Anbieter haben vor Ende der Laufzeit gekündigt
Moeschler hat nach eigenen Angaben Hinweise, dass neben Eon ein weiterer großer Anbieter Kunden kündigt, in dem Fall Gastarife. Rund 20 Anbieter haben ihm zufolge Verträge für Strom und Gas sogar vor Ende der Laufzeit gekündigt – nach Ansicht von Verbraucherschützern ist das unzulässig. Insgesamt sind laut Moeschler fast eine Million Kunden betroffen, zum Großteil bei Stromverträgen. Eine bis zu fünfstellige Kundenzahl habe zulässige Kündigungen zum Vertragsende erhalten. Darüber hinaus hätten 13 Anbieter Insolvenz angemeldet.
Im Fall von Eon geht es laut Moeschler nur um wenige Fälle. Das Unternehmen selbst äußert sich grundsätzlich nicht zu konkreten Kundenzahlen, wie ein Sprecher auf ntv.de-Anfrage mitteilt, spricht aber ebenfalls von wenigen Fällen. „Die Beschaffungspreise für Energie an den Märkten bewegen sich – mitunter stark schwankend – auf einem historisch hohen Niveau“, erläutert der Sprecher. „Wir müssen diese Entwicklung auch in der Preisgestaltung und bei Energieverträgen berücksichtigen.“ Eon mache sich den Schritt nicht leicht, sei aber durch die einzigartige Marktlage dazu gezwungen. "Selbstverständlich bieten wir diesen Kunden die Möglichkeit, einen neuen Vertrag mit uns abzuschließen, der den aktuellen Marktbedingungen entspricht.“
Moeschler sagt, „gegen solche zulässigen Kündigungen können sich Kunden nicht wehren". Da bleibe nur, nach einem neuen Vertrag zu suchen. Dabei gebe es derzeit noch Stromverträge mit einer Preisgarantie für etwa 40 Cent pro Kilowattstunde. Bei Kündigungen vor Laufzeitende rät Moeschler zum Widerspruch, wofür er auf seinem Portal Musterschreiben anbietet. „In der Regel gehen die Anbieter nicht darauf ein, nach einer Mahnung sollten Betroffene dann die – für Kunden kostenfreie –Schlichtungsstelle Energie einschalten.“ Aufgrund des hohen Beschwerdeaufkommens dauere es derzeit etwa sechs Wochen, bis das Schlichtungsverfahren eröffnet wird.
Auch Geschäftskunden erhalten Kündigungen
Den Vertrag zu behalten, klappe meist nicht, berichtet der Verbraucherschützer. Bei einer Kündigung vor Laufzeitende sei aber Schadenersatz möglich: die Differenz zwischen den neuen und den eigentlich bis Laufzeitende vereinbarten Preisen. Strittig sei zurzeit noch, ob Kündigungen zulässig sind, wenn zwar die Laufzeit endet, aber eine Preisgarantie darüber hinaus vereinbart war.
Was manch privaten Verbraucher in finanzielle Nöte bringt, gefährdet indes auch Unternehmen. Stadtwerke kündigen Geschäftskunden zum Laufzeitende - ohne Anschlussangebot. Allein in Osnabrück seien über 1000 Unternehmen betroffen, meldet die Wirtschaftswoche, die zuerst über Eons Kündigungen berichtet hatte.
Für manche Geschäftskunden sind alternative Angebote nicht zu stemmen, etwa wenn der neue Arbeitspreis das Zehn- bis Zwanzigfache des bisherigen Werts beträgt. Die Betreiberin mehrerer Edeka-Märkte beispielsweise denkt dem Bericht zufolge über Filialschließungen nach. Auch ein Eisstadion in Ludwigshafen sucht verzweifelt nach einem alternativen Anschlussvertrag, weil die Stromkosten nach eigenen Angaben statt bisher 10.000 künftig 50.000 bis 80.000 Euro betragen würden. „Dies ist betriebswirtschaftlich nicht tragbar und wäre mit einer Insolvenz des Vereins verbunden“, heißt es auf der Internetseite.
Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de