Für chinesische Technologie-Konzerne läuft die Expansion ins Ausland schleppend. Zuerst waren es westliche Staaten, allen voran die USA, die den Firmen aus Angst vor Spionage und vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen mehr und mehr die Türen verschlossen haben. Nun nimmt der Druck auch im Nachbarland Indien massiv zu.
BBK Electronics etwa bekam das in den vergangenen Tagen gleich doppelt zu spüren. Dem Konzern aus der Südprovinz Guangdong gehören mit Oppo und Vivo zwei der größten Smartphone-Marken Chinas. Zusammengerechnet sind sie sowohl auf ihrem Heimatmarkt als auch in Indien Marktführer. Doch in Indien ermitteln jetzt die Steuerbehörden. Zuerst beschuldigten sie Vivo vergangene Woche, durch illegale Transferzahlungen Gewinne verschleiert zu haben – und froren umgerechnet rund 60 Millionen Euro an Firmengeldern vorübergehend ein.
Nur drei Tage später verkündeten die indischen Behörden, dass auch Oppo Steuern hinterzogen habe. Demnach soll das Unternehmen umgerechnet rund 550 Millionen Euro an Einfuhrzöllen nicht gezahlt haben. Bereits vor zwei Monaten erging es dem chinesischen Smartphone-Giganten Xiaomi ähnlich. Von diesem beschlagnahmten die indischen Behörden rund 700 Millionen Euro Bankguthaben. Dann nahm allerdings ein Gericht die Entscheidung zurück.
Keine Freunde trotz Russland-Nähe
Gerade erst auf dem per Videoschalte abgehaltenen BRICS-Gipfel vor drei Wochen hatte sich China vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts bemüht, Geschlossenheit mit den Partnerländern Brasilien, Russland, Südafrika und eben Indien zu demonstrieren. Die Realität sieht jedoch anders aus. Zwar ist auch Indien gegen die westlichen Russland-Sanktionen. Eine ähnliche Haltung in diesem einen Punkt macht Neu-Delhi und Peking aber längst nicht zu Freunden.
Die Beziehungen der beiden bevölkerungsreichsten Staaten bleiben angespannt, seit es vor zwei Jahren zu einem tödlichen Zusammenstoß von Soldaten beider Länder an der gemeinsamen Grenze in der Himalaya-Region gekommen war. Derzeit halten indische und chinesische Militärs bereits die 16. Gesprächsrunde zur Beilegung des Konfliktes ab. Bislang jedoch ohne Ergebnis. Zwar betont die indische Führung, dass die Maßnahmen gegen chinesische Firmen nicht politisch motiviert seien. Dennoch begann der große Crackdown nachweislich direkt nach den Grenzkämpfen.
Die Regierung von Premierminister Narendra Modi hat seitdem mehr als 200 Apps von chinesischen Anbietern in Indien verboten. Auch die chinesischen Netzwerkausrüster Huawei und ZTE gerieten ins Visier. Beide sind vom Ausbau des 5G-Netzes praktisch ausgeschlossen. Mittlerweile haben die Steuerbehörden Untersuchungen bei mehr als 500 chinesischen Unternehmen eingeleitet, wie Insider dem Finanzdienst Bloomberg berichteten. Neben ZTE, Vivo, Xiaomi, Huawei und Oppo sollen auch mehrere Tochterfirmen von Alibaba betroffen sein.
Neu-Delhi will eigene Tech-Riesen
Indien, so analysieren Beobachter, geht es bei den Maßnahmen wohl nicht ausschließlich um eine Reaktion auf den Grenzkonflikt. Vielmehr sei die Regierung vor dem Hintergrund der aggressiven Expansion chinesischer Firmen besorgt, dass lokale Unternehmen ins Hintertreffen geraten. So machten chinesische Hersteller zuletzt etwa 60 Prozent des indischen Smartphone-Marktes aus. Auch die Handelsbilanz beider Staaten spricht für sich. Indien importierte in den ersten drei Monaten des Jahres Waren im Wert von 27,7 Milliarden Dollar aus China, exportierte aber nur Waren im Wert von 4,9 Milliarden Dollar in die Volksrepublik.
Nun sollen heimische Unternehmen mit Regierungshilfe Marktanteile zurückgewinnen. „In vielerlei Hinsicht folgt Indien dem chinesischen Vorbild“, sagte Professor Jabin T. Jacob, China-Fachmann der Universität Shiv Nadar in Neu-Delhi, der Financial Times. Genau wie China in der Vergangenheit ganz gezielt eigene Tech-Giganten gefördert hat, um US-Konzerne wie Google, Amazon und Facebook vom Heimatmarkt fernzuhalten, wolle auch Indien lieber auf eigene Unternehmen setzen. So soll letztendlich auch die Abhängigkeit von chinesischen Importen gemindert werden.