Die Karten wurden neu gemischt im Handelsstreit zwischen den USA und China. Mit zwei Nachrichten auf Twitter kündigte Donald Trump am Wochenende neue Zölle auf chinesische Produkte an.
Dabei sah es zuletzt nach einer Lösung des Handelsstreits zwischen den beiden Ländern aus. Nun kündigt der US-Präsident an, Zölle auf bestimmte Importe aus China von 10 auf 25 Prozent zu erhöhen sowie neue Zölle auf bislang zollfreie Waren zu erheben. Was dieser Kurswechsel zu bedeuten hat, und welche Manöver von Donald Trump in der Europäischen Union zu erwarten sind , erklärt Yvonne Bendinger-Rothschild, Executive Director der European American Chambers of Commerce in New York, im Interview.
Capital: Frau Bendinger-Rothschild, die Verhandlungen zwischen China und den USA schienen zuletzt gar nicht so schlecht zu laufen. Was steckt hinter der Kursänderung des Präsidenten?
YVONNE BENDINGER-ROTHSCHILD: Wenn Sie sich die Verhandlungstaktik des US-Präsidenten in der Vergangenheit anschauen, habe ich eher den Eindruck, dass es sich wie gehabt nicht um einen strategischen Kurswechsel, sondern in erster Linie um Drohgebärden handelt, mit denen die Verhandlungspartner aus der Fa çon gebracht werden sollen.
Trump-Tweets spielen - wenn überhaupt - eine Nebenrolle
Ist die plötzliche Wendung des Präsidenten dann also überhaupt ernst zu nehmen?
Wirtschaftsabkommen werden durch viel harte Detailarbeit und Expertise von Handelsexperten erstellt. Echauffierte Tweets des US-Präsidenten spielen was die tatsächlichen Verhandlungsgespräche angeht - wenn überhaupt - eine Nebenrolle.
Was bezweckt er also mit seinem Verhalten?
Aufgrund von Wahlversprechen in Mittelamerika ist Präsident Trump im Zugzwang, US-Exporte zu erhöhen. Nun versucht er, China durch Strafzölle zum Kauf zum Beispiel von amerikanischen Sojabohnen zu zwingen, um die US-Farmer als Trump-Wähler bei der Stange zu halten. US-Agrarexporte hatten 2018 einen guten Start, befinden sich jedoch seit Anfang des Jahres im Abwärtstrend. Andere Sektoren, insbesondere die metallverarbeitende Industrie, sind wegen der Lieferkettenrealitäten von den Strafzöllen ebenfalls stark betroffen. Experten warnen bereits, dass die Tarife die US-Wirtschaft im vierten Quartal in den Abschwung treiben könnten.
Auch Trump weiß: Transatlantischer Handel ist gut für's Geschäft
Blicken wir auf die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der Europäischen Union. Könnte hier der nächste spontane Kurswechsel des Präsidenten anstehen?
Am 15. April hat die Europäische Kommission die neuen Verhandlungsrichtlinien für Handelsgespräche mit den USA verabschiedet und damit ihr Okay für die Umsetzung der zwischen EU-Kommissionspräsident Juncker und Trump im Juli 2018 vereinbarten Zusammenarbeit gegeben. Diese Verhandlungen schreiten weiter voran und beschränken sich in erster Linie auf Industriegüter und auf die gegenseitige Anerkennung technischer Leitlinien. Die deutsche und die französische Wirtschaft sind von einigen der Strafzölle mehr betroffen als andere EU-Staaten. Meines Erachtens geht es im EU-US-Tarifstreit vor allem darum, auf europäischer Ebene als Einheit zusammenzuhalten.
Worauf müssen sich die Wirtschaftsexperten in Deutschland und der EU also bei den Verhandlungen mit Trump einstellen?
Die Handelszahlen sprechen für sich - transatlantischer Handel ist gut für's Geschäft. Das wissen am Ende des Tages auch Präsident Trump und seine Berater. Hinzu kommt, dass US-Unternehmen intern Druck auf die Regierung ausüben, da am Ende auch deren Lieferketten global sind. Wir haben für den Moment ein relativ gutes Equilibrium gefunden, was die gegenseitigen Strafzölle angeht. Statt nachzuladen, wäre es meines Erachtens produktiver, Twitter für eine Weile zu ignorieren, tief durchzuatmen und abzuwarten, mit welchen Resultaten unsere Verhandlungsführer zurückkommen.