Dirk Elsner berät als Consultant für die Innovecs GmbH Banken und Unternehmen. Zu seinen Schwerpunkten gehören Veränderungen der Finanzwirtschaft, der Unternehmenspraxis und digitale Finanzdienstleistungen. 2008 hat er das private Wirtschaftsblog Blick Log gegründet, das mehrfach ausgezeichnet wurde. Elsner schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne auf Capital.de. Der Titel ist Programm: Finanzevolution (Foto: Sebastian Berger, Stuttgart)
Regelmäßige Leser dieser Kolumne wissen, dass der „Kampf“ um die Zukunft des digitalen Bankings längst nicht entschieden ist. Klar ist, dass Polarisierungen wie Banken gegen FinTechs (= Financial Technology) zwar die Aufmerksamkeit steigern, nicht aber der Realität entsprechen. Aber genau wie sich die Natur bei der biologischen Evolution in unabsehbare Richtungen entwickelt, heißt es auch im FinTech-Segment, dass es nicht nur ein oder zwei Strategien für ein erfolgreiches Überleben gibt.
Kooperationen zwischen Banken und FinTechs sind ein Weg. Aus Sicht mancher Technologieunternehmen ist die Zusammenarbeit Teil des Geschäftsmodells, wie etwa bei Wikifolio oder Moneymeets. Manchmal sind sie ein notwendiges Übel, wie bei einigen Robo-Advisorn (computergestützte Anlageplattformen) oder Lending-Plattformen (Kreditmarktplätze).
Was man noch vergleichsweise selten beobachtet, ist die Ausweitung von Geschäftsmodellen im Sinne echter Diversifikation. Als Prototyp der „Wiedergeburt der Diversifikation“ gilt dem Harvard Business Manager Amazon. Das Unternehmen aus Seattle startete der Legende nach in einer Garage mit dem Verkauf von Büchern über das Internet. Mittlerweile wird Amazon mit etwa 225 Mrd. US-Dollar bewertet, hat 250 Millionen Kunden in aller Welt und eine deutlich erweiterte Wertschöpfungskette. Das Unternehmen vertreibt nicht nur Bücher, sondern ermöglicht Autoren die Produktion von Büchern, es hat also Verlagsfunktionen übernommen. Daneben bereitet der E-Commerce-Riese Druckereien Probleme mit seinen E-Books und hat einen Zahlungsdienst eingerichtet.
Paypal „Working Capital“
Dass solche Überlegungen auch für Finanzdienste nicht blanke Theorie sind, unterstreicht Paypal. Der Zahlungsdienstleister startete 1998 unspektakulär und relativ erfolglos mit Bezahlmethoden für den Palm Pilot. Wahrgenommen wurde Paypal dann erst als Zahlungssystem für den Internetversteigerer Ebay. Der Bezahldienst konnte mit der Plattform wachsen. In den Jahren danach verbreiterte Paypal seine Kundenbasis und drang als Zahlungsdienst in immer mehr Länder und auf weitere Plattformen vor.
Erst 2007 erhielt das Unternehmen von der luxemburgischen Finanzaufsicht eine Banklizenz für Europa. Paypal positioniert sich im Mobile Payment und ermöglich schon jetzt mobile Peer-to-Peer-Zahlungen (Zahlungen von Person zu Person). Was Paypal bisher meines Wissens noch nicht macht, ist die explizite Annahme verzinster Einlagen. Der Weg dahin ist aber nicht weit. Die US-Webseite Business Insider berichtete im Rahmen eines Spezialreports, dass sich Kleinunternehmen, die Kunden von Paypal sind, Geld leihen können. Paypal „Working Capital“ nennt das Unternehmen das Programm, das die Kunden unabhängiger von Banken machen kann. Ähnliche Programme gibt es bereits von Amazon und Google. Mittlerweile ist Paypal wieder aus Ebay herausgelöst und wird an der Börse zu deutlich höheren Marktwerten gehandelt als seine frühere Mutter.
Amazon und Google nutzen ebenfalls ihre starke Marktposition, um weiter im Finanzbusiness mitzumischen. Amazon bietet seinen Geschäftskunden Kredite zwischen 1000 und 600.000 Dollar an. Dem Unternehmen geht es dabei nicht darum, Banken Konkurrenz zu machen, sondern das eigene Geschäftsmodell zu stärken.
Google hatte einst ein ähnliches Programm (siehe dazu Google und Amazon machen Banken mit Krediten Konkurrenz), hat dies aber offenbar eingestellt. Stattdessen ist der Suchmaschinenriese eine Partnerschaft mit der größten US-Kreditbörse Lending Club eingegangen. Sie haben ein Pilotprogramm gestartet, um kleinen Geschäftskunden von Google schnelle und bequeme Finanzierungen zu ermöglichen. Interessant daran ist, dass dafür zwar die Plattform von Lending Club genutzt wird, Google aber das Geld für die Finanzierung gibt und nicht die anderen Geldgeber wie Privatpersonen oder Hedgefonds.
Wird Apple Pay zur Gefahr für Banken?
Interessant wird es auch werden, wenn Apple sein Pay-System ausweitet. Als Apple Pay eingeführt wurde, war ich enttäuscht, weil Apple keine Funktion für Peer-to-Peer-Zahlungen anbietet, also direkten Zahlungen zwischen verschiedenen Pay-Nutzern. Ich kam daher im September vergangenen Jahres zum Schluss, dass Apple Pay vorerst gefahrlos für Banken sei. Das könnte sich nun ändern. Apple Pay wird sicher nicht allein auf die Bezahlung am Point of Sale und im E-Commerce beschränkt bleiben, zumal die Transaktionszahlen wohl noch deutlich unter den Erwartungen liegen dürften.
Der US-Blog „Patently Apple“, der regelmäßig über die öffentlich verfügbaren Patentanmeldungen von Apple berichtet, wies jüngst auf ein Patent für P2P Finanztransaktionen hin. Das Patentdokument enthält eine Grafik mit einer detaillierten Prozessdarstellung. Cashys Blog fasst das so zusammen:
„Das ganze System funktioniert eigentlich wie AirDrop, nur dass Geld anstatt Dateien gesendet wird. Der Vorgang läuft dabei recht unkompliziert ab. Initiiert wird er von der Person, die Geld senden möchte. Zuerst wird der Empfänger ausgewählt – angezeigt werden alle möglichen Empfangsgeräte in der Nähe. Danach wählt man den Betrag aus, den man senden möchte. Bevor die Zahlung dann letztendlich veranlasst wird, muss sich der Nutzer noch authentifizieren, falls dies nicht schon im Vorfeld geschehen ist. Erst dann wird die Zahlung ausgelöst.“
So können Zahlungen direkt von iPhone zu iPhone durchgeführt werden. Das kommt nicht ganz überraschend, denn schon in den letzten Jahren hatte Apple jede Menge Patente angemeldet, die deutlich über das Funktionsspektrum der aktuellen Fassung von Apple Pay hinausgehen. Ob und wann man davon etwas in der Praxis sehen wird, ist derzeit noch offen.
Wie gesagt, das von manchen erhoffte Ziel ist hier nicht, den Finanzsektor aufzumischen. Das dürfte den Googles, Amazons und Apples vollkommen egal sein. Aber sie wollen Kunden und Geschäftspartner an ihre Ökosysteme binden. Wenn das nebenbei die Banken schmerzt, gehört das halt dazu. Freilich brauchen auch die großen FinTechs bisher noch das Bankensystem für die Abwicklung der Transaktionen. Die Frage ist aber, wie lange noch?
Weitere Kolumnen von Dirk Elsner, die er für die inzwischen eingestellte deutsche Ausgabe des „Wall Street Journal“ geschrieben hat, finden Sie auf seiner Übersichtsseite