Wer in den vergangenen Tagen auf Plattformen wie Instagram oder Tiktok unterwegs war, kam an einer Sache wohl kaum vorbei: musikalischen Jahresbilanzen – wer hat was, wen und wie oft gehört. Modern aufbereitet, unterlegt mit Musik der entsprechenden Künstler, mal guter, mal fragwürdiger Geschmack. Was es aber auf jeden Fall ist: gute Promo für das schwedische Unternehmen Spotify, das alljährlich die persönliche Auswertung des eigenen Nutzungsverhaltens anbietet. Und zwar für jeden seiner 550 Millionen Nutzerinnen und Nutzer.
Geht es nach dem sozialen Buzz, den die Aktion alljährlich auf sich zieht, dürfte es dem Unternehmen richtig gut gehen. Und warum auch nicht? Die Lebensrealität vieler Menschen sieht schließlich so aus, dass sie ohne Kopfhörer und Musik oder Podcast gar nicht mehr das Haus verlassen. Mit Spotify als ständigem Begleiter.
Unter den Musik-Streamingdiensten ist Spotify die klare Nummer eins, mit seit Jahren steigenden Nutzerzahlen. Allerdings, und das ist die Kehrseite: Bislang konnte Spotify das Nutzwerwachstum kaum in Gewinn umwandeln. Zu Zeiten von Niedrigzinsen war es kein Problem, unprofitabel in neue Inhalte zu investieren. Inzwischen verlangen Investoren aber Profitablität, und Wachstumswerte wie Spotify tun sich mächtig schwer damit.
Ausdruck davon ist eine Nachricht aus dieser Woche. Spotify will rund 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, etwa 17 Prozent der Gesamtbelegschaft. Als Grund führte Spotify-Chef Daniel Ek das „dramatisch verlangsamte Wirtschaftswachstum“ an, erwähnte aber auch den wohl entscheidenden Grund: Die Kosten des Unternehmens sind immer noch viel zu hoch.
Sparpotenzial gab es vor allem bei teuren Exklusivverträgen
Dabei verkündete Spotify in diesem Sommer noch einen „neuen Rekord“ mit dem „stärksten zweiten Quartal in der Geschichte des Unternehmens“. Die Zahl der monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzer stieg laut Spotify um 27 Prozent auf mehr als 550 Millionen, auch bei den Abos kamen im Jahresvergleich 17 Prozent hinzu, der Gesamtumsatz stieg auf 3,2 Mrd. Euro. Klingt gut, könnte man meinen. Doch zur Wahrheit gehörte auch ein bereinigter Betriebsverlust von mehr als 100 Mio. Euro. Und Verluste machte das schwedische Unternehmen fortlaufend.
Während sich Nutzerzahlen und Umsätze kontinuierlich nach oben bewegten, schaffte es das Unternehmen bis Mitte dieses Jahres nicht in die schwarzen Zahlen. Das vergangene Jahr war für Spotify mit einem Minus von 430 Mio. Euro eines des verlustreichsten seit der Gründung im Jahr 2006. Der Führungsebene, den Angestellten, eigentlich allen war klar: Die Kosten müssen runter. Dafür setzte das Unternehmen bei den Inhalten an, insbesondere bei den teuren „Spotify Exclusives“. Für die exklusiven Podcasts von Prominenten wie Michelle und Barack Obama oder Prinz Harry und Meghan Markle fielen extrem hohe Ausgaben an. Allein Harry und Meghan sollen für ihren nur 12-teiligen Podcast mindestens 20 Mio. US-Dollar bekommen haben.
Spotify-Chef Ek erklärte, dass diese Investitionen „generell funktioniert“ und „zur größeren Produktion von Spotify und dem robusten Wachstum der Plattform“ beigetragen hätten. „In den Jahren 2020 und 2021 haben wir die Gelegenheit genutzt, die sich uns durch die niedrigeren Kapitalkosten bot“, schrieb Ek am Montag in seinem veröffentlichten Memo. „Wir haben erheblich in die Erweiterung des Teams, die Verbesserung der Inhalte, das Marketing und neue Branchen investiert.“ Das Problem: Die Kostenstruktur sei dadurch zu groß geworden, auch angesichts der veränderten konjunkturellen Lage.
Zusaätzlich zu einigen Exklusiv-Formaten hat Spotify daher auch eine Reihe anderer Sendungen eingestellt, darunter mehrere True-Crime-Serien. Dazu gab es schon in der ersten Jahreshälfte Stellenstreichungen: Rund 800 der damals noch 9.800 Mitarbeitenden mussten damals gehen.
Neben Einsparungen sollten auch die Kundinnen und Kunden mithelfen. Für das Standard-Abo „Spotify Premium“ zahlen sie seit Oktober (beziehungsweise Bestandskundinnen und -kunden ab Januar) 1 Euro mehr und damit 10,99 Euro. Abos, die von mehreren Personen genutzt werden können, wurden 2 bis 3 Euro teurer. „Das ist erforderlich, damit wir bei sich ändernden Marktbedingungen weiterhin innovativ sein können“, teilte Spotify dazu mit. „Diese Preisänderungen helfen uns dabei, den Fans weiterhin einen Mehrwert zu bieten.“ Auch andere Streamingdienste wie Apple Music und Amazon Music Unlimited hatten wegen der allgemeinen Preissteigerungen zuvor bereits ihre Abopreise erhöht. Bei Spotify handelt es sich um die erste Preisanhebung seit zehn Jahren.
Erster Gewinn, trotzdem rollt die Entlassungswelle
Diese Maßnahme schlägt sich noch gar nicht in der jüngsten Bilanz nieder. Aber tatsächlich hatten schon die Kostensenkungen einen positiven Effekt. Für das dritte Quartal von Juli bis September 2023 wies Spotify erstmals einen Gewinn von 32 Mio. Euro aus – auch weil die Personal- und Marketingkosten geringer waren als erwartet.
Und trotzdem waren die Einsparungen offenbar zu gering. Ek räumte ein, dass das Ausmaß des Stellenabbaus möglicherweise überraschend sei. Die Zahlen hätten das nicht unbedingt hergegeben. Zunächst sei wohl über geringere Kürzungen diskutiert worden, bevor sich die Gruppe dann doch für eine größere Umstrukturierung entschied. „Angesichts der Kluft zwischen unserem finanziellen Ziel und unseren aktuellen Betriebskosten habe ich entschieden, dass eine umfassende Maßnahme zur Anpassung unserer Kosten die beste Option ist, um unsere Ziele zu erreichen“, sagte Ek am Montag. Man müsse sowohl produktiv als auch effizient sein und nicht nur produktiv, wie es zuletzt der Fall war. Dem Unternehmen scheint zunehmend klar zu werden, dass die große Menge an Output auch finanziert werden muss.
Analysten der Bank of America sagten bereits im Oktober, Spotify habe nun einen „Wendepunkt“ für die Gewinne erreicht und vermuteten, die Kommentare und Maßnahmen des Managements dürften zu einer weiteren Verbesserung führen. Die Entwicklung der Spotify-Aktie an der New Yorker Börse am Montag deutet daraufhin, dass Anlegerinnen und Anleger wirklich wieder zuversichtlich sind: Der Kurs stieg erst sprunghaft von 180 auf knapp 200 US-Dollar und pendelte sich im Tagesverlauf bei rund 195 Dollar ein.