Als Stefan Leitz vor vier Jahren als Chef zu Faber-Castell kam, kämpfte der Schreibwarenhersteller gerade mit den Folgen der Pandemie. In wichtigen internationalen Märkten waren die Schulen länger geschlossen als in Deutschland – etwa in Südamerika, wo das fränkische Familienunternehmen mit seinen Blei- und Buntstiften besonders stark ist, in Indonesien und Indien. Die Folge: Der Umsatz brach kräftig ein.
Mittlerweile hat Faber-Castell nicht nur die Coronadelle überwunden. Das Unternehmen, das im Jahr mehr als zwei Milliarden Stifte herstellt, erreichte im Geschäftsjahr 2022/23 den zweithöchsten Umsatz seiner Historie. Auch habe man die Pandemie genutzt, um eine neue Strategie zu entwickeln, sagt Leitz. „One Faber-Castell“ nennt er sie.
Über Jahrzehnte war die Weltmarke dezentral geführt worden. Doch seit den 2010er-Jahren hat sich das Marktumfeld für Schreibgeräte massiv verändert: der Vertrieb über Plattformen wie Amazon und Alibaba, Konkurrenz von Billiganbietern aus Asien, Konsolidierungsdruck. „Dadurch wird es anspruchsvoller zu wachsen“, sagt Ex-Unilever-Manager Leitz. Daher sollen die Regionalgesellschaften nun zentraler gesteuert werden und stärker kooperieren. Zudem soll die Marke weltweit ein einheitlicheres Gesicht bekommen.
Stifte für die Generation Tiktok
Auch auf der Produktseite hat sich etwas getan. Faber-Castell sieht sich als Unternehmen, das Stifte für alle Lebensphasen anbietet – für das Schulkind bis zum Hobbyzeichner im Ruhestand. Jedoch habe es im Sortiment noch „kleine Lücken“ gegeben, sagt Leitz: etwa für Kinder im Vorschulalter oder ältere Teenager, die sich für klassische Buntstifte nicht mehr begeistern lassen.
Die Generation Tiktok ansprechen sollen nun Stifte mit matter Lackierung, die nicht glänzen, wenn man mit dem Handy fotografiert – eine Idee aus China. Kollegen in Brasilien entwickelten 2017 Buntstifte mit einer extrem weichen Mine, die auf schwarzem Papier hohe Strahlkraft entfalten. Nachdem sich die Stifte mit Graffiti-Touch in Südamerika als Hit erwiesen, führte Faber-Castell sie als „Black Edition“ in Europa und Asien ein – ein Beispiel, wie sich Leitz die interne Kooperation vorstellt. Künftig sollen Innovationen schneller global ausgerollt werden.
Als Ziel hat der Firmenchef ausgegeben, doppelt so schnell zu wachsen wie der weltweite Gesamtmarkt, für den Experten trotz Digitalisierung ein jährliches Plus bei den Mengen von einem bis zwei Prozent erwarten. Für neue Erlöse sorgen soll dabei neben Innovationen der Premiumbereich – hochwertige Schreibgeräte „nördlich von 30 Euro“, wie es Leitz formuliert, inklusive der Luxuslinie Graf von Faber-Castell, deren Füllfederhalter vierstellig kosten können. Besonders im Blick: der arabische Raum, China, Südkorea, Japan und Nordamerika. Dass Faber-Castell nur jenseits des Heimatmarkts wachsen kann, ist Leitz klar. In Deutschland setzt der Marktführer eher auf Verteidigung: „Wir wollen keinen einzigen Stift verlieren.“