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Kolumne Splendid Isolation

David Cameron macht derzeit keine gute Figur. Die EU sollte aber nicht den Fehler machen, seine Positionen zu ignorieren. Von Ines Zöttl
Ines Zöttl
Ines Zöttl schreibt an dieser Stelle über internationale Wirtschafts- und Politikthemen
© Trevor Good

Und wieder liegt einer am Wegesrand, während Angela Merkels Karawane weiterzieht: Diesmal ist es David Cameron. Merkel hat ihn geopfert, als sie die eigenen Machtinteressen gefährdet sah. Denn der vom britischen Premier geforderte und von der Bundeskanzlerin zunächst unterstützte Verzicht auf Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident kam in der deutschen Öffentlichkeit gar nicht gut an. Also vollzog sie die Kehrtwende. Juncker wird wieder auf den Gaul gehievt. Cameron bleibt zurück.

Mitleid muss man deswegen nicht haben. Cameron ist Machtpolitiker wie Merkel, nur beherrscht er sein Handwerk schlechter. Seine Strategie, den Eurokritikern im eigenen Land den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er selbst einen Sturm entfacht, ist erst mal schief gegangen. Bei der Europawahl ist die EU-feindliche Ukip zur stärksten Partei geworden, die Tories fielen auf Platz drei zurück. Die Befürchtungen wachsen, dass die Briten beim Referendum, das ihnen Cameron für 2017 zugesagt hat, tatsächlich für den Austritt aus der EU stimmen. Vorher könnten sich noch die Schotten aus der Union mit England verabschieden, die im Herbst über die Loslösung abstimmen.

Nur ein Scheinfriede ohne Briten

Cameron macht derzeit keine besonders gute Figur. Kein Wunder also, dass Merkel glaubt, seine Forderungen ignorieren zu können – nicht nur, weil er keine Handtasche hat, die er wie einst Maggie Thatcher für den Briten-Rabatt auf den Tisch schlagen könnte. Die Geduld in Europa gegenüber Großbritanniens Sonderwünschen schwindet. Stattdessen macht sich eine Stimmung des „Dann-macht-doch-rüber“ breit.

Die Aussicht ist fast schon verlockend: Ein ständiger Störenfried wäre weg, der die Regulierung von Finanzmärkten blockiert und stets lieber weniger als mehr Brüssel möchte. Für den der Nationalstaat die Zukunft ist und die EU nur ein Zweckbündnis.

Doch es wäre ein Scheinfriede. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das wachsende Unbehagen an der EU keineswegs ein rein britisches Phänomen ist. Dort ist die Distanz zum Kontinent nur besonders ausgeprägt. 50 Prozent der Briten sagen im Eurobarometer vom November 2013, dass ihr Land außerhalb der EU bessere Zukunftsaussichten hätte. In anderen Ländern ist der Anteil niedriger, aber immer noch beträchtlich. In Österreich beispielsweise sind es 42 Prozent, in Frankreich 31 Prozent und in Deutschland 27 Prozent.

Die EU braucht den Störenfried

Früher ging Europapolitik so, dass die Eliten ihr Ding machten und die Bürger es geschehen ließen. Es ist fraglich, dass diese stille Duldung anhält. Cameron hat das begriffen. Wenn die Mehrheit der Briten die EU satt hat, wird der Bund scheitern. Die Trennung lässt sich nicht dadurch verhindern, dass man kein Referendum macht. Das zeigt schon der Wahlsieg von Ukip. Die Abstimmung ist im besten Fall auch eine Chance, dass sich die Briten doch noch zu Europa bekennen. So war es von Cameron gedacht.

Die EU braucht den Störenfried. Cameron vertritt eine klare Haltung in den Fragen, denen sich alle EU-Regierungen stellen müssen: Wie sollen die demokratischen Prozesse in der EU aussehen? Wer trifft die Entscheidungen? Wie viel Brüssel soll sein?

Großbritannien hat signalisiert, auf dem EU-Gipfel Ende der Woche eine Abstimmung über Juncker erzwingen zu wollen. So wie es aussieht ist er isoliert. Aber es ist eine glänzende Isolation.

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