Der Ausbau der Stromübertragungsnetze in Deutschland kostet viele Milliarden, der niederländische Netzbetreiber Tennet wollte deswegen seinen Anteil am deutschen Stromnetz an den Bund verkaufen. Die Verhandlungen darüber sind nun aber gescheitert. Die Bundesregierung habe mitgeteilt, dass sie die geplante Transaktion aufgrund von Haushaltsproblemen nicht durchführen könne, teilte Tennet am Donnerstag mit.
Die Bundesregierung ist mitten in schwierigen Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 sowie die mittelfristige Finanzplanung, es müssen Milliardenlöcher gestopft werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zeigte sich enttäuscht über das Scheitern der Verhandlungen mit Tennet. Jetzt suchen die Beteiligten nach einem „Plan B“. Dabei könnte es auch um eine Minderheitsbeteiligung des Bundes an Tennet gehen.
Langwierige Verhandlungen beendet
Die Verkaufsverhandlungen zwischen der Tennet Holding und der staatlichen Förderbank KfW im Auftrag der Bundesrepublik über einen vollständigen Verkauf von Tennet Deutschland seien ergebnislos beendet worden, teilte Tennet mit. Das ist auch für den niederländischen Finanzminister Steven van Weyenberg ein Rückschlag: Dem niederländischen Staat entstehe nun eine Haushaltslücke von rund 1,6 Mrd. Euro, heißt es in einem Schreiben des Ministers ans Parlament in Den Haag. Die Tennet-Muttergesellschaft ist in Staatsbesitz.
Nur vier Unternehmen – 50 Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW – kontrollieren in Deutschland das Höchstspannungsnetz mit rund 37.000 Kilometern Gesamtlänge. Tennet hatte den deutschen Teil seines Netzes 2010 von Eon übernommen und betreibt das Netz in der flächenmäßig größten der vier Zonen: Das Gebiet umfasst Stromautobahnen von Schleswig-Holstein bis Bayern.
Im Zuge der Energiewende müssen in den nächsten Jahren tausende Kilometer neue Stromleitungen gebaut werden, damit der vor allem im Norden produzierte Windstrom in große Verbrauchszentren im Süden gelangen kann. Die Bundesnetzagentur rechnet für den gesamten Ausbau der Stromübertragungsnetze bis 2045 mit Investitionen von insgesamt rund 320 Mrd. Euro. Die Kosten des Netzausbaus werden über die Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt.
Tennet bereitet Alternativen vor
Netzbetreiber Tennet geht für die nächsten zehn Jahre von Investitionen in Höhe von bis zu 160 Mrd. Euro aus, die meisten davon in Deutschland. Um diesen Kosten zu entgehen, wollen die Niederlande den deutschen Tennet-Teil verkaufen. Sowohl die niederländische als auch die deutsche Regierung zögen es vor, lediglich ihre eigene nationale Strominfrastruktur zu finanzieren, hieß es dazu noch im Tennet-Geschäftsbericht für das Jahr 2023.
Nun, da die Verhandlungen mit dem Bund gescheitert sind, würden verschiedene Alternativen für den Verkauf des deutschen Stromnetzes geprüft, sagte Finanzminister van Weyenberg. „Die Vorbereitungen dafür sind in vollem Gange.“ Tennet bereite „konkrete Optionen für einen (teilweise) privaten Verkauf oder einen Gang an die Börse von Tennet Deutschland“ vor. Die deutsche Regierung habe mitgeteilt, diese alternativen Szenarien zu unterstützen.
In der Zwischenzeit halte Tennet aber an seinen umfangreichen Investitionsplänen in beiden Ländern fest und werde dabei vom niederländischen Staat unterstützt. Dieser habe Tennet kürzlich ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 25 Mrd. Euro für die Jahre 2024 und 2025 gewährt. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagte dazu: „Wir sehen, dass Tennet seine Netze weiter in erheblichem Umfang ausbauen will und wird. Die Investitionsbedingungen sind attraktiv, und wir gehen davon aus, dass Tennet alternative Investoren finden wird.“
Deutsche Netz AG?
Der Tennet-Erwerb sollte ein wesentlicher Schritt sein auf dem Weg zu einer deutschen „Netz AG“, bei der der Bund Anteile an allen deutschen Übertragungsnetzbetreibern halten und mehr Kontrolle über den Stromnetzausbau erlangen könnte.
Habeck sagte am Rande einer Ostasien-Reise in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, er bedauere, dass es nicht gelungen sei, die vier Übertragungsnetzbetreiber Tennet, 50Hertz, Amprion und TransnetBW in einer Gesellschaft zusammenzufassen. Dies hätte den Strom in Deutschland am Ende günstiger gemacht, weil man Synergien etwa bei der Beschaffung hätte herstellen können.
Es wäre wichtig gewesen, Verzögerungen beim Netzausbau zu vermeiden, sagte Habeck. „Nun ist der Weg, der eigentlich geplant war, nicht möglich gewesen zu gehen. Das heißt aber nicht, dass andere Wege nicht gefunden werden sollten.“ Es gehe weiter darum, die Übertragungsnetzbetreiber zusammenzufassen und kapitalstark auszustatten. „Nun müssen wir halt noch mal von vorne nachdenken.“
Habecks Staatssekretär Philipp Nimmermann betonte später, die Bundesregierung habe weiterhin Interesse an einer strategischen Minderheitsbeteiligung an Tennet Deutschland im Rahmen eines Konsortiums.
Aus Kreisen des Finanzministeriums hieß es, ein Kauf von Tennet sei nicht an der Schuldenbremse gescheitert. Finanzielle Transaktionen wie Unternehmenskäufe wären generell von der Schuldenbremse ausgenommen. Entscheidend sei der Klärungsbedarf, wie ein vollständiger und dauerhafter Staatsbesitz verhindert werde. Aus ordnungspolitischen Gründen werde nur eine Minderheitsbeteiligung des Bundes angestrebt.
Bund schon an zwei Betreibern beteiligt
Immerhin an zwei Netzbetreibern ist der Bund bereits beteiligt: Am Unternehmen 50 Hertz, das den Osten des Landes und Teile Norddeutschlands versorgt, hält der Bund über die KfW 20 Prozent. Die restlichen Anteile gehören dem belgischen Unternehmen Elia.
Das Netzgebiet von TransnetBW liegt überwiegend in Baden-Württemberg. Bei diesem Übertragungsnetzbetreiber ist der Bund mit 24,95 Prozent eingestiegen – Hauptanteilseigner ist der EnBW-Konzern.
In dessen Aufsichtsrat ist auch Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz. Der Grünen-Politiker nannte die gescheiterte Tennet-Transaktion einen herben Rückschlag und sagte: „Ich halte die Idee einer konsolidierten deutschen Netz AG angesichts der gigantischen planerischen, baulichen und finanziellen Dimension beim Netzausbau für den richtigen Weg. Eine Sperrminorität sollte beim Staat liegen, der Großteil über private Investoren mobilisiert werden.“